Zulassungsverfahren, Registrierung, organisatorische Fragen


BRAO-Reform: Zulassungs- und Registrierungsverfahren

Um die Aufsicht über die Einhaltung der berufsrechtlichen Pflichten – gerade bei Gesellschaften mit Haftungsbeschränkungen und interprofessionellen Berufsausübungsgesellschaften – sicherzustellen, besteht in Zukunft grundsätzlich die Pflicht zur Zulassung bzw. Anerkennung von Berufsausübungsgesellschaften (§§ 59f, 59g, 59h BRAO; §§ 59f, 59g, 59h PAO-; §§ 53, 54, 55 StBerG). Über die Zulassung entscheiden die Rechts- bzw. Patentanwalts- und Steuerberaterkammern, bei denen auch der Zulassungsantrag zu stellen ist. Wenn die berufsrechtlichen Vorgaben zur Gesellschafter-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsstruktur sowie zur Berufshaftpflichtversicherung eingehalten sind und die Gesellschaft sich nicht im Vermögensverfall befindet, besteht ein Anspruch auf Zulassung. Andersherum muss die Zulassung widerrufen werden, wenn die Zulassungsvoraussetzungen entfallen. Von der Zulassungspflicht ausgenommen werden Personengesellschaften, bei denen die Haftung der natürlichen Personen nicht beschränkt ist und denen als Gesellschafter, Geschäftsführer und Aufsichtsorgane ausschließlich mitarbeitende Rechtsanwälte oder Berufsangehörige mit vergleichbarem Berufsrecht (z. B. Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer sowie Steuerberater) angehören. In diesem Fall gelten die berufsrechtlichen Pflichten ohnehin direkt für alle Gesellschafter, sodass eine zusätzliche Kontrolle über die Zulassung bei den Kammern nicht zwingend erforderlich ist. Eine freiwillige Zulassung dieser Gesellschaften ist aber möglich und sinnvoll, wenn man sich die Aufnahme weiterer, berufsfremder Gesellschafter in Zukunft vorbehalten will.

Eintragung in das elektronische Kammerverzeichnis

Die zugelassene Berufsausübungsgesellschaften werden in Zukunft in die elektronischen Verzeichnisse der Kammern eingetragen, in denen bislang im Regelfall lediglich die (Patent-)Anwälte und Steuerberater persönlich eingetragen sind (§ 31 BRAO, § 29 PAO-E, § 76a StBerG-E).
Aus dem Verzeichnis sollen für Berufsausübungsgesellschaften jeder Rechtsform weitgehende Informationen ersichtlich sein, die über die z. B. im Handelsregister hinterlegten Daten deutlich hinausgehen. Neben der Gesellschafter- und Vertretungsstruktur sollen Telekommunikationsdaten, der von jedem Gesellschafter ausgeübte Beruf oder das Bestehen von Berufs- oder Vertretungsverboten offengelegt werden. So sollen Mandanten feststellen können, ob die ihnen gegenüber auftretende Person zur Erbringung der gewünschten (Rechts-)Dienstleistungen befugt ist. Angestellte Berufsträger müssten nicht bei der Berufsausübungsgesellschaft angegeben, aber aufgrund ihrer eigenen Zulassung natürlich trotzdem persönlich im Verzeichnis geführt werden.

Bezeichnung der Berufsausübungsgesellschaft

Wenn die Rechts- oder Patentanwälte bzw. Steuerberater die Mehrheit der Stimmen halten und die Mehrheit im Geschäftsführungsorgans darstellen, kann sie in ihren Namen die Bezeichnung als "Rechtsanwaltsgesellschaft", "Patentanwaltsgesellschaft" oder "Steuerberatungsgesellschaft" aufnehmen (§ 59p BRAO, § 52o PAO, § 55g StBerG).

Rechtsdienstleistungs- und Postulationsbefugnis

Die logische Folge der "Aufwertung" der Berufsausübungsgesellschaften und im Gesetzesentwurf entsprechend festgehalten ist, dass sie selbst zur Erbringung von (Rechts-)Dienstleistungen befugt sind (§ 59k BRAO). Ebenfalls naheliegend ist, dass sie postulationsbefugt sind, d. h. vor einem Gericht rechtswirksame Handlungen vornehmen können (§ 59l BRAO). Die hierbei auftretenden Personen müssen jedoch selbst die Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen besitzen. Mit anderen Worten: Ein Arzt kann zwar Gesellschafter einer Berufsausübungsgesellschaft sein, kann aber diese nicht im Gerichtsprozess vertreten. Die Stellung als Verteidiger im Strafprozess soll aufgrund ihrer besonderen Natur nach wie vor an natürliche Personen gebunden sein und einer Berufsausübungsgesellschaft nicht übertragen werden können.
Für Berufsausübungsgesellschaften, die geschäftsmäßige Hilfeleistungen in Steuersachen erbringen, gibt es entsprechende Regelungen (§ 55c StBerG).

Kanzleipostfach

Begrüßen werden viele Kanzleien die Einrichtung eigener Postfächer für die Berufsausübungsgesellschaft beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach (§ 31b BRAO). Dieses Postfach ist – nachdem es im Gesetzgebungsverfahren noch als Option auf Antrag vorgesehen war – für zugelassene Berufsausübungsgesellschaften verpflichtend. Einzelpostfächer für Zweigstellen können auf Antrag eingerichtet werden.

Mit dem Gesellschaftspostfach sollen die zuständigen Rechtsanwälte – gerade, nachdem zum 1.1.2022 die aktive Nutzungspflicht für das besondere elektronische Anwaltspostfach in Kraft getreten ist – von Gerichten, Behörden und anderen Anwälten besser erreicht werden können. Die Praxis der vergangenen Jahre, in der teils umständliche Vertretungskonstellationen bei den persönlichen beA-Postfächern der Rechtsanwälte nötig waren, könnten sich dadurch erübrigen. Weitere Neuregelungen zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (z. B. zur Ersetzung von Schriftformerfordernissen durch die Übersendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach) finden sich übrigens im kurz vorher erlassenen "Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften" vom 25.6.2021.

Eine ähnliche Plattform soll es ab dem 1.1.2023 für Steuerberater geben. Die gesetzliche Neuregelung sieht die Schaffung einer Steuerberaterplattform, zu der auch das sog. besondere elektronische Steuerberaterpostfach gehören soll, vor (§§ 86c ff. StBerG).

Berufshaftpflichtversicherung

Da die Berufsausübungsgesellschaften selbst Rechts- bzw. Steuerberatungsdienstleistungen erbringen dürfen, werden sie zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet sein und zwar unabhängig von ihrer Rechtsform (§§ 59n, 59o BRAO, §§ 52m, 52n PAO, § 55f StBerG). Die Mindestversicherungsbeiträge je Versicherungsfall variieren; je nach den für die Gesellschafter geltenden Haftungsbeschränkungen liegen sie zwischen 500.000 EUR bis 2.500.000 EUR. Der Nachweis einer hinreichenden Versicherung ist insbesondere im Zulassungs- bzw. Anerkennungsprozess bei den Kammern von Bedeutung, die bei einem nicht hinreichenden Versicherungsschutz den Zulassungs- bzw. Anerkennungsantrag zurückweisen müssen.

Bürogemeinschaften

Von der Berufsausübungsgesellschaft zu unterscheiden sind die sog. Bürogemeinschaften, die erstmals gesetzlich geregelt wurden. Sie dienen nicht der gemeinschaftlichen Berufsausübung, sondern einer gemeinsamen Organisation und Teilung von Betriebsmitteln (z. B. Räume, EDV-Anlagen). Weil die (faktischen) Einflussmöglichkeiten auf die Rechts- und Patentanwälte sowie Steuerberater in Bürogemeinschaften geringer ausgeprägt sind als bei einer gesellschafterlichen Zusammenarbeit in einer Berufsausübungsgemeinschaft, sind Bürogemeinschaften für (Patent-)Anwälte und Steuerberater auch mit anderen Berufen als sozietätsfähigen und freien Berufen möglich (§ 59q BRAO, § 52p PAO, § 55h StBerG). Dies gilt jedoch wiederum nur, wenn keine Gefahr für die Stellung als unabhängiges Organ der (Steuer-)Rechtspflege besteht.

Daher sind angemessene organisatorische und technische Maßnahmen zur Absicherung der geltenden Berufspflichten, insbesondere zur Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht, zu veranlassen. Darüber hinaus werden die berufsrechtlichen Pflichten aber nicht auf Mitglieder der Bürogemeinschaft ausgedehnt – insbesondere Tätigkeitsverbote im Fall von Vorbefassung der das Büro gemeinsam nutzenden Anwälte bzw. Steuerberater soll es nicht geben.

Berufskammern und berufsrechtliche Verfahren

Die Neuregelungen sehen Änderungen für die Verfahren in den Berufskammern und die berufsrechtlichen Verfahren vor. Herauszuheben ist zum einen, dass berufsrechtliche Verfahren zukünftig öffentlich sein sollen (Aufhebung von § 135 BRAO, § 120 PAO, § 122 StBerG und § 99 WPO). Zum anderen soll die Stimmverteilung in der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer neu geregelt und das Stimmgewicht von der Mitgliederzahl der einzelnen Rechtsanwaltskammern abhängig gemacht werden (§ 190 Abs. 1 BRAO). Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Klarstellungen, Vereinheitlichungen, Ergänzungen und Neuregelungen (z. B. zur Besetzung von Kammervorständen, zur Verjährung von Pflichtverletzungen oder zu sonstigen Details der berufsrechtlichen Verfahren). Geregelt werden soll auch das Verhältnis verschiedener berufsrechtlicher Verfahren zueinander (§ 118a BRAO, § 102a PAO-, § 110 StBerG).

Syndikusanwälte

Syndikusanwälte können zukünftig ihre Tätigkeit als Syndikusanwalt (z. B. zugunsten einer zeitlich begrenzten, berufsfremden Tätigkeit) unterbrechen, ohne dass ihre Zulassung unmittelbar widerrufen wird (§ 46b Abs. 2 BRAO, § 41c Abs. 2 PAO).

Für sie gab es außerdem Konkretisierungen mit Blick auf die durch sie zu erbringenden Dienstleistungen bzw. die als Arbeitgeber eines Syndikusanwalts tauglichen Personen (§ 46 Abs. 6 BRAO, § 41a Abs. 6 PAO). Insbesondere wird klargestellt, dass Angehörige sonstiger freier Berufe nach der gesetzlichen Neukonzeption zwar Gesellschafter einer Berufsausübungsgesellschaft, aber (soweit es die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber Dritten angeht) nicht Arbeitgeber eines Syndikusanwalts sein können. Für Rechtsdienstleistungen gegenüber Dritten kann ein Syndikusanwalt also weiterhin nur von Angehörigen der "klassischen" sozietätsfähigen Berufe angestellt werden.

Übergangsvorschriften

Berufsausübungsgesellschaften, die beim Inkrafttreten des Gesetzes zugelassen sind, müssen keinen neuen Zulassungsantrag bei den zuständigen Kammern stellen. Für alle nicht zugelassenen, ab dem 1.8.2022 aber zulassungspflichtigen Berufungsausübungsgesellschaften soll eine Übergangsfrist bis zum 1.11.2022 gelten (§ 209a BRAO, § 162 PAO sowie § 157d StBerG). Für neu gegründete Berufsausübungsgesellschaften gelten die Neuregelungen unmittelbar mit ihrer Gründung.