Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Hat der Erblasser Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten, erhöht sich der Nachlass um einen Sachleistungsanspruch der Erben gegen das Bestattungsunternehmen. Die Kosten der Bestattung sind im vollen Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG
Sachverhalt
Die Erblasserin hatte eine sog. Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht für die Versicherungssumme zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen zur Deckung der Kosten ihrer Bestattung abgetreten. Das Bestattungsunternehmen stellte nach dem Tod der Erblasserin für seine Leistungen insgesamt einen Betrag i. H. v. 11.653,96 EUR in Rechnung. Davon bezahlte die Sterbegeldversicherung 6.864,82 EUR.
Das FA setzte gegen den Kläger als Erben ErbSt fest, bei der es den Sachleistungsanspruch der Sterbegeldversicherung als Erwerb von Todes wegen berücksichtigte. Die Erbfallkosten berücksichtigte es nur in der Höhe der abzüglich von der Sterbegeldversicherung gezahlten Leistung.
Einspruch und Klage (FG Münster, Urteil vom 19.8.2021, 3 K 1551/20 Erb, Haufe-Index 14802589, EFG 2021, 1840) hiergegen blieben ohne Erfolg.
Entscheidung
Die Revision war begründet. Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Die Feststellungen des FG reichten nicht aus, um die Höhe der insgesamt zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeiten abschließend zu bestimmen.
Hinweis
1. Das Urteil hat insoweit eine hohe Praxisrelevanz, als in der Werbung für sog. Sterbegeldversicherungen suggeriert wird, dass mit deren Abschluss die Erben von den Kosten der Bestattung vollständig entlastet werden. Erbschaftsteuerlich ist der Sachverhalt jedoch komplizierter, als sich dies der Erblasser und die Erben vorgestellt haben.
2. Der BFH hat klargestellt, dass die Leistungen aus der Sterbegeldversicherung für die Bestattung zum steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zählen. Sie führen zu einer Bereicherung der Erben und sind nicht steuerfrei. Dies gilt auch dann, wenn die Leistung der Versicherung aufgrund der Abtretung des Erblassers direkt an das Bestattungsunternehmen und nicht an die Erben ausgezahlt wird. Wird die Sterbegeldversicherung direkt an die Erben ausgezahlt, gilt das Gleiche. Der Nachlass erhöht sich um die von der Sterbegeldversicherung gezahlte Summe.
3. Anders als die Finanzverwaltung meint, sind von dem um die Zahlung der Sterbegeldversicherung als Sachleistung erhöhten Nachlass die Bestattungskosten als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStGin vollem Umfang abzuziehen. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal, die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer sowie die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen als Nachlassverbindlichkeiten von dem Erwerb abzugsfähig, soweit diese Kosten tatsächlich entstanden sind. Ohne Nachweis ist ein Pauschbetrag i. H. v. 10.300 EUR abzugsfähig. Der Betrag ist für jeden Erbfall nur einmal zu gewähren, für mehrere Miterben nur einmal.
4. Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten ist durch diesen Pauschbetrag jedoch nicht begrenzt. Sind nachweislich höhere Kosten entstanden, die dem Grunde nach unter § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG fallen, können die Erben sie erwerbsmindernd geltend machen. Voraussetzung ist, dass die Erben sie auch tatsächlich getragen haben.
5. Dies ist auch dann der Fall, wenn das Bestattungsunternehmen Leistungen erbringt, die durch die Leistung der Sterbegeldversicherung abgedeckt sind. Die Erben sind auch in diesem Fall wirtschaftlich belastet, denn insoweit erlischt der zuvor dem Erblasser und nach dessen Tod den Erben zustehende Sachleistungsanspruch (vgl. § 362 Abs. 1 BGB). Im Gegensatz zu anderen Ansprüchen aus Verträgen, die der Erblasser zu Lebzeiten geschlossen hat und gemäß denen der Sachleistungsanspruch nach dem Tod gegenüber den Erben erfüllt wird (z. B. aufgrund von Kaufverträgen, die der Erblasser vor dem Tod geschlossen hat), sind Bestattungskosten ausdrücklich nach § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig.
6. Unerheblich ist, dass bei der Sterbegeldversicherung der Erblasser das Entgelt für die Bestattungsleistungen im Vorgriff durch Zahlungen in die Sterbegeldversicherung und nachfolgend durch Abtretung des Versicherungsanspruchs an das Bestattungsunternehmen geleistet hat. Ist insoweit ein den Wert des Nachlasses erhöhender Anspruch entstanden und auf die Erben übergegangen, führt das Erbringen der Bestattungsleistungen zum Erlöschen dieses Anspruchs. Das Erlöschen mindert insoweit zwar nicht das eigene Vermögen der Erben, wohl aber den Wert des Nachlasses, der diesen Anspruch zuvor (werterhöhend) mit erfasst hat.
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