Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
1. Überträgt ein Vorerbe mit Rücksicht auf die angeordnete Nacherbschaft Vermögen auf den Nacherben, handelt es sich auch dann um einen gem. § 14 Abs. 1 ErbStG mit einem späteren Erwerb des Nacherben vom Vorerben zusammenzurechnenden Erwerb vom Vorerben, wenn der Nacherbe nach § 7 Abs. 2 S. 1 ErbStG beantragt, der Versteuerung der Vermögensübertragung sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen.
2. Bei der Versteuerung des späteren Erwerbs des Nacherben vom Vorerben ist in diesem Fall § 7 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 S. 3 bis 5 ErbStG entsprechend anzuwenden.
Normenkette
§ 6 Abs. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 7, § 7 Abs. 2, § 14 Abs. 1 ErbStG
Sachverhalt
Der im Jahr 1971 verstorbene Großvater (G) des Klägers setzte seine Töchter, darunter die Mutter des Klägers, die im Jahr 1979 verstarb, als Vorerbinnen zu gleichen Teilen ein. Als Nacherben bestimmte er die Abkömmlinge der Vorerbinnen, als Ersatznacherben die übrigen Vorerbinnen und als weitere Nacherben die Abkömmlinge der anderen Vorerbinnen. Die Nacherbfolgen sollten jeweils mit dem Tode der Vorerben eintreten.
Eine der Vorerbinnen (V), die kinderlos war, übertrug durch Vertrag vom 10.12.2003 ihren Anteil am Nachlass des G im Wege vorweggenommener Erbfolge auf den Kläger. Das FA setzte dafür Schenkungsteuer i.H.v. 6 952 EUR fest und folgte dabei dem gem. § 7 Abs. 2 S. 1 ErbStG gestellten Antrag des Klägers, der Versteuerung sein Verhältnis zu G zugrunde zu legen.
V verstarb im Juli 2004. Sie wurde u.a. vom Kläger beerbt. Das FA setzte die Erbschaftsteuer gegenüber dem Kläger auf 47 556 EUR fest. Es rechnete dem Erwerb durch Erbanfall von 160 370 EUR gem. § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG den Wert des von V auf den Kläger übertragenen Anteils am Nachlass des G von 268 251 EUR hinzu und zog den in § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vorgesehenen Freibetrag von 10 300 EUR ab. Auf den sich hieraus ergebenden, auf volle hundert Euro abgerundeten steuerpflichtigen Erwerb von 418 300 EUR wandte das FA einen Steuersatz von 22 % an. Von der sich daraus errechnenden Erbschaftsteuer von 92 026 EUR zog es gem. § 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG für den Vorerwerb eine Steuer von 44 470 EUR ab.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2009, 4 K 186/09 Erb, Haufe-Index 2263699, EFG 2010, 156) mit der Begründung statt, der Erwerb von Todes wegen sei ohne Berücksichtigung eines Vorerwerbs zu besteuern. Aufgrund des vom Kläger gem. § 7 Abs. 2 S. 1 ErbStG gestellten Antrags, der Versteuerung des Erwerbs vom 10.12.2003 sein Verhältnis zu G zugrunde zu legen, sei dieser Erwerb auch im Hinblick auf die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 ErbStG so zu behandeln, als ob er nicht von V, sondern von G stamme. Die festzusetzende Steuer betrage somit unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 10 300 EUR 17 % von 150 000 EUR, also 25 500 EUR. Da über den Antrag des Klägers nicht hinausgegangen werden dürfe, sei die Steuer in der vom Kläger beantragten Höhe festzusetzen.
Entscheidung
Der BFH wies die dagegen gerichtete Revision des FA als unbegründet zurück, auch wenn er sich dabei auf andere rechtliche Erwägungen als das FG stützte.
Hinweis
1. Anders als das FG meinte, war die Übertragung des Anteils der V am Nachlass des G auf den Kläger nicht aufgrund des vom Kläger gem. § 7 Abs. 2 S. 1 ErbStG gestellten Antrags bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen der Erbschaftsteuer als Vorerwerb gem. § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG zu berücksichtigen. Dies beruht auf folgenden teleologischen Auslegungserwägungen:
a) |
Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG ist es, dass die Freibeträge innerhalb des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums nur einmal angewendet werden, damit sich für mehrere Erwerbe gegenüber einer einheitlichen Zuwendung mit deren Gesamtwert kein Progressionsvorteil ergibt. Die Zusammenrechnung aller Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums soll also mit den Worten des BFH "verhindern, dass durch die Zerlegung einer Zuwendung in mehrere aufeinanderfolgende Zuwendungen eine niedrigere Belastung mit Schenkung- oder Erbschaftsteuer erreicht werden kann". § 14 Abs. 1 ErbStG ändert nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbstständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. |
b) |
Wichtiger sind die Ausführungen des BFH zu einem in der Literatur zur Reichweite des § 7 Abs. 2 S. 1 ErbStG seit langem schwelenden Meinungsstreit: Ein Antrag des Nacherben nach § 7 Abs. 2 S. 1 ErbStG wirkt sich nach Auffassung des BFH nur auf die Steuerberechnung aus. Er führt also nicht dazu, dass es sich bei dem Erwerb nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG statt um einen solchen vom Vorerben um einen solchen vom ursprünglichen Erblasser handeln würde (arg. e. § 7 Abs. 2 S. 2 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 2 S. 3 bis 5 ErbStG). Die Folgen einer Antragstellung nach § 7 Abs. 2 S. 1 ErbStG entsprechen danach denjenigen, die sich ergeben, wenn "bei Eintritt der Nacherbfolge auch eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben übergeht und der Nacherbe nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG beantra... |