OFD Karlsruhe, Verfügung v. 29.2.2016, S 7414 - Karte 1
Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Umsätze aus dem Verkauf von alkoholischen Getränken und Flüssigkeiten zu Unrecht in die Durchschnittssatzbesteuerung einbezogen werden.
Bei der Be- oder Verarbeitung von eigenen Erzeugnissen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unterliegt das Enderzeugnis der Durchschnittssatzbesteuerung, wenn es durch die Be- oder Verarbeitung seinen land- und forstwirtschaftlichen Charakter nicht verliert (sog. erste Verarbeitungsstufe). Führt die Verarbeitung zu einem Produkt der zweiten oder einer höheren Verarbeitungsstufe, unterliegen die Umsätze mit diesen Erzeugnissen der Regelbesteuerung (Abschn. 24.2 Abs. 2 UStAE).
Eine erste Verarbeitungsstufe liegt vor, wenn das selbst erzeugte Produkt nicht wesentlich verändert wird oder die Be- oder Verarbeitung nur zur Erleichterung oder Ermöglichung des Transportes vorgenommen wird. Ebenso ist das bloße Haltbarmachen von land- und fortwirtschaftlichen Erzeugnissen, noch Bestandteil der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion (z.B. durch Konservieren oder Gefrieren). Für eine mehr als geringfügige Weiterverarbeitung spricht, wenn sich die Wertschöpfung für das Produkt außerhalb des durch das traditionelle Bild gegebenen Rahmens der Land- und Forstwirtschaft vollzieht und in einer für Gewerbe- und Handwerksbetriebe üblichen Produktionsweise erfolgt und daher mit diesen in Konkurrenz tritt (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.1996, IV R 78/95, BStBl 1997 II S. 427 zur Vermarktung selbst hergestellter Schinken und Wurstwaren).
Landwirtschaftliche Verschlussbrennereien, Abfindungsbrennereien und Stoffbesitzer stellen aus Getreide, Kartoffeln und Obst hochprozentigen ungereinigten Rohalkohol her. Der Rohalkohol ist ein Produkt der ersten Verarbeitungsstufe. Die Umsätze aus dem Verkauf des Rohalkohols unterliegen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 UStG mit einem Durchschnittssatz von 19% (Abschn. 24.2 Abs. 5 Satz 2 UStAE; z.B. Lieferung von Rohalkohol an die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein).
Beim den der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegenden Umsätze aus dem Verkauf von Rohalkohol kann auf die Erhebung der Steuer verzichtet werden, wenn dieser Umsatz zusammen mit anderen Umsätzen, die der Regelbesteuerung unterliegen, voraussichtlich im laufenden Kalenderjahr nicht mehr als 4.000 EUR betragen werden (Abschn. 24.6 Abs. 1 Satz 2 UStAE). Der Land- und Forstwirt darf in diesem Fall seinem Abnehmer die Umsatzsteuer mit 19% in Rechnung stellen und den pauschalen Vorsteuerabzug des § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG i.H. von 10,7% beanspruchen. Der sich ergebende Differenzbetrag von 8,3% wird nicht erhoben.
Die Herstellung von Trinkbranntwein (Obstbrand, Tresterbrand, Weinbrand) und Likör führt demgegenüber zu einem Produkt der zweiten Verarbeitungsstufe. Die Lieferung von Trinkbranntwein und Likör kann somit nicht mehr in die Durchschnittssatzbesteuerung einbezogen werden. Sie ist im Rahmen der Regelbesteuerung mit dem allgemeinen Steuersatz von 19 % (§ 12 Abs. 1 UStG) zu besteuern. Die Umsatzsteuer auf Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Herstellung von Trinkbranntwein und Likör ist unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG als Vorsteuer abzugsfähig. Eine Schätzung der abzugsfähigen Vorsteuer mit dem Durchschnittssatz nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist nicht möglich. Der Unternehmer hat den Vorsteuerabzug dem Grunde und der Höhe nach anhand von Aufzeichnungen und Unterlagen nachzuweisen.
Die der Regelbesteuerung unterliegenden Umsätze aus dem Verkauf von Trinkbranntwein und Likör können unter den weiteren Voraussetzungen in die Vereinfachungsregelung des Abschn. 24.6 Abs. 1 UStAE einbezogen werden (vgl. S 7410 Karte 3).
Normenkette
UStG § 24 Abs. 1 Nr. 2