Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Verzichtet der Betreiber einer mobilen Altenpflege zur Beilegung eines jahrelangen Rechtsstreits auf die ihm zustehende Förderung nach dem LPflgeHG Rheinland-Pfalz und erhält er hierfür vom Land und Landkreis eine Entschädigung, handelt es sich um eine steuerbegünstigte Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG.
Normenkette
§ 34 Abs. 1, § 34 Abs. 2 Nr. 2, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, § 12 Abs. 2 LPflgeHG
Sachverhalt
Der Betreiber einer mobilen Altenpflege erklärte Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und gab an, dass in den Betriebseinnahmen tarifbegünstigte Gewinne i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG enthalten seien.
Diese Einnahmen beruhten auf einem Vergleich, den der Kläger mit dem Land Rheinland-Pfalz und dem Landkreis abgeschlossen hatte. Der Vergleich beruhte auf einem nach langjährigem Rechtsstreit ergangenen obergerichtlichen Urteil (in einem anderen Verfahren), dass die Förderpraxis des Landes und Landkreises, nach der in jedem Betreuungsbereich nur ein Träger einer Sozialstation die gesetzliche Investitionsförderung erhielt, das Grundrecht der konkurrierenden Anbieter auf freie Berufsausübung verletzte. Die gesetzlich vorgesehenen Zuschüsse dienten der Förderung der betriebsnotwendigen Aufwendungen i.S.d. § 82 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 SGB XI. Der Vergleich erfolgte zur Abgeltung sämtlicher Forderungen des Klägers gegen das Land und den Landkreis nach dem Landespflegehilfegesetz für den Zeitraum von 1995 bis 2005. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger, sämtliche Förderanträge für diesen Zeitraum zurückzunehmen.
Das FA besteuerte die Einnahmen des Klägers aus dem Vergleich nicht tarifbegünstigt, sondern mit dem Regelsteuersatz. Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.9.2011, 4 K 2653/08, Haufe-Index 3570694, EFG 2013, 358).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hob der BFH die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Der einmalige Ertrag aus der Auszahlung der Vergleichssumme sei als außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG gemäß § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern.
Die Merkmale einer Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG seien erfüllt:
Die Zuschüsse aus der Investitionsförderung wären als Betriebseinnahmen zu versteuern gewesen, wenn der Kläger von seinem Wahlrecht nach Abschn. 6.5 der Einkommensteuer-Richtlinie 2005, die Zuschüsse erfolgsneutral zu behandeln, keinen Gebrauch gemacht hätte.
Der Vergleich habe nicht etwa den ursprünglich bestehenden Anspruch des Klägers auf Förderung in seiner Zahlungsmodalität verändert, sondern eine neue Rechtsgrundlage geschaffen, da die Zahlung die Rücknahme der Förderanträge durch den Kläger vorausgesetzt habe und der Höhe nach von den gesetzlich vorgegebenen Fördergeldern abgewichen sei.
Der Kläger habe auf die ihm zustehende gesetzliche Förderung unter einem nicht unerheblichen tatsächlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Druck verzichtet. Denn wäre er nicht auf das Vergleichsangebot eingegangen, hätte er seine gesetzlichen Ansprüche auf Fördergelder weiter auf dem Rechtsweg verfolgen müssen, und seinem Geschäftsbetrieb wäre zunächst zumindest teilweise die Ertragsgrundlage entzogen worden.
Es habe sich auch um einen ungewöhnlichen Geschäftsvorfall gehandelt und nicht um einen Geschäftsvorfall, den der Kläger im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit üblicherweise abgeschlossen habe.
Der Kläger sei auch nicht verpflichtet gewesen, die von ihm geltend gemachten Ansprüche auf gesetzliche Förderung ambulanter Hilfen bereits in einem früheren VZ zu aktivieren, da diese vom Land und Landkreis bis zum Abschluss des Vergleichs im Streitjahr bestritten worden waren.
Ob die Entschädigungszahlungen zugleich als Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG hätten eingestuft werden können, konnte der BFH im Streitfall offenlassen.
Hinweis
1. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG – als Voraussetzung der Steuerermäßigung nach § 34 EStG – ergänzt die gesetzlichen Einkünftetatbestände, schafft aber keinen neuen Besteuerungstatbestand.
Es muss eine kausale Verknüpfung zwischen der Entschädigung und den entgangenen Einnahmen bestehen. Die entgangenen Einnahmen müssen, falls sie erzielt worden wären, steuerpflichtig sein.
2. Eine Entschädigung setzt voraus, dass es sich nicht um die vertraglich vereinbarte Erfüllungsleistung handelt, sondern sie muss aufgrund einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage geleistet werden.
3. Eine Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, die zu außerordentlichen Einkünften gemäß § 34 EStG führt, setzt weiter voraus, dass es sich um einen ungewöhnlichen Geschäftsvorfall handelt, nicht aber um einen Geschäftsvorfall, der im Rahmen der selbstständigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen üblicherweise vorkommt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.8.2015 – VIII R 2/13