Leitsatz
Dem Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland betreffend eine Entschädigung für die Auflösung eines Dienstverhältnisses nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich 1959/2001 steht – jedenfalls, soweit die Abfindung auf die Zeit entfällt, in der der (damals unbeschränkt steuerpflichtige) Arbeitnehmer im Inland gewohnt und gearbeitet hat – die sogenannte Grenzgängerregelung des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich 1959/2001 nicht entgegen.
Normenkette
§ 19, § 24 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG, Art. 13 Abs. 1 und 5 DBA FRA 1959/2001
Sachverhalt
Der Kläger hatte bis zum Oktober 2005 seinen Wohnsitz im Inland. Seither ist sein ausschließlicher Wohnsitz in Frankreich belegen. Von Februar 1995 bis Juni 2015 und damit für die Dauer von 245 Monaten stand er in einem Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen des A Konzerns. Beschäftigt war der Kläger im gesamten Zeitraum im A Werk in Deutschland.
Für den Zeitraum Februar 1995 bis Oktober 2005 (129 Monate) führte der Arbeitgeber aufgrund des inländischen Wohnsitzes des Klägers die einbehaltene LSt und sonstige LSt-Abzugsbeträge an das zuständige FA ab. Von November 2005 bis einschließlich Juni 2015 (116 Monate) wurde der Kläger aufgrund entsprechender Freistellungsbescheinigungen des FA als sog. Grenzgänger gemäß Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich 1959/2001 von der deutschen LSt freigestellt. Die laufenden Einkünfte des Klägers aus seinem inländischen Arbeitsverhältnis wurden in Frankreich der Einkommensbesteuerung unterworfen. Im Jahr 2014 kündigte der Arbeitgeber das bestehende Arbeitsverhältnis mit dem Kläger. In dem anschließenden Kündigungsschutzprozess schlossen Arbeitgeber und Kläger einen Vergleich. Danach endete das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2015 und war bis dahin ordnungsgemäß abzurechnen. Zudem hatte der Arbeitgeber an den Kläger eine Abfindung i. H. v. 180.000 EUR brutto in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG zu zahlen.
Mit "Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug 2015 bei beschränkter Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 4 i. V. m. § 39 Abs. 2 und 3 EStG" bescheinigte das FA dem Arbeitgeber, dass von einem steuerpflichtigen Arbeitslohn i. H. v. 94.775,51 EUR (= 129/245 von 180.000 EUR) LSt und Solidaritätszuschlag unter Anwendung der Steuerklasse I einzubehalten seien. Auf dieser Bescheinigung vermerkte das FA: "Steuerfrei sind 116/245 von 180.000 € = 85.224,49 €."
Demgemäß behielt der Arbeitgeber des Klägers von dem Abfindungsbetrag Lohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag ein und führte die entsprechenden Beträge im Streitjahr (2015) an das FA ab.
Daraufhin beantragte der Kläger beim FA sinngemäß die Freistellung von diesen Abzugsbeträgen. Sein Arbeitgeber habe die LSt und sonstigen LSt-Abzugsbeträge zu Unrecht einbehalten und an das FA abgeführt. Denn als Grenzgänger sei er mit seinen inländischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Frankreich und nicht in Deutschland steuerpflichtig. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG ab (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.2.2020, 6 K 1055/18, EFG 2020, 1469, Haufe-Index 14026248).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen. Das FG habe zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine weitere steuerliche Freistellung der Abfindung, als vom FA bislang gewährt, habe.
Hinweis
1. Der Kläger unterliegt mit seinen inländischen Einkünften der beschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG, da er seit dem 1.11.2005 in Deutschland weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
2. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG sind inländische Einkünfte auch solche Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die als Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1 EStG für die Auflösung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben. Von § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG werden daher auch Entschädigungen erfasst, die – wie vorliegend – (wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes) gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Denn auch solche Entschädigungen gehören zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. d. § 19 EStG gehören.
3. Damit steht Deutschland nach innerstaatlichem Recht das Besteuerungsrecht für die streitgegenständliche Abfindung jedenfalls insoweit zu, als die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben und damit soweit die Abfindungszahlung anteilig auf den Zeitraum der Beschäftigung des Klägers beim A Konzern entfällt, in dem er (ausschließlich) einen Wohnsitz im Inland innehatte und insoweit auch dort (weil unbeschränkt steuerpflichtig) besteuert wurde.
4. Offenlassen kann der Senat in diesem Zusammenhang, ob das Besteuerungsrecht nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG vor-aussetzt, dass die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte tatsächlich im Inland besteuert worden sind oder von dieser Vorsc...