Leitsatz
1. Wird einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses ein nichthandelbares Optionsrecht auf den späteren Erwerb von Aktien zu einem bestimmten Übernahmepreis gewährt, so liegt darin zunächst nur die Einräumung einer Chance. Ein geldwerter Vorteil fließt dem Berechtigten erst zu, wenn dieser die Option ausübt und der Kurswert der Aktien den Übernahmepreis übersteigt (Bestätigung des BFH-Urteils vom 10. 3.1972, VI R 278/68, BStBl II 1972, 596, und des BFH-Beschlusses vom 23.7.1999, VI B 116/99, BStBl II 1999, 684).
2. Das Optionsrecht wird regelmäßig nicht gewährt, um dadurch in der Vergangenheit erbrachte Leistungen abzugelten, sondern um eine zusätzliche besondere Erfolgsmotivation für die Zukunft zu verschaffen. Soweit die von dem begünstigten Arbeitnehmer in dem Zeitraum zwischen der Gewährung und der Ausübung des Optionsrechts bezogenen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit wegen einer Auslandstätigkeit nach Abkommensrecht steuerfrei sind, ist deshalb auch der bei Ausübung des Optionsrechts zugeflossene geldwerte Vorteil anteilig steuerfrei.
3. Die Steuerbefreiung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer das Optionsrecht erst nach Beendigung der Auslandstätigkeit ausübt.
Normenkette
§ 8 Abs. 1 EStG , § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG , § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG, Abs. 2 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war Arbeitnehmer in leitender Funktion bei einer inländischen Arbeitgeberin. Im Jahr 1993 hatte er für deren englische Schwestergesellschaft in England gearbeitet, die mit den Lohnkosten belastet worden war.
Die (englische) Konzernobergesellschaft dieser Gesellschaften hatte ihm in 1990 und 1992 vererbliche, nicht handelbare und stufenweise – frühestens nach Ablauf von drei Jahren, spätestens bis zum Ablauf von zehn Jahren – ausübbare Optionsrechte auf den späteren Erwerb von Aktien an ihrem Unternehmen zu einem bestimmten Übernahmepreis eingeräumt, der dem damaligen Börsenkurs entsprach. Diese Rechte hatte der Kläger in den Streitjahren 1993 und 1995 ausgeübt und die erworbenen Aktien unmittelbar anschließend an seine Arbeitgeberin veräußert.
Das FA sah in den vereinnahmten Unterschiedsbeträgen zwischen den Börsenkursen bei Optionseinräumung und den Börsenkursen bei Optionsausübung Arbeitslohn der Streitjahre und unterwarf diese voll der deutschen Besteuerung.
Entscheidung
Der BFH bekennt sich, wie bereits aus den Praxis-Hinweisen deutlich wurde, zu der sog. Endbesteuerung. Er stellt aber – in gewissem konsequentem Einklang hiermit – zugleich klar, dass die Option in aller Regel gewährt wird, um einen Anreiz zur Steigerung des Unternehmenswerts ('shareholder value') zu geben. Insofern wirke die Gewährung nicht in die Vergangenheit, um Dienste des Arbeitnehmers abzugelten, vielmehr in die Zukunft. Wird der betreffende Arbeitnehmer in diesem Zeitraum ganz oder vorübergehend im Ausland bei einer Konzerngesellschaft eingesetzt und kommt ihm eine abkommensrechtliche Freistellung zugute, dann gilt dies deswegen auch für den realisierten Kursgewinn.
Hinweis
1. Im Rahmen moderner Vergütungssysteme räumen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern vielfach nicht handelbare Optionen auf den späteren Erwerb von Aktien ("stock options") zu einem bestimmten Übernahmepreis ein. Gegenstand der steuerlichen Diskussion ist in diesem Zusammenhang vor allem die Frage danach, zu welchem Zeitpunkt dem begünstigten Arbeitnehmer der in solchen Optionen liegende Wert zufließt, ob im Zeitpunkt ihrer Gewährung (sog. Anfangsbesteuerung) oder aber im Zeitpunkt ihrer Realisierung (sog. Endbesteuerung).
Der I. Senat des BFH hat sich der schon bislang bestehenden Rechtsprechung des VI. (LSt-)Senats angeschlossen und sich für die sog. Endbesteuerung entschieden und sämtliche Argumente, die in jüngerer Zeit dagegen aufgefahren worden sind, verworfen. Damit werden Sie sich letztlich abzufinden haben – natürlich immer vorausgesetzt, Sie haben es mit nicht handelbaren ("marktgängigen") Aktienoptionen zu tun. Alles andere setzt eine gesetzliche Änderung voraus, auf die in einschlägigen Wirtschaftskreisen gehofft und hingewirkt wird.
2. Was bleibt für Sie an praktischer Essenz? Es ist dies vor allem ein gewisser Nebeneffekt für den Fall, dass Ihr Mandant ein Steuerpflichtiger ist, der entweder im Zeitraum zwischen der Optionsgewährung und der Optionsrealisierung von der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht übergewechselt (vgl. dazu das Urteil I R 119/98 vom selben Tag, BFH-PR 2001, 212) oder der in diesem Zeitraum vorübergehend einer Tätigkeit im Ausland nachgegangen ist. Der BFH geht nämlich davon aus, dass das Optionsrecht regelmäßig nicht gewährt wird, um dadurch in der Vergangenheit erbrachte Leistungen abzugelten. Ziel der Optionseinräumung sei es vielmehr, eine zusätzliche besondere Erfolgsmotivation für die Zukunft zur Steigerung des Unternehmenswerts zu geben ("shareholder value"). Trotz der Endbesteuerung müsse daher der gesamte Zeitraum zwischen Gewährung und Ausübung des Optionsrechts als Er...