Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Teilt eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft inländischen Anteilseignern im Wege eines sog. "Spin-Off" Aktien ihrer US-amerikanischen Tochtergesellschaft zu, kann dies grundsätzlich zu Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG führen, soweit keine Abspaltung i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG vorliegt.
2. Die Aktienzuteilung im Rahmen eines US-amerikanischen "Spin-Off" ist nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG steuerneutral, wenn die "wesentlichen Strukturmerkmale" einer Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG erfüllt sind. Die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV gebietet eine Erstreckung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG auch auf ausländische Vorgänge.
3. Der Begriff der "Abspaltung" i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG ist typusorientiert auszulegen. Danach ist in Drittstaatenfällen ein gesetzlicher Vermögensübergang durch partielle Gesamtrechtsnachfolge nicht erforderlich (entgegen BMF-Schreiben vom 18.01.2016, BStBl I 2016, 85, Rz 115 i.V.m. BMF-Schreiben vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314, Rz 01.36). Entscheidend bei einer "Abspaltung" i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG ist, dass die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen "zeitlichen und sachlichen Zusammenhang" mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 4a Satz 7 EStG, § 123 Abs. 2 UmwG, Art. 63 AEUV
Sachverhalt
Die zusammen zur ESt veranlagten Kläger hielten im Streitjahr 2015 Aktien der Hewlett-Packard Company (HPC), einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware. Nachdem die HPC in Hewlett-Packard Inc. (HPI) umbenannt worden war, übertrug die HPI das Unternehmenskundengeschäft auf die Hewlett-Packard Enterprise Company (HPE). Diese war eine Tochtergesellschaft und ebenfalls Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware. Die Aktionäre erhielten sodann für eine alte Aktie der HPC eine Aktie der umbenannten HPI. Zusätzlich teilte ihnen die HPI ihre bereits an der HPE gehaltenen Anteile zu, sodass die Aktionäre fortan im selben Verhältnis an den beiden Gesellschaften – der HPI und der HPE – beteiligt waren.
Das FA behandelte die zugeteilten HPE-Aktien als steuerpflichtigen Kapitalertrag. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.3.2019, 13 K 1762/17 E, Haufe-Index 13125294, EFG 2019, 1117).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Die Zuteilung der HPE-Aktien von der HPI an die Kläger führt zu einem Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in Form einer Sachausschüttung. Unerheblich ist insofern, ob es sich bei der ausschüttenden Gesellschaft um eine in- oder ausländische Gesellschaft handelt.
2. Für diesen steuerbaren Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG steht Deutschland das Besteuerungsrecht zu. Die Kläger waren im Streitjahr im Inland wohnhaft und danach mit sämtlichen Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG). Art. 10 Abs. 1 DBA-USA weist das Besteuerungsrecht für Dividenden aus Aktien, die eine in den USA ansässige Kapitalgesellschaft an eine im Inland ansässige Person zahlt, dem Ansässigkeitsstaat des Aktieninhabers und damit Deutschland zu.
3. Da die HPE‐Aktien jedoch bei rechtsvergleichender Betrachtung im Rahmen einer Abspaltung i.S.d. § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG zugeteilt wurden, löst der Vorgang bei den Klägern im Streitjahr keine Besteuerung aus. Zwar ist eine Abspaltung nach § 123 Abs. 2 UmwG bei ausländischen Rechtsträgern mangels Anwendbarkeit des deutschen Umwandlungsrechts nicht möglich. Jedoch gebietet nach Auffassung des BFH die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV eine Erstreckung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG auch auf ausländische Abspaltungsvorgänge.
4. Denn ein Ausschluss von Auslandsfällen aus dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG wäre geeignet, Inländer von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten. Zudem würden ausländische Gesellschaften und deren Gesellschafter im Vergleich zu rein inländischen Sachverhalten bei Kapitalmaßnahmen der Gesellschaft ohne Geldzahlungen – im vorliegenden Fall der Abspaltung – benachteiligen. Ein Rechtfertigungsgrund hierfür liegt nicht vor. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die "große" Auskunftsklausel in Art. 26 Abs. 1 DBA‐USA 1989/2008 einen umfassenden Informationsaustausch zwischen den Verwaltungsbehörden der Vertragsstaaten ermöglicht.
5. Erforderlich ist jedoch, dass bei einer rechtsvergleichenden Betrachtung die "wesentlichen Strukturmerkmale" einer Abspaltung i.S.d. § 123 Abs. 2 UmwG erfüllt sind. Kennzeichnend für diese sind die Übertragung von Vermögensteilen des übertragenden Rechtsträgers aufgrund eines Rechtsgeschäfts gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaftsrechten des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ohne liquidationslose Auflösung des übertragenden Rechtsträgers. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall in Form ...