Leitsatz
1. Die bei der Bestimmung des Kindergeldberechtigten nach § 64 Abs. 3 EStG zu berücksichtigenden Unterhaltszahlungen müssen grundsätzlich für und in dem Zeitraum geleistet werden, für den das Kindergeld begehrt wird. Unterhalt, der um Jahre verspätet gezahlt wird, bleibt außer Betracht.
2. Verpflichtet das FG die Familienkasse dazu, dem Kindergeldberechtigten Kindergeld zu "gewähren", so bedeutet dies nicht, dass die Familienkasse damit verpflichtet werden soll, das Kindergeld trotz eines geltend gemachten Erstattungsanspruchs des Sozialleistungsträgers tatsächlich an den Kindergeldberechtigten auszuzahlen.
Normenkette
§ 64 Abs. 3 EStG, § 1612 BGB, § 105 Abs. 2 Nr. 3 FGO, §§ 102 ff. SGB X
Sachverhalt
Die Klägerin ist Mutter der 1991 geborenen T, die 2010 eine Ausbildung abschloss und im Sommer 2012 die Fachhochschulreife erlangte. Danach bemühte sie sich um einen Ausbildungsplatz. T lebte in einer eigenen Wohnung und bezog zunächst Leistungen nach dem SGB II. Im November 2012 nahm sie eine Beschäftigung mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 30 Wochenstunden auf.
Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag der Klägerin ab, weil Nachweise für die Bemühungen der T um einen Ausbildungsplatz fehlten. Zuvor hatte der Sozialleistungsträger einen Erstattungsanspruch nach §§ 102ff. SGB X geltend gemacht.
Während des Einspruchsverfahrens wurde bekannt, dass der Vater der T seit August 2012 monatliche Raten von 200 EUR auf titulierte Unterhaltsansprüche an T zahlte, die sich bis zum Erreichen der Volljährigkeit im September 2009 auf ca. 16.000 EUR beliefen. Die Familienkasse beurteilte die Zahlungen des Vaters als Unterhaltsrente und nahm deshalb an, dass er kindergeldberechtigt sei und nicht die Klägerin, die keinen Unterhalt leiste.
Das Niedersächsische FG (Urteil vom 26.9.2013, 3 K 158/13, Haufe-Index 6205806, EFG 2014, 147) verpflichtete die Familienkasse, der Klägerin Kindergeld für August 2012 bis November 2012 zu "gewähren". Die nachträglichen Zahlungen des Vaters seien keine Unterhaltsrente. Da beide Elternteile keinen Unterhalt gezahlt hätten, greife die zwischen ihnen getroffene Berechtigtenbestimmung zugunsten der Klägerin ein. Sie werde aber voraussichtlich kein Kindergeld erhalten, weil der Sozialleistungsträger die Erstattung beantragt habe. Hinsichtlich der Monate Dezember 2012 bis April 2013 wies das FG die Klage ab, da T eine Erstausbildung abgeschlossen habe und mit 30 Wochenstunden erwerbstätig sei.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Familienkasse als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Kindergeld wird stets nur an einen Berechtigten gezahlt. Das ist nach § 64 EStG grundsätzlich derjenige, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat; praktisch zweifelhaft ist mitunter, ob die Haushaltsaufnahme z.B. bei einem auswärtig studierenden Kind fortdauert. Gehört das Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so haben diese untereinander den Berechtigten zu bestimmen; anderenfalls entscheidet das FamG.
Lebt das Kind – wie hier – nicht im Haushalt beider Eltern oder eines Elternteils, sondern in einem eigenen Haushalt, so erhält das Kindergeld, wer dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt; wenn beide zahlen, wer die höhere Unterhaltsrente leistet. Zahlt keiner der beiden Elternteile eine Unterhaltsrente, so können sie einen Berechtigten bestimmen. Kommt keine Einigung zustande, bestimmt das FamG den Berechtigten.
2. Der Begriff der Unterhaltsrente orientiert sich an der Geldrente i.S.v. § 1612 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB, die monatlich im Voraus zu zahlen ist. Die Verpflichtung, monatlich im Voraus zu zahlen, wirkt sich auf die Berechtigtenbestimmung in der Weise aus, dass nachträglich erbrachte Unterhaltsleistungen sowohl im Monat der Zahlung als auch im Monat, für den geleistet wird, unberücksichtigt bleiben. Nur Unterhalt, der sowohl für als auch in dem Zeitraum geleistet wird, für den er geschuldet ist, führt mithin zur Kindergeldberechtigung.
Soweit jedenfalls der Grundsatz – das Urteil lässt ausdrücklich offen, ob Unterhaltszahlungen auch dann für die Berechtigtenbestimmung außer Betracht zu lassen sind, wenn sie kontinuierlich, aber jeweils um wenige Wochen oder Monate verspätet geleistet werden. Im Streitfall handelte es sich um Unterhalt, der Jahre nach seiner Fälligkeit geleistet wurde.
3. Der zweite Teil des Urteils befasst sich mit der Auslegung des Tenors des FG-Urteils unter Berücksichtigung seiner Gründe: Die Familienkasse war trotz eines vom Sozialleistungsträger geltend gemachten Erstattungsanspruchs verpflichtet worden, der Klägerin Kindergeld zu "gewähren". Die Familienkasse verstand das als Verpflichtung zur Auszahlung an die Klägerin – der BFH entnahm dem Urteil indessen, dass dem FG bewusst gewesen sei, dass das Kindergeld möglicherweise an den Sozialleistungsträger auszuzahlen sei, und legte daher die Urteilsformel (§ 105 Abs. 2 Nr. 3 FGO) dahin aus, dass die Familienkasse nur zur Festsetzung, nicht aber zur Auszahlung des Kindergeldes an die Klägerin verpflichtet wurde.
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