OFD Magdeburg, Verfügung v. 1.3.2012, S 2252 - 101 - St 214 V

 

I. Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten

Mit dem Urteil vom 16.3.2010, VIII R 20/08 (BStBl 2010 II S. 787) hat der BFH seine Rechtsprechung zur Behandlung nachträglich entstandener Schuldzinsen im Zusammenhang mit Beteiligungen i.S. des § 17 EStG geändert. Ab dem Veranlagungszeitraum 1999 können unter bestimmten Voraussetzungen derartige Aufwendungen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.

In dem Urteil führt der BFH aus, dass ‚der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zum Ausschluss des nachträglichen Werbungskostenabzugs nach Veräußerung oder Aufgabe einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 EStG a.F. für die ab 1999 geltenden Gesetzesfassungen nicht mehr festhält. Schuldzinsen, die für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S. von § 17 EStG anfallen, können danach unter den gleichen Voraussetzungen wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden, wenn sie auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen.’ Der wirtschaftliche Zusammenhang entfällt demnach grundsätzlich nicht durch Veräußerung oder Aufgabe der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft.

Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sind somit:

  • das Vorliegen einer Beteiligung nach § 17 EStG
  • die Veräußerung der Beteiligung oder die Auflösung der Gesellschaft und
  • Aufwendungen, die nicht aus Verbindlichkeiten resultieren, die durch den Veräußerungs- oder Liquidationserlös hätten getilgt werden können (Veranlassungszusammenhang der Schuldzinsen mit der bisherigen Einkünfteerzielung aus Kapitalvermögen bleibt bestehen).

Das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren gem. § 3c Abs. 2 EStG ist jedoch zu beachten.

Mit Einführung der Abgeltungsteuer ab dem Veranlagungszeitraum 2009 sind nachträgliche Schuldzinsen auf Grund des allgemeinen Abzugsverbots nach § 20 Abs. 9 EStG grundsätzlich nicht mehr abzugsfähig. Ein über den Sparer-Pauschbetrag hinausgehender Abzug von Werbungskosten kommt über die Veranlagungsoption nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG in Betracht. Voraussetzung der Veranlagungsoption ist das Bestehen einer Beteiligung i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a oder b EStG im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag gestellt wird. Ein einmal gestellter Antrag gilt für den Veranlagungszeitraum der Antragstellung und für die vier folgenden Veranlagungszeiträume als gestellt (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG).

In diesem Zusammenhang war die Frage zu klären, welche Wirkung ein Antrag i.S.d. Satz 4 entfaltet, wenn die Beteiligung im Anschluss reduziert oder insgesamt veräußert oder aufgegeben (Auflösung der Körperschaft) wird.

§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG dient lediglich der Verwaltungsvereinfachung in Form eines erleichterten Nachweises der Tatbestandsvoraussetzungen und ersetzt nicht das Vorliegen einer Beteiligung nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG. Sinkt die Beteiligung unter die Grenzen nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a oder b EStG, ist auch innerhalb der Frist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG kein Werbungskostenabzug zuzulassen.

Eine Berücksichtigung von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten scheidet damit bei Veräußerungen/Auflösungen vor 2009 für Veranlagungszeiträume 2009 ff. aus. Bei einer Veräußerung/Auflösung nach dem Veranlagungszeitraum 2008 ist ein Schuldzinsenabzug bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG nur noch für das Jahr der Veräußerung/Auflösung möglich.

 

II. Berücksichtigung der Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit

Ist der Arbeitnehmer einer GmbH in nicht nur unbedeutendem Umfang an der Gesellschaft beteiligt, so ist die Übernahme einer Bürgschaft oder anderer Sicherheiten zu Gunsten der GmbH regelmäßig nicht durch die berufliche Tätigkeit, sondern durch die Gesellschafterstellung des Arbeitnehmers veranlasst. Damit sind auch die für die Begleichung der Bürgschaftsschuld aufgewendeten Darlehenszinsen sachlich nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen (BFH-Urteil vom 5.10.2004, VIII R 64/02, BFH/NV 2005 S. 54). Dabei ist jedoch stets Voraussetzung, dass ein steuermindernder Abzug der Aufwendungen aus einer Anwendung des § 17 EStG möglich ist. Dementsprechend hat der BFH in seinem Urteil vom 16.11.2011, VI R 97/10 die Ausgaben zur Tilgung einer Bürgschaftsverpflichtung durch den Arbeitnehmer einer Gesellschaft den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet, auch wenn zunächst eine Gesellschafterstellung vereinbart war, die letztendlich nicht eingetreten ist.

 

III. Schuldzinsen für die Erfüllung von Bürgschaftsverpflichtungen zu Gunsten einer insolventen Kapitalgesellschaft zwisc...

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