3.8.1 Voraussetzungen
Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Als Ausnahme davon ordnet § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG an, dass die – eigentlich die Merkmale der Selbständigkeit erfüllende – Tätigkeit einer juristischen Person nicht selbständig ausgeübt wird, wenn diese nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines sog. Organträgers eingegliedert ist (sog. Organschaft).
3.8.2 Organträger
Eine umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG liegt vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Die Rechtsform des Organträgers ist im UStG nicht ausdrücklich geregelt. Organträger kann nach Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung jedes Unternehmen sein.
3.8.3 Organgesellschaft
Die Anforderungen an die Rechtsform der Organgesellschaft sind strenger. Abhängige Organgesellschaft kann nach dem Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG regelmäßig nur eine juristische Person sein, z. B. GmbH oder AG. Auch eine Vorgesellschaft juristischer Personen kann Organgesellschaft sein. Dann besteht die Organschaft bereits für die Zeit vor der Eintragung der GmbH in das Handelsregister.
Eignung einer Personengesellschaft als Organgesellschaft
In der Vergangenheit wurde die Auffassung vertreten war, dass prinzipiell nur juristische Personen als Organgesellschaften infrage kämen. Der EuGH entschied jedoch nach zwei Vorlagen des XI. Senats des BFH, dass er unionsrechtliche Bedenken gegen diese Umsetzung der Organschaft hätte. In der Folge kam der V. Senat zu dem Ergebnis, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG unionsrechtskonform so auszulegen sei, dass eine Personengesellschaft umsatzsteuerliche Organgesellschaft sein könne. Jedoch setze die finanzielle Eingliederung voraus, dass neben dem Organträger nur in diesen finanziell eingegliederte Personen Gesellschafter der Personengesellschaft sein dürften.
Der XI. Senat des BFH gelangte jedoch zu einem anderen Ergebnis: Er legte § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG anhand des Begriffs der juristischen Person aus und hielt eine Organschaft unabhängig von den Beteiligungsverhältnissen grundsätzlich dann für möglich, wenn die Personengesellschaft nach ihrem Typ einer juristischen Person ausreichend ähnlich sei. Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL geht danach für die Frage der Tauglichkeit als Organgesellschaft insofern weiter und erfasst "Personen", die durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, ohne nach der Rechtsform zu unterscheiden. Erfasst werden daher auch Personengesellschaften, wenn deren finanzielle Eingliederung wie bei einer juristischen Person besteht, was nach Ansicht des BFH bei einer GmbH & Co. KG der Fall sein kann.
Die Finanzverwaltung folgte der Auffassung des V. Senats. Für Zeiträume bis 31.12.2018 gilt dabei eine Übergangsregelung. Ab dem 1.1.2019 ist die neue Auffassung zwingend anzuwenden. Die Auffassung des V. Senats des BFH, welche die Finanzverwaltung in ihrem BMF-Schreiben umgesetzt hat, wurde in der Literatur zu Recht kritisch betrachtet.
Um diese unsichere Rechtslage klären zu lassen, hat das FG Berlin-Brandenburg dem EuGH diverse Fragen zur Eignung von Personengesellschaften als umsatzsteuerliche Organgesellschaften vorgelegt. Damit sollte die seit längerer Zeit unklare Rechtslage unionsrechtlich geklärt werden.
Der EuGH hat über die Vorlage entschieden und u. a. Folgendes ausgeführt
- Art. 11 MwStSystRL steht einer nationalen Regelung entgegen, die die Möglichkeit für eine Personengesellschaft, zusammen mit dem Unternehmen des Organträgers eine Mehrwertsteuergruppe zu bilden, davon abhängig macht, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die in dieses Unternehmen finanziell eingegliedert sind.
- Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist festzustellen, dass eine nationale Regelung, mit der alle Personengesellschaften, zu deren Gesellschaftern natürliche Personen gehören, systematisch von den Vorteilen der Mehrwertsteuergruppe ausgeschlossen werden, über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
- So sind weniger restriktive Maßnahmen denkbar, etwa in Form des Erfordernisses eines Urkundsbeweises allein für die Eingliederungsvoraussetzungen oder einer Bewilligung der Bildung einer Mehrwertsteuergruppe durch die Finanzverwaltung. Zu Letzterem hat der EuGH bereits entschieden, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einen Mitgliedstaat, der von der Befugnis Gebrauch gemacht hat, seinen Steuerpflichtigen das Recht einzuräumen, für eine bestimmte Steuerregelung zu optieren, nicht daran hindert, ihre Anwendung von einer Bewilligung der Finanzverwaltung abhängig zu machen.
- Eine solche Bewilligung und der s...