Leitsatz
1. Sucht ein Außendienstmitarbeiter mindestens einmal wöchentlich den Betriebssitz seines Arbeitgebers auf, so ist der Betriebssitz eine (regelmäßige) Arbeitsstätte i.S.d. § 8 Abs. 2 S. 3 EStG.
2. Der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 S. 3 EStG (0,03 %-Regelung) kommt nur zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzt. Wird dem Arbeitnehmer ein Dienstwagen auch für diese Fahrten überlassen, so besteht ein Anscheinsbeweis für eine entsprechende Nutzung. Die Entkräftung des Anscheinsbeweises ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen dem Arbeitnehmer die Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte arbeitsrechtlich untersagt ist.
3. Wird der Dienstwagen einmal wöchentlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt, so hängt der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 S. 3 EStG von der Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten ab. Zur Ermittlung des Zuschlags ist eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 % des Listenpreises i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG je Entfernungskilometer vorzunehmen.
Normenkette
§ 8 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 bis 5, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Die Kläger wurden in den Streitjahren (1996 bis 1999) als Eheleute zur ESt zusammen veranlagt. Der Arbeitgeber hatte dem Kläger (einem Außendienstmitarbeiter) einen Dienstwagen für seine Kundenbesuche zur Verfügung gestellt, den er auch für private Fahrten und für solche zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen durfte. Der Kläger suchte in den Streitjahren an einem Arbeitstag in der Woche den 50 km von seiner Wohnung entfernten Betriebssitz des Arbeitgebers auf.
Das FA sah den Betriebssitz des Arbeitgebers als regelmäßige Arbeitsstätte an und erhöhte im Rahmen der ESt-Veranlagungen den Bruttoarbeitslohn des Klägers um den 0,03 %-Zuschlag für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Das FG wies die Klage ab (FG Münster, Urteil vom 28.04.2004, 1 K 3214/01 E, Haufe-Index 1316807, EFG 2005, 775).
Entscheidung
Die erfolgreiche Revision der Kläger führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG. Da sich der Kläger einmal wöchentlich zum Arbeitgeber-Betriebssitz begeben habe, stelle dieser eine (regelmäßige) Arbeitsstätte i.S.d. § 8 Abs. 2 S. 3 EStG dar. Das FG habe aber noch zu prüfen, ob der Kläger die Fahrten – wie vom Kläger bestritten – mit dem Dienstwagen unternommen habe. Da dem Kläger das Kfz auch für diese Fahrten überlassen worden sei, bestehe ein Anscheinsbeweis für eine entsprechende Nutzung.
Hinweis
1. Die Besprechungsentscheidung bestätigt zunächst, dass für die Frage, ob eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.S.d. § 8 Abs. 2 S. 3 EStG vorliegt, die gleichen Grundsätze anzuwenden sind, die für den Werbungskostenabzug betr. Fahrten zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG a.F.) gelten.
Eine regelmäßige Arbeitsstätte ist nach der neueren Rechtsprechung des VI. Senats jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, das heißt fortdauernd und immer wieder aufsucht (u.a. BFH, Urteil vom 11.05.2005, VI R 25/04, BFH/PR 2005, 401). Für die Beurteilung als regelmäßige Arbeitsstätte ist nicht die Intensität und die Dauer der dort ausgeübten beruflichen Tätigkeit entscheidend, sondern ob der Betriebssitz durch das wiederholte Anfahren des Arbeitnehmers eine hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten erlangt.
Eine regelmäßige Arbeitsstätte liegt hierbei nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer den Betriebssitz des Arbeitgebers täglich aufsucht, um dort Aufträge entgegenzunehmen, abzurechnen und Bericht zu erstatten. Sie kann auch in den Fällen anzunehmen sein, in denen der Arbeitnehmer die Fahrten zum Betriebssitz des Arbeitgebers regelmäßig an einem Tag in der Woche durchführt. Damit bestätigt der BFH die nunmehr in R 9.4 Abs. 3 S. 4 LStR 2008 enthaltene Verwaltungsanweisung.
2. Hinsichtlich der Anwendung der Zuschlagsregelung (§ 8 Abs. 2 S. 3 EStG) wird auf das zeitgleich ergangene Urteil in BFH/PR 2008, 376 verwiesen. Der Zuschlag ist danach ein Korrekturposten zum (pauschalen) Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG und bezweckt einen Ausgleich für den Abzug von Erwerbsaufwendungen.
3. Letztlich musste der BFH auch Stellung dazu nehmen, wie der geldwerte Vorteil bei der Zuschlagsregelung zu bewerten ist, wenn ein Arbeitnehmer die regelmäßige Arbeitsstätte mit dem Dienstwagen nur einmal wöchentlich aufsucht. In einem solchen Fall kann die Bewertung nicht mit 0,03 % erfolgen; denn die (pauschale monatliche) Zuschlagsregelung nach S. 3 beruht auf der typisierenden Annahme, dass der Dienstwagen monatlich an 15 Tagen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt wird. Deshalb ist bei gelegentlicher Nutzung des Kfz anstelle des in S. 3 EStG vorgesehenen ...