OFD Karlsruhe, Verfügung v. 16.9.2014, S 130.1/316 - St 222
Bezug: |
Erlass des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg vom 31.7.2014, 3 – S 130.1CH/49 |
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Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 24.3.1983, S 1301 A – Schweiz – 5/71 (ASt-Kartei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe, DBA-Allgemeines Art. 5, Teil C I Nr. 1) |
Modifikation der Verwaltungsauffassung
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat mit Erlass vom 31.7.2014 mitgeteilt, dass an der im Bezugserlass vertretenen Auffassung, dass ausländische Unternehmensberaterfirmen durch die zeitlich befristete Ausübung ihrer Tätigkeit in den Räumen des Auftraggebers eine inländische Betriebsstätte i.S. des § 12 AO und Art. 5 OECD-MA begründen, nicht uneingeschränkt festgehalten wird.
1. Voraussetzungen einer Betriebsstätte nach § 12 AO
Voraussetzung für eine Betriebsstätte im nationalen Steuerrecht ist u.a. eine feste Geschäftseinrichtung, über die der Unternehmer Verfügungsmacht hat. Dies erweist sich in Fällen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen als problematisch, da nach § 12 AO durch das bloße Tätigwerden keine Betriebsstätte begründet werden kann.
Hierzu wird auf das BFH-Urteil vom 4.6.2008, I R 30/07 (BStBl 2008 II S. 922) verwiesen. Der BFH hat entschieden, dass das reine Tätigwerden in den Räumlichkeiten des Auftraggebers mangels ausreichender Verfügungsmacht über eine feste Geschäftseinrichtung keine Betriebsstätte i.S. des § 12 AO begründet. Die Verfügungsmacht ergebe sich auch nicht dadurch, dass die Tätigkeit über mehrere Jahre hinweg in den Räumlichkeiten des Vertragspartners erbracht werde. Es müssen zusätzliche Umstände auf eine auch örtliche Verfestigung der Tätigkeit schließen lassen. Im Urteilsfall kam dem Unternehmer keine selbständige Nutzungsberechtigung über die Einrichtung des Vertragspartners zu.
Der BFH hat im Sinne der Finanzverwaltung an dem Kriterium der Verfügungsmacht festgehalten. Diese setzt eine Rechtsposition des Unternehmers voraus, die ohne dessen Mitwirkung weder entzogen noch geändert werden kann und nach der die bloße Mitbenutzung einer Einrichtung nicht zur Begründung einer Betriebsstätte ausreicht.
Im Urteil vom 3.2.1993, I R 80-81/91 (BStBl 1993 II S. 462), RdNr. 44 ff., fordert der BFH, dass zumindest ein Arbeitsraum zur im Wesentlichen alleinigen und ständigen Benutzung zur Verfügung steht. Dabei genügt ein allgemeiner Anspruch auf die Zur-Verfügung-Stellung zumindest eines Raumes, der für die Erfüllung der Aufgaben geeignet ist. Außerdem legt der BFH dar, dass eine „Geschäftseinrichtung„ jeder körperliche Gegenstand und jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände sein kann, die geeignet sind, Grundlage einer Unternehmenstätigkeit zu sein. Für die Annahme einer Betriebsstätte muss diese Geschäftseinrichtung darüber hinaus „fest” sein, d.h. sie muss eine feste Verbindung zur Erdoberfläche haben. In der örtlichen Bindung muss sich eine gewisse „Verwurzelung” des Steuerpflichtigen mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrücken.
An dieser Auffassung hält der BFH auch im Urteil vom 23.5.2002, III R 8/00 (BStBl 2002 II S. 512) ausdrücklich fest. Aus dem Begriff der Betriebsstätte könne nicht abgeleitet werden, dass diese „Verwurzelung” notwendigerweise rechtlich abgesichert sein müsse. Vielmehr könne es im Einzelfall genügen, wenn aus tatsächlichen Gründen anzunehmen sei, dass dem Steuerpflichtigen ein bestimmter Raum zur ständigen Nutzung zur Verfügung gestellt und seine Verfügungsmacht darüber nicht bestritten werde. Der BFH betont hier erneut, dass die bloße Mitbenutzung von Räumen und Einrichtungen für sich genommen noch keine Betriebsstätte begründet.
Wenn der BFH dies bereits für eine Betriebsstätte nach § 12 AO fordert, muss dies erst Recht für eine abkommensrechtliche Betriebsstätte gelten, s.u.
Soweit der BFH entschieden hat, dass eine sog. unechte Dienstleistungsbetriebsstätte (s.u.) auch eine Betriebsstätte i.S. des § 12 AO darstellt, ist zu prüfen, ob das jeweilige Urteil amtlich veröffentlicht wurde und damit überhaupt von der Finanzverwaltung angewendet wird. Insbesondere wird das Urteil vom 14.7.2004, I R 106/03 (BFH/NV 2005 S. 154 – 156) von der Finanzverwaltung nicht angewendet. Der BFH hatte hier zwar entschieden, dass es für die Annahme der Verfügungsmacht ausreicht, wenn dem Unternehmer irgendein für seine Tätigkeit geeigneter Raum zur ständigen Nutzung zur Verfügung gestellt wird. Dies sei bereits dann der Fall, wenn dem Unternehmer die Möglichkeit gegeben werde, über die gesamte Vertragsdauer hinweg in geeigneten Räumlichkeiten auf dem Gelände des Auftraggebers zu arbeiten. Damit habe der Unternehmer eine Rechtsposition inne, die zur Annahme einer „Verfügungsmacht” i.S. der Betriebsstättendefinition ausreiche. Die Zuweisung eines für längere Zeit unentziehbaren bestimmten Arbeitsplatzes sei hierfür nicht erforderlich. Diese Auffassung ist durch das BFH-Urteil vom 4.6.2008, I R 30/07 (a.a.O.) überholt. Nach diesem neueren Urteil kommt...