Leitsatz
Durch die bloße Formulierung eines Antrags auf (vollständige) "Aufhebung" eines "Haftungsbescheids in Gestalt der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung" i. S. der § 69 AO i.V.m. §191 AO wird der Gegenstand des Klagebegehrens einer solchen Anfechtungsklage nicht hinreichend bestimmt.
Sachverhalt
Der Kläger hatte die (vollständige) "Aufhebung eines Haftungsbescheides" in Gestalt der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung begehrt und sein Begehren offensichtlich auch nach Aufforderung des Gerichts gem. § 65 Abs. 2 FGO nicht näher konkretisiert. Das Finanzgericht lehnte es ab, sich mit der materiellen Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides zu befassen, wozu es bei Zulässigkeit der Klage von Amts wegen verpflichtet gewesen wäre, sondern wies die Klage als unzulässig ab.
Entscheidung
In Anlehnung an den Beschluss des BFH vom 19.3.1996 (VII S 17/95, BFH/NV 1996 S. 818) ist das FG der Auffassung, dass bei der Anfechtung eines Haftungsbescheides vom Kläger angegeben werden muss, worin die ihn treffende Rechtsverletzung liege und inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Ein - auch bestimmter - Klageantrag, nämlich auf vollständige Aufhebung des Haftungsbescheides allein erfülle diese Voraussetzungen nicht. Würde man einen Antrag allein ausreichen lassen, würde das Erfordernis der Bezeichnung des Klagebegehrens im Sinne des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO weitgehend leer laufen und der Zweck des Gesetzes, dem Gericht die Bearbeitung der Vielzahl werktäglich eingehenden Klagesachen zu erleichtern, wesentlich verfehlt werden. Ein konkreter Klageantrag mag zwar für das Gericht hilfreich sein, sei aber weder notwendig (insoweit liege nur ein "Soll-Erfordernis" vor) noch ausreichend zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens. Gerade bei der Anfechtung von Haftungsbescheiden gehe es den Klägern in der Mehrzahl der Fälle gar nicht um eine vollständige Aufhebung, sondern um eine Abänderung des Haftungsbescheides. Anhand des bloßen schriftsätzlich formulierten Klageantrags könne der Richter nicht erkennen, was das wirkliche Klagebegehren des Klägers sei. Der Sinn der Vorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO in Bezug auf das "Muss-Erfordernis" der Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens im Zusammenhang mit der Einhaltung der Vorschrift des § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO erfordere es daher, dass der Kläger genau angebe, was er an dem Haftungsbescheid genau beanstande.
Hinweis
An der Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens scheitern immer wieder viele Steuerpflichtige, im Übrigen nicht nur Laien (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung, FGO, § 65 Rdziff. 14). Anknüpfend an den Beschluss des großen Senats (BStBl 1980 II S. 99, 102) wird man verlangen müssen, dass der Kläger unter Erfassung des Sachverhalts substantiiert darlegt, worin die Rechtsverletzung liegt und inwieweit er den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig hält und sich in seinen Rechten verletzt fühlt. Bei einem bezifferten Antrag hat der BFH allerdings jedenfalls dann den Antrag für ausreichend erachtet, wenn der Sachverhalt, um den gestritten wird, in groben Zügen aus der Einspruchsentscheidung erkennbar ist. Denn dann sei dem Gericht bekannt, worüber im Sinne des § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO entschieden werden soll.
Ob vor diesem Hintergrund die Entscheidung des Finanzgerichts und die Vorgängerentscheidung des BFH vom 19.3.1996 wirklich der Weisheit letzter Schluss sind, muss ernsthaft in Frage gestellt werden. Wenn jemand die ersatzlose Aufhebung eines Bescheides beantragt, ist klar, dass er sich gegen den Bescheid insgesamt - und auch dem Grunde nach - wendet. Streit über den Umfang seiner Anfechtung kann es in einem solchen Fall eigentlich nicht geben. Greift der Kläger später nur noch die Höhe an, so stellt dies eine Einschränkung der Klage dar. Wünschenswert wäre, dass der BFH wieder einmal Gelegenheit erhält, zur Frage des Klagebegehrens grundsätzlich Stellung zu nehmen. Bis dahin wird man vorsichtshalber von der strengeren Rechtsprechung der Finanzgerichte und auch des BFH auszugehen haben. Jemand, der seine Klagen innerhalb der gerichtlich gesetzten Fristen und ordnungsgemäß begründet, wird mit § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO ohnehin keine Probleme haben. Streitig wird die Frage meist dann, wenn Fristen versäumt werden und das Gericht dann zu klären hat, ob das, was bis zur Fristversäumung vorliegt, eine zulässige Klage ist oder nicht.
Link zur Entscheidung
FG Berlin, Urteil vom 23.02.2004, 9 K 9368/02