Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde; Darlegung von grundsätzlicher Bedeutung; schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels
Leitsatz (NV)
1. Liegen bereits höchstrichterliche Urteile und Kommentierungen in der Literatur zu einer Rechtsfrage vor, erfordert die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung die Darlegung, ob und inwieweit widersprechende Meinungen bestehen und -- falls kein Meinungsgegensatz besteht -- den Vortrag beachtlicher neuer Argumente.
2. Ein Verfahrensmangel ist nur dann schlüssig gerügt, wenn neben der Bezeichnung der den Mangel ergebenden Tatsachen die Möglichkeit dargelegt wird, daß das FG ohne den Verfahrensverstoß anders entschieden hätte.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, da ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begehrt, so muß in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Sache "dargelegt" werden. "Dar legen" bedeutet mehr als allgemeine Hinweise oder Behauptungen. Erforderlich ist vielmehr ein konkretes Eingehen auf die entscheidungserheblichen Rechtsfragen und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit. Es ist darzustellen, inwieweit die Problematik im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (Beschluß des Senats vom 20. Juni 1994 III B 39/94, BFH/NV 1995, 50).
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) machen mit ihrer Beschwerde geltend, die Frage, ob die scheidungsbedingten Verhaltensauffälligkeiten der Tochter der Klägerin als eine -- zu einer außergewöhn lichen Belastung führende -- Krankheit anzusehen sind, sei höchstrichterlich nicht entschieden. Diese Ausführungen genügen den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht. Es fehlt an substantiierten Hinweisen zur Klärungsbedürftigkeit der gestellten Rechtsfrage. Zum einen haben die Kläger das Vorkommen vergleichbarer Fälle lediglich behauptet. Zum anderen haben sie sich nicht hinreichend mit der sehr umfangreichen Rechtsprechung und den Äußerungen im Fachschrifttum zu den Fragen der außergewöhnlichen Belastung im Zusammenhang mit Aufwendungen aus Anlaß einer Erkrankung eines Angehörigen und insbesondere mit der Berücksichtigung von Aufwendungen für in diesem Zusammenhang durchgeführte Besuchsreisen auseinandergesetzt (s. Nachweise bei Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 33 Anm. 8 -- Besuchsreisen --). Liegen zu einer Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Urteile sowie Kommentierungen in der Literatur vor, ist die grundsätzliche Bedeutung einer Sache nur dann hinreichend dargelegt i. S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO, wenn der Beschwerdeführer im einzelnen darlegt, ob und inwieweit widerstreitende Meinungen in Rechtsprechung und Literatur bestehen, und wenn mit der Beschwerde -- falls kein Meinungsgegensatz gegeben ist -- beachtliche neue Argumente vorgetragen werden (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 18. Mai 1994 II B 183/93, BFH/NV 1994, 887).
2. Soweit die Kläger ihre Beschwerde hilfsweise auf eine Abweichung von Urteilen des BFH stützen, fehlt es an einer hinreichenden Bezeichnung der Divergenz i. S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Hierzu muß der Beschwerdeführer dartun, daß das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit einem abstrakten Rechtssatz einer Entscheidung des BFH nicht übereinstimmt. In der Beschwerdebegründung müssen die einander gegenübergestellten Rechtssätze des Urteils des FG und der Divergenzentscheidung so genau bezeichnet werden, daß eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschluß vom 12. April 1994 VII S 31/93, BFH/NV 1995, 57).
Die Kläger haben in dieser Weise keine abweichenden abstrakten Rechtssätze in dem angefochtenen Urteil und in den angeblichen Divergenzentscheidungen herausgearbeitet, sondern die von ihnen geltend gemachte Divergenz lediglich behauptet. Dies genügt für eine Bezeichnung der Abweichung nicht.
3. Mit der ferner hilfsweise erhobenen Rüge, das FG habe das eingereichte Gutachten falsch verstanden, machen die Kläger sinngemäß Fehler bei der Feststellung des dem Urteil zugrunde gelegten Sach verhalts geltend. Soweit die Kläger darauf hinweisen, das FG habe dem Gutachen -- entgegen seinem klaren Wortlaut -- entnommen, es habe im nachhinein nicht mehr festgestellt werden können, ob im Streitjahr überhaupt Symptome einer psychosomatischen Erkrankung vorgelegen hätten, rügen sie im Grunde einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten und damit gegen § 96 Abs. 1 FGO (BFH-Urteil vom 9. Oktober 1985 I R 163/82, BFH/NV 1986, 288). § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt indes, daß der Verfahrensmangel schlüssig gerügt wird. Neben der Bezeichnung der den Verfahrensmangel ergebenden Tatsachen ist deshalb auch darzutun, daß die Möglichkeit besteht, daß das FG ohne den Ver fahrensverstoß anders entschieden hätte (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 115 FGO Tz. 90 m. w. N.).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Kläger haben nicht ausgeführt, daß die Entscheidung des FG anders ausgefallen wäre, wenn es das Gutachten nicht in dem dargelegten Sinne verstanden hätte. Im übrigen war die vom FG an das Ende seiner Entscheidung gestellte Erwägung, nach dem Gutachten habe nicht festgestellt werden können, ob im Streitjahr überhaupt eine Erkrankung vorgelegen habe, tatsächlich nicht tragend. Das FG hat vielmehr -- ausgehend von krankhaften Verhaltensauffälligkeiten bei der Tochter der Klägerin -- die Berücksichtigung der geltend gemachten Fahrtkosten deshalb abgelehnt, weil es das Merkmal der Außergewöhnlichkeit verneinte.
4. Da die Darlegungen der Kläger somit nicht den Begründungsanforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügen, kann offenbleiben, ob die eingereichte Beschwerdeschrift den Anforderungen an die Schriftform (§§ 115 Abs. 3 Satz 3, 129 Abs. 1 i. V. m. § 64 Abs. 1 FGO) genügt. Es könnte zweifelhaft sein, ob die Unterschrift noch als ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug, der mindestens einzelne erkennbare Buchstaben enthalten soll, anzuerkennen ist (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 64 Tz. 18 ff., m. w. N.).
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i. d F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2236) ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen
Haufe-Index 420598 |
BFH/NV 1995, 813 |