Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrevision: Mangelnde Vertretung, Urteil ohne Gründe
Leitsatz (NV)
- Eine Prozessvollmacht kann auch in der Weise erteilt werden, dass die Klageschrift vom Kläger sowie seinem als solchen in der Klageschrift bezeichneten Bevollmächtigten unterschrieben wird.
- Eine lückenhafte Begründung oder fehlende Auseinandersetzung mit bestimmten rechtlichen Erwägungen des Klägers ist kein Mangel i.S.d. § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 3 S. 1, § 116 Abs. 1 Nrn. 3, 5; BGB § 167 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) haben gegen einen Feststellungsbescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―) Klage erhoben. In der Klageschrift wurde Herr A als Bevollmächtigter der Klägerinnen bezeichnet. Die Klageschrift wurde von den beiden Klägerinnen und von A unterschrieben. A hat für das finanzgerichtliche Verfahren eine (weitere) schriftliche Vollmacht der Klägerin zu 2 vorgelegt. Sämtlicher Schriftwechsel im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) erfolgte mit A.
Das FG hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
Mit der auf § 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützten Revision machen die Klägerinnen geltend, die Klägerin zu 1 sei im Verfahren vor dem FG nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen. Für A habe keine schriftliche Vollmacht der Klägerin zu 1 vorgelegen. Diese habe auch der Prozessführung des A nicht zugestimmt. Alle Zustellungen und Mitteilungen des FG seien deshalb unwirksam. Ferner sei das angefochtene Urteil auch nicht mit Gründen versehen, "weil es in den Entscheidungsgründen die Einspruchsentscheidung trotz der Nennung im Tatbestand nicht erwähne".
Die Klägerinnen beantragen, unter Aufhebung des Urteils des FG Köln vom 27. Oktober 1999 4 K 2909/98 die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des FG Köln zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig.
1. Für die Zulässigkeit der vorliegenden Revision sind noch die bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften maßgebend (vgl. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetzte ―2.FGOÄndG― vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757). Danach findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Der BFH hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch Beschluss vom heutigen Tage zurückgewiesen.
2. Die Revision ist auch nicht als zulassungsfreie Verfahrensrevision wegen eines Verfahrensmangels i.S. von § 116 Abs. 1 FGO zulässig.
Ohne Zulassung durch das FG oder den BFH ist die Revision nur zulässig, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens i.S. des § 116 Abs. 1 FGO gerügt werden. Ein solcher wesentlicher Verfahrensmangel ist nur dann schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen ―ihre Richtigkeit unterstellt― einen der in § 116 Abs. 1 FGO genannten Mängel ergeben (BFH-Beschluss vom 12. April 1991 III R 181/90, BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638). Der Vortrag der Klägerinnen ergibt jedoch nicht schlüssig einen Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO.
a) Ein Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO ist in der Revisionsbegründung nicht schlüssig dargelegt. Die Klägerin zu 1 war im Verfahren vor dem FG nach Vorschrift des Gesetzes, nämlich durch den von ihnen schriftlich bevollmächtigten A vertreten. Die Behauptung, hinsichtlich der Klägerin zu 1 habe keine schriftliche Bevollmächtigung des A vorgelegen, trifft nicht zu. Dies ergibt sich aus dem Inhalt der Klageschrift, in der A ausdrücklich als "Bevollmächtigter" beider Klägerinnen bezeichnet ist. Der Umstand, dass die Klageschrift von beiden Klägerinnen (und A) unterzeichnet worden ist, macht diese zu einer wirksamen Erklärung der Vollmachtserteilung gegenüber dem FG (vgl. § 167 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches; § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO).
b) Die Klägerinnen haben auch nicht schlüssig gerügt, dass das Urteil nicht mit Gründen versehen ist.
Eine Entscheidung ist nur dann "nicht mit Gründen versehen" i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO, wenn jegliche Begründung fehlt oder lediglich inhaltslose oder unverständliche Wendungen niedergeschrieben sind, die nicht erkennen lassen, von welchen Erwägungen das Gericht ausgegangen ist, und die eine Überprüfung des Rechtsstandpunktes nicht ermöglichen, oder wenn ein selbständiger Anspruch bzw. ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen worden ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. März 1994 X R 66/93, BFH/NV 1994, 499, und vom 31. Januar 1995 X R 265/93, BFH/NV 1995, 986). Eine lückenhafte Begründung oder fehlende Auseinandersetzung mit bestimmten rechtlichen Erwägungen des Klägers ist kein Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO (BFH-Beschluss vom 10. Februar 1995 IX R 67/94, BFH/NV 1995, 901).
Dem Hinweis der Klägerinnen, das Urteil des FG erwähne in den Entscheidungsgründen die Einspruchsentscheidung trotz der Nennung im Tatbestand nicht, kann nicht entnommen werden, dass die angefochtene Entscheidung in diesem Sinne nicht mit Gründen versehen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 601529 |
BFH/NV 2001, 1129 |