Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer zulassungsfreien Verfahrensrevision
Leitsatz (NV)
1. Die zulassungsfreie Verfahrensrevision nach § 116 Abs. 1 FGO ist nur statthaft, wenn ein Mangel i. S. dieser Vorschrift schlüssig gerügt wird.
2. Ein Verfahrensmangel ist schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, einen Mangel i. S. von § 116 Abs. 1 FGO ergeben.
3. Ein Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO liegt nicht deshalb vor, weil an der Entscheidung des Finanzgerichts neben den drei (Berufs-)Richtern zwei ehrenamtliche Richter mitgewirkt haben.
4. Die bloße und nicht näher konkretisierte Behauptung, das Gericht habe sich mit dem substantiierten Sachvortrag des Klägers nicht auseinandergesetzt, reicht für eine schlüssige Rüge dafür, daß die Entscheidung nicht mit Gründen versehen sei (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), nicht aus.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nrn. 1, 5
Tatbestand
Gegen die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde aufgrund einer Außenprüfung Vermögensteuer auf den 1. Januar 1978 und 1. Januar 1979 festgesetzt. Die Bescheide wurden bestandskräftig. Die Kläger beantragten danach die Bescheide wegen Ablauf der Festsetzungsfrist ersatzlos aufzuheben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) lehnte diesen Antrag ab. Der Einspruch war erfolglos. Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
Die Vorentscheidung wurde den Klägern am 8. Dezember 1993 zugestellt. Die Kläger legten mit beim FG am 5. Januar 1994 eingegangenem Schriftsatz Revision ein. Mit Schreiben der Geschäftsstelle des Senats vom 20. Januar 1994 wurden sie darauf hingewiesen, daß das FG eine Revision nicht zugelassen habe. Mit beim Bundesfinanzhof (BFH) am 25. Januar 1994 eingegangenem Schreiben legten die Kläger nunmehr Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Sie beriefen sich dabei auf grundsätzliche Bedeutung als Zulassungsgrund. Als Verfahrensmangel machten sie geltend, daß das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Darüber hinaus machten sie als Verfahrensmangel geltend, daß das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei. Bei der Entscheidung hätten zwei Richter mitgewirkt, die nicht Richter auf Lebenszeit gewesen seien. Es handele sich dabei um die ehrenamtlichen Richter. Darüber hinaus sei das Urteil auch nicht begründet. Im letzten Absatz teile das FG mit, daß es den Steueranspruch im Streitfall nicht für verwirkt ansehe. Trotz substantiierten Sachvortrags der Kläger habe sich das Gericht nicht mit den vorgetragenen Gründen auseinandergesetzt. Mit beim BFH innerhalb der (verlängerten) Revisionsbegründungsfrist eingegangenem Schriftsatz wurde die Revision der Kläger dann begründet. Dabei machten sie geltend, daß das FG sachlich falsch entschieden habe. Darüber hinaus rügten sie nochmals Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Sie beantragen, den ablehnenden Bescheid in Form der Einspruchsentscheidung auf zuheben und das FA zu verpflichten, die Vermögensteuerbescheide 1978 und 1979 aufzuheben und die gezahlten Steuern zu erstatten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Sie wurde weder vom FG noch auf Beschwerde vom BFH zugelassen (vgl. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs -- BFHEntlG --). Die Kläger haben auch keine Tatsachen vorgetragen, die schlüssig einen Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergeben.
1. Die Kläger haben gegen die Entscheidung des FG unzweifelhaft Revision eingelegt. Die Tatsache, daß sie in der Folge auch Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt haben, ändert daran nichts und führt auch zu keiner Umdeutung des ursprünglich eingelegten Rechtsmittels. Nach ihrem erkennbaren Willen wollten die Kläger beide Rechtsmittel einlegen.
2. Selbst wenn man die zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde erhobenen Rügen der Kläger, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen und die Entscheidung des FG sei nicht mit Gründen versehen, mit heranziehen könnte, führte dies nicht zu einer zulässigen Revision nach § 116 Abs. 1 FGO. Die zulassungsfreie Verfahrensrevision nach § 116 FGO ist nur statthaft, wenn ein Mangel i. S. d. des § 116 Abs. 1 FGO schlüssig gerügt wird. Ein Verfahrensmangel ist schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen -- ihre Richtigkeit unterstellt -- einen Mangel i. S. von § 116 Abs. 1 FGO ergeben (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 116 Rdnr. 3 m. w. N.). Diesen Anforderungen entspricht das Vorbringen der Kläger nicht.
Fehl geht ihre Auffassung, das Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, da die zwei ehrenamtlichen Richter keine Richter auf Lebenszeit seien; hierin liegt kein Mangel i. S. d. § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Die Senate der FGe entscheiden grundsätzlich in der Besetzung mit drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 5 Abs. 3 Satz 1 FGO). Die ehrenamtlichen Richter (§ 16 ff. FGO) sind keine Richter auf Lebenszeit. Sie werden nach § 22 FGO für vier Jahre gewählt.
Auch ein Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO wird nicht schlüssig vorgetragen. Die bloße und nicht näher konkretisierte Behauptung, das Gericht habe sich mit dem substantiierten Sachvortrag der Kläger nicht auseinandergesetzt, reicht nicht aus, um einen Verstoß gegen § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO zu begründen. Mit dieser Behauptung wird nicht dargelegt, daß den Klägern wegen der mangelhaften Begründung die Möglichkeit entzogen sei, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417).
Der von den Klägern darüber hinaus als Verfahrensmangel geltend gemachte Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs führt nicht zur zulassungsfreien Revision nach § 116 Abs. 1 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 419996 |
BFH/NV 1995, 48 |
BFH/NV 1995, 49 |