Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe, mangelnde Erfolgsaussicht
Leitsatz (NV)
1. Zur Rechtshängigkeit einer Klage.
2. Die auf Verpflichtung des FA zum Erlaß eines Bescheides über die Aussetzung der Vollziehung gerichtete Klage ist -- nach der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung -- nicht zulässig.
3. Zur Umdeutung einer Klage auf Aussetzung der Vollziehung in einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.
Normenkette
AO 1977 § 361 Abs. 5; FGO § 44 Abs. 1, § 46 Abs. 2, § 69 Abs. 3, 4 S. 2 Nr. 1, Abs. 7, § 142; ZPO § 114
Tatbestand
Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) hatte mit Schreiben vom Dezember 1994 durch einen Rechtsanwalt "Klage" erhoben und folgenden Antrag gestellt: "Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger hinsichtlich des von ihm mit Schriftsatz vom 30. Mai 1994 gestellten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung der Bescheide des Finanzamts vom 22. März 1994 und 21. April 1994 zu bescheiden". Gleichzeitig wurde beantragt, "dem Kläger" für dieses Verfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Der Kläger vertrat die Auffassung, es sei "gemäß § 46 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung Klage geboten".
Nachdem der Berichterstatter in der ersten Instanz Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage geäußert und dem Kläger ihre Rücknahme anheimgestellt hatte, erklärte der Kläger im Schreiben vom Januar 1995, der Antrag vom Dezember 1994 möge "als Antrag gemäß § 69 Abs. 3 FGO umgedeutet und behandelt werden". Im Anschluß an diese Ausführungen beantragte er, die Vollziehung der angefochtenen Haftungsbescheide des Beklagten (Finanzamt -- FA --) vom 21. April 1994 und vom 22. März 1994 auszusetzen. Zur Begründung führte er u. a. aus, es drohe Vollstreckung.
Mit Schriftsatz vom März 1995 machte der Kläger geltend, es werde "hinsichtlich des angegriffenen Bescheides vom 22. März 1994 der insoweit beantragten Aussetzung der Vollziehung die Hauptsache für erledigt erklärt".
Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag auf Bewilligung von PKH ab, weil die Klage wegen Aussetzung der Vollziehung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Sie sei nach § 361 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) und § 69 Abs. 7 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgeschlossen.
Entscheidungsgründe
1. Die gegen den Beschluß des FG gerichtete Beschwerde des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Gewährung von PKH mit der Begründung abgelehnt, die Klage wegen Aussetzung der Vollziehung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
a) Gemäß § 142 FGO i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wird PKH nur bewilligt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, wenn bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 16. Dezember 1986 VII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217).
b) Das FG hat zutreffend den Antrag auf PKH für die mit Schriftsatz vom Dezember 1994 erhobene Klage zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht. Dieser Antrag besteht fort. Er ist auch nicht gegenstandslos geworden. Die Klage, auf die er sich bezieht, ist weiterhin rechtshängig.
Die Rechtshängigkeit ist nicht dadurch entfallen, daß der Kläger mit Schriftsatz vom Januar 1995 gebeten hat, den Klageantrag in einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO umzudeuten und als solchen zu behandeln. Denn diesem Begehren ist das FG nicht gefolgt.
Die Rechtshängigkeit der Klage ist auch nicht dadurch beseitigt worden, daß der Kläger mit Schriftsatz vom Januar 1995 die Aussetzung der Vollziehung der genannten Haftungsbescheide beantragt und mit Schriftsatz vom März 1995 hinsichtlich des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids vom 22. März 1994 die Hauptsache für erledigt erklärt hat. Diese Eingaben waren schon deshalb nicht geeignet, die Rechtshängigkeit der Klage zu beseitigen, weil aus ihnen nicht eine Rücknahme der Klage oder eine auf sie bezogene Erledigungserklärung entnommen werden kann. Den Eingaben ist vielmehr lediglich das Bestreben des Klägers auf eine gerichtliche Entscheidung dahin zu entnehmen, daß an die Stelle der auf ein Bescheidungsurteil gerichteten Klage ein Antrag an das FG auf Aussetzung der Vollziehung treten sollte. Nur auf diesen zuletzt genannten Antrag bezieht sich dann auch die Erledigungserklärung. Das vorgenannte Bestreben des Klägers ist jedenfalls bisher ohne Erfolg geblieben.
Die Klage auf Verurteilung des FA zur Entscheidung über den -- an das FA gerichteten -- Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Klage ist -- nach der gebotenen summarischen Prüfung -- nicht zulässig. Der Gesetzgeber hat für den Fall, daß das FA -- wie im Streitfall -- über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nicht binnen angemessener Frist entschieden hat, gemäß § 69 Abs. 3 Sätze 1 und 2 i. V. m. § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO den Antrag an das Gericht der Hauptsache auf Aussetzung der Vollziehung vorgesehen. Ob auch in diesem Fall (Untätigkeit des FA) die Klage bereits nach § 361 Abs. 5 AO 1977, § 69 Abs. 7 FGO ausgeschlossen ist, kann dahingestellt bleiben. Sie ist im Streitfall jedenfalls schon deshalb unzulässig, weil das nach § 44 Abs. 1 FGO i. V. m. § 349 Abs. 2 AO 1977 a. F. bzw. § 347 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 i. d. F. des Grenzpendlergesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl I, 1395) erforderliche Vorverfahren im Streitfall nicht durchgeführt worden ist. Ein Fall des § 46 Abs. 2 FGO i. V. m. § 349 Abs. 3 AO 1977 a. F. lag nicht vor, weil das FA keine der in dieser Vorschrift genannten Stellen ist.
c) Ob dem Kläger PKH zu gewähren wäre, wenn sein Begehren Aussicht auf Erfolg hätte, nach dem an die Stelle der Klage der genannte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung durch das FG treten soll, braucht nicht entschieden zu werden. Denn auch für dieses Begehren besteht keine hinreichende Erfolgsaussicht.
Dem Begehren des Klägers auf Umdeutung der Klage in einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO fehlt die Erfolgsaussicht schon deshalb, weil Klagebegehren und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung auf unterschiedliche Ziele gerichtet sind, die Streitgegenstände also nicht übereinstimmen. Während die Klage lediglich zu einer Verpflichtung des FA zur Entscheidung über einen ihm vorliegenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gerichtet ist, soll der Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO unmittelbar zur Aussetzung der Vollziehung durch das FG führen.
Jedenfalls wegen dieser unterschiedlichen Ziele des Klagebegehrens und des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung an das FG besteht auch keine hinreichende Aussicht, daß das Klageverfahren dadurch seine Erledigung findet, daß es in ein Verfahren wegen eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung an das FG einfließt. In diesem Zusammenhang ist auch noch zu beachten, daß mit der Klage letztlich eine Aussetzung der Vollziehung durch das FA und nicht eine Aussetzung der Vollziehung durch das FG angestrebt wird.
2. Der Senat brauchte nicht darüber zu entscheiden, ob beim FG auch ein Verfahren wegen eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO anhängig und für dieses Verfahren PKH beantragt ist. Denn PKH für ein solches Verfahren ist nicht Gegenstand der Vorentscheidung und damit auch nicht Gegenstand der Beschwerde.
Fundstellen
Haufe-Index 420885 |
BFH/NV 1996, 65 |