Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässiges Rechtsmittel; Tod eines Beteiligten
Leitsatz (NV)
- Durch den Tod eines durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beteiligten tritt eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein, sofern eine Aussetzung des Verfahrens nicht beantragt wird.
- Ist eine Nichtzulassungsbeschwerde verfristet, weil der kundige Prozessbevollmächtigte das Rechtsmittel beim FG ‐ statt beim BFH ‐ eingelegt hat, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht, denn eine eventuelle Unkenntnis der prozessualen Vorschriften entschuldigt nicht.
Normenkette
FGO §§ 56, 116 Abs. 2 S. 1, § 155; ZPO § 246 Abs. 1
Gründe
Das Rechtsmittel ist, da verfristet, unzulässig.
1. Die "sofortige Beschwerde", mit der die rechtskundig vertretenen Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Zulassung der Revision erreichen wollen, ist als Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision zu werten (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesfinanzhof (BFH) einzulegen. Das angefochtene Urteil ist S, dem Rechtsvorgänger der Kläger, am 12. März 2003 zugestellt worden. Die Rechtsbehelfsfrist endete daher mit Ablauf des 14. April 2003 (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung ―ZPO― und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), da der 12. April 2003 ein Sonnabend war (§ 222 Abs. 2 ZPO). Die Beschwerde ist aber erst am 28. April 2003, mithin verspätet, beim BFH eingegangen, weil der Prozessbevollmächtigte von S die Beschwerde nicht, wie vorgeschrieben, beim BFH, sondern beim Finanzgericht (FG) eingelegt hatte. Die Geschäftsstelle des Senats hat den Prozessbevollmächtigten von S mit Schreiben vom 26. Mai 2003, zugestellt am 3. Juni 2003, auf diesen Umstand aufmerksam gemacht und auf § 56 FGO hingewiesen. Bis zum Fristablauf am 17. Juni 2003 (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) ist kein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) beim BFH eingegangen. Der Prozessbevollmächtigte von S hat mit Telefax-Schreiben vom 12. Juni 2003 lediglich mitgeteilt, dass sich S seit annähernd einem Monat in stationärer Heilbehandlung befinde, auf der Intensivstation liege und nicht ansprechbar sei, so dass eine Sachbearbeitung unter Mitwirkung von S gar nicht möglich sei. Außerdem hat er um Verlängerung der Fristen um wenigstens zwei Monate gebeten.
Dieses Vorbringen reicht nicht aus, ein Verschulden von S und seines Prozessbevollmächtigten an der Nichteinhaltung der Beschwerdefrist gemäß § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO auszuschließen. Insbesondere wird nicht erklärt, weshalb der Prozessbevollmächtigte die Beschwerde beim FG statt unmittelbar beim BFH eingelegt hat. Evtl. Unkenntnis der prozessualen Vorschriften des Prozessbevollmächtigten entschuldigt nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 23. November 1992 III B 76/92, BFH/NV 1994, 105); S hat ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zu vertreten (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
2. Mit Telefax-Schreiben vom 20. Juni 2003 hat der Prozessbevollmächtigte weiter mitgeteilt, dass S heute verstorben sei. Auf die Anfrage der Geschäftsstelle des Senats, ob die Beschwerden wegen augenscheinlicher Unzulässigkeit aus Kostengründen zurückgenommen werden, hat der Prozessbevollmächtigte mit Telefax-Schreiben vom 20. August 2003 den Standpunkt eingenommen, die "Differenz" sei durch den Tod von S unterbrochen und er sei nicht befugt, solche Erklärungen abzugeben.
Durch den Tod eines Beteiligten, der ―wie im Streitfall― durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist, tritt eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein (§ 155 FGO i.V.m. § 246 Abs. 1 erster Halbsatz ZPO). Der Prozessbevollmächtigte hat jedoch die Möglichkeit, eine Aussetzung des Verfahrens zu beantragen (§ 155 FGO i.V.m. § 246 Abs. 1 zweiter Halbsatz ZPO). Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte einen solchen Antrag nicht gestellt. Dem Schreiben vom 20. August 2003 kann lediglich entnommen werden, dass er rechtsirrtümlich davon ausging, durch den Tod von S sei der Rechtsstreit automatisch unterbrochen. Das trifft indes, wie ausgeführt, im Falle einer Prozessvertretung nicht zu. Zu einer anderen Auslegung des genannten Schreibens besteht keine Veranlassung, da es sich bei dem Prozessbevollmächtigten um einen des Rechts kundigen Rechtsanwalt handelt. Mit dem Tod von S sind dessen Erben, deren Namen dem BFH bisher nicht mitgeteilt worden sind, in den laufenden Prozess als Kläger und Beschwerdeführer eingetreten.
3. Bei unzulässiger Beschwerde besteht kein Anspruch auf Akteneinsicht, da die Akten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt geeignet sind, der Rechtsschutzgewährung der Kläger zu dienen (BFH-Beschluss vom 16. September 2002 IX B 20/02, BFH/NV 2003, 186).
Fundstellen
Haufe-Index 1061359 |
BFH/NV 2004, 72 |