Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung der Gegenleistung bei Forderungsverzicht
Leitsatz (NV)
1. Eine Kapitalforderung ist nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG im Regelfall mit ihrem Nennwert anzusetzen; dies gilt nur dann nicht, wenn besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen.
2. Bei der Prüfung, ob tatsächliche oder rechtliche Zweifel am Bestand oder an der Höhe einer Forderung bestehen, kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an; dies wiederum ist Tatfrage und hängt in erster Linie von den Vermögens- und Einkommensverhältnissen des Schuldners im Bewertungszeitpunkt ab.
Normenkette
BewG § 12 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Als Ausfluss eines am 15. Januar 2003 abgeschlossenen privatschriftlichen Vergleichs erwarb der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mit notariell beurkundetem Vertrag vom 24. Januar 2003 vom Veräußerer dessen Eigentumswohnung samt Tiefgaragenstellplatz. Als Gegenleistung für die Übertragung des Eigentums an dieser Wohnung verpflichtete sich der Kläger, den Veräußerer selbst, dessen Anverwandte, sowie die F, deren Alleineigentümer der Veräußerer war und wegen der bereits am … September 2002 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden war, von bestimmten Ansprüchen und Forderungen der Kanzlei K freizustellen.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) setzte gegen den Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 12.304 € nach einer Gegenleistung in Höhe von 381.559 € fest.
Die gegen die Steuerfestsetzung erhobene Klage blieb überwiegend erfolglos. Der Kläger hatte insoweit ausgeführt, die Forderungen seien zum Zeitpunkt des Verzichts rechtlich und tatsächlich wertlos gewesen. Zudem habe die übertragene Eigentumswohnung zum damaligen Zeitpunkt lediglich einen tatsächlichen Wert in Höhe von 135.000 € gehabt.
Das Finanzgericht (FG) stellte bezogen auf die Vermögensverhältnisse des Veräußerers fest, dass dieser neben der übertragenen Eigentumswohnung und der Miteigentumshälfte an einem von ihm und seiner Ehefrau selbstgenutzten Einfamilienhaus kein weiteres nennenswertes Vermögen besessen habe; dennoch sei der Veräußerer zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht zahlungsunfähig gewesen, weil er einer regelmäßigen Beschäftigung als selbständiger EDV-Berater nachgegangen sei. Daraus wiederum folge, dass eine Realisierung der Regressansprüche gegen ihn nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen sei.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) noch zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) zuzulassen.
1. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, welcher Wert dem Tauschgegenstand Wohnungseigentum zuzumessen ist, den ein Nichtverpflichteter im Gegenzug zu einem Forderungsverzicht eines Gläubigers gegenüber einem Schuldner leistet, wenn die zugrunde liegende Forderung (vermeintlich) wertlos ist, ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt und ohne Weiteres so zu beantworten, wie das FG es getan hat. Folglich kommt ihr keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.
Mangels einschlägiger Bewertungsregelungen im Grunderwerbsteuergesetz ist für die Ermittlung des Werts einer in einer Freistellungsverpflichtung bzw. einem Forderungsverzicht bestehenden Gegenleistung auf die Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) zurückzugreifen (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1971 II 64/65, BFHE 102, 126, BStBl II 1971, 533; Pahlke in Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 8 Rz 29). Danach ist eine Kapitalforderung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG im Regelfall mit ihrem Nennwert anzusetzen. Der Ansatz mit dem Nennbetrag gilt nur dann nicht, wenn besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Derartige besondere Umstände können insbesondere in rechtlichen Zweifeln am Bestand oder an der Höhe einer Forderung liegen, während im Bewertungszeitpunkt bestehende wirtschaftliche Zweifel an der Durchsetzbarkeit einer Forderung ggf. den Schluss auf die Uneinbringlichkeit der Forderung mit der Folge ihres Außeransatzbleibens (§ 12 Abs. 2 BewG) rechtfertigen können. Bei der Prüfung, ob tatsächliche oder rechtliche Zweifel am Bestand oder an der Höhe einer Forderung bestehen, kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1992 II R 149/87, BFH/NV 1993, 354; Viskorf in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 2. Aufl., § 12 BewG Rz 43). Dies wiederum ist Tatfrage und hängt in erster Linie von den Vermögens- und Einkommensverhältnissen des Schuldners im Bewertungszeitpunkt ab (vgl. Teß, Eisele in Rössler/Troll, BewG, § 12 Rz 14; Wilms in Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 12 BewG Rz 11). Eine Frage von grundsätzlicher, d.h. über den konkreten Einzelfall hinausgehender Bedeutung, stellt sich hierbei nicht. Das FG hat nach entsprechender Zeugeneinvernahme des Veräußerers festgestellt, dass die entsprechenden Forderungen am Bewertungsstichtag wirtschaftlich durchsetzbar gewesen wären. Diese Feststellungen des FG sowie die daraus sich ergebenden Würdigungen tatsächlicher Art sind vom Revisionsgericht nicht überprüfbar (§ 118 Abs. 2 FGO); eine Klärungsfähigkeit im Revisionsverfahren besteht daher nicht. Die gegen diese Feststellungen und ihre Würdigungen gerichteten Rügen des Klägers können deshalb nicht zur Revisionszulassung führen.
2. Nichts anderes ergibt sich mit Blick auf den Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO. Denn danach ist die Revision nicht etwa schon bei jedweder Verletzung des formellen oder materiellen Rechts zuzulassen, sondern bezogen auf den Vorwurf einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Gesetzesanwendung durch das FG nur bei solchen Fehlern, die von erheblichem Gewicht und damit geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. etwa BFH-Beschlüsse vom 6. Oktober 2005 II B 9/04, BFH/NV 2006, 24; vom 8. Februar 2006 III B 128/04, BFH/NV 2006, 1116; vom 7. März 2006 I B 119/05, BFH/NV 2006, 1252). Nach den obigen Ausführungen ist ein solcher Fall hier erkennbar nicht gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 2249023 |
BFH/NV 2010, 62 |