Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung bei Streit über Erfassung und Zurechnung von Veräußerungsgewinnen
Leitsatz (NV)
Zur notwendigen Beiladung einer aus dem Kläger und seinen Angehörigen bestehenden Gesellschaft, die den Grundbesitz des Klägers erworben hat, wenn die Beteiligten über Entstehung und Zurechnung eines Gewinns aus gewerblichem Grundstückshandel streiten.
Normenkette
AO 1977 § 174 Abs. 4-5; FGO § 60 Abs. 3
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute; sie wurden im Streitjahr 1981 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger ist selbständiger Architekt und an verschiedenen Kommanditgesellschaften beteiligt, die sich mit Bau- und Grundstücksgeschäften befassen.
In den Jahren 1977 und 1978 erwarb der Kläger in K mehrere Grundstücke und verpflichtete sich durch Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) vom 13. März 1978, darauf . . . Wohnungen zu errichten und diese anschließend auf die Dauer von 10 Jahren an die Bundesrepublik zu vermieten.
Im Mai 1980 legte der Kläger dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) einen Vertrag über die Gründung einer BGB-Gesellschaft zwischen ihm und seinen beiden Söhnen vom 3. September 1977 vor und teilte mit, die Wohnungen in K seien von dieser Gesellschaft errichtet und vermietet worden; er, der Kläger, sei aber als Treuhänder und Bevollmächtigter nach außen allein aufgetreten. Dieser Vertrag wurde am 7. Dezember 1980 notariell bestätigt. Gleichzeitig wurden die Grundstücke in die Gesellschaft eingebracht; die Beteiligten vereinbarten, daß das Eigentum an den Grundstücken zu je 1/3 auf die Gesellschafter übergehen solle.
Mit Kaufvertrag vom 29. Juni 1981 veräußerten der Kläger und seine Söhne als Gesellschafter der BGB-Gesellschaft den ihnen gehörenden Grundbesitz in K an die Beigeladene und Beschwerdeführerin (Beigeladene), die zunächst mit ,,A Immobilien GmbH & Co. KG" und später mit ,,A Immobilien & Co. KG" firmierte. An der Beigeladenen waren außer dem persönlich haftenden Gesellschafter E nur der Kläger und seine Söhne als alleinige Kommandisten beteiligt.
Mit Gesellschaftsvertrag vom 22. November 1981 wurde das Kommanditkapital der Beigeladenen auf . . . DM erhöht. Nach Angaben des FA soll der Grundbesitz (bzw. die dort erstellten Wohneinheiten) in den Jahren 1981 und 1982 an eine größere Anzahl neu eingetretener Kommanditisten veräußert worden sein.
Das FA sah in der Errichtung und Veräußerung der Objekte in K eine gewerbliche Tätigkeit. Den hieraus erzielten Gewinn rechnete es allein dem Kläger zu. Der BGB-Gesellschaft versagte es die steuerliche Anerkennung. Auf dieser Grundlage setzte das FA die Einkommensteuer der Kläger für das Streitjahr fest.
Mit ihrer nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Anfechtungsklage machen die Kläger geltend, die Gewinne seien nicht dem Kläger, sondern der BGB-Gesellschaft zuzurechnen, die allerdings keinen gewerblichen Grundstückshandel betrieben habe, sondern lediglich im Rahmen einer Vermögensverwaltung tätig geworden sei. Die Voraussetzungen einer Vermögensverwaltung seien von einer das Jahr 1978 betreffenden Betriebsprüfung bejaht worden; für das Streitjahr könne nichts anderes gelten.
Auf Antrag des FA hat das Finanzgericht (FG) die ,,A Immobilien & Co. KG" zum Verfahren der Kläger gemäß § 60 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und § 174 Abs. 4 und 5 der Abgabenordnung (AO 1977) beigeladen, weil nicht auszuschließen sei, daß Einkünfte, die bisher bei der KG erfaßt wurden, dem Kläger zuzurechnen seien und umgekehrt Einkünfte des Klägers bei der KG zu erfassen seien.
Mit der dagegen gerichteten Beschwerde macht die Beigeladene geltend, für eine Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO bestehe kein Bedürfnis. Es sei ausgeschlossen, daß sie an den Einkünften aus dem Verkauf der Grundstücke beteiligt sei. Im übrigen sei sie nicht - wie vom FG angenommen - Rechtsnachfolgerin der KG; vielmehr sei lediglich ihre Firma geändert worden.
Die Beigeladene beantragt, den Beiladungsbeschluß aufzuheben.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Nach Auffassung des FA sind die Grundstücke bis zur jeweiligen Zeichnung des Kommanditkapitals von insgesamt . . . DM weiterhin dem Kläger zuzurechnen. Falls diese Auffassung bestätigt werde, sei die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der Beigeladenen zu ändern. Seien die Grundstücke indessen der Beigeladenen zuzurechnen, so könne in der Erhöhung des Kommanditkapitals eine Veräußerung zu sehen sein, die ebenfalls zu einer Änderung der Gewinnfeststellung führen müßte. Danach aber seien die Interessen der Beigeladenen durch den Rechtsstreit der Kläger berührt, so daß eine Beiladung gemäß § 174 Abs. 5 AO 1977 zwingend erforderlich sei.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und in seinem Beschluß vom 16. Mai 1989 ergänzend ausgeführt, es sei zwar zutreffend, daß die Beigeladene nicht Rechtsnachfolgerin der KG, sondern mit dieser sogar identisch sei; auch seien Kommanditanteile nicht veräußert worden. Es sei jedoch nicht auszuschließen, in der Aufstockung des Kommanditkapitals und Zeichnung durch Kapitalanleger Veräußerungsgeschäfte zu sehen, mit der Folge, daß die gewerblichen Gewinne der Beigeladenen zuzurechnen wären.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die Voraussetzungen einer Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 angenommen mit der Folge, daß der Beigeladenen die Rechtsstellung eines notwendig Beigeladenen i. S. von § 60 Abs. 3 FGO zukommt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. August 1987 IX R 98/82, BFHE 151, 506, BStBl II 1988, 344).
1. Nach § 174 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 AO 1977 ist die Beiladung eines Dritten - unabhängig von den Voraussetzungen des § 60 FGO - zulässig, wenn ein Steuerbescheid aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern ist und hieraus rechtliche Folgerungen bei dem Dritten zu ziehen sind. Voraussetzung ist ferner, daß das FA die Beiladung des Dritten beantragt oder veranlaßt hat (BFH-Beschluß vom 27. Januar 1982 VII B 141/81, BFHE 134, 537, BStBl II 1982, 239).
2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, besteht die Möglichkeit, daß bei einem Obsiegen der Kläger steuerrechtliche Folgerungen bei der Beigeladenen zu ziehen sind.
a) Nach der Rechtsprechung des BFH, der auch der erkennende Senat folgt, handelt es sich bei der Vorschrift des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 um eine gegenüber den Tatbeständen der Absätze 1 bis 3 eigenständige Änderungsnorm, die nicht auf die Fälle der alternativen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts beschränkt ist (zuletzt BFH-Urteil vom 24. November 1987 IX R 158/83, BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404, und BFH-Beschluß vom 20. April 1989 V B 153/88, BFHE 156, 389, BStBl II 1989, 539). Auch eine rechtliche Abhängigkeit der ,,Folgeänderung" wird in § 174 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 nicht vorausgesetzt. Nach dem Wortlaut des § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 genügt es vielmehr, daß ein und derselbe Sachverhalt sowohl bei dem Steuerpflichtigen als auch bei dem Dritten erfaßt und dabei irrig beurteilt worden ist. Nach einer Richtigstellung der rechtlichen Beurteilung zugunsten des einen Steuerpflichtigen kann damit korrespondierend aus demselben einheitlichen Lebenssachverhalt die rechtliche Folgerung auch bei dem anderen Steuerpflichtigen im Wege der Änderung seiner bestandskräftigen Steuerfestsetzung gezogen werden (BFH in BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404, und BFHE 156, 389, BStBl II 1989, 539).
b) Danach kommt eine Folgeänderung i. S. des § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 in Betracht, wenn, wie im Streitfall, u.a. auch die Frage streitig ist, wem ein bestimmter Gegenstand und dementsprechend bestimmte Einkünfte zuzurechnen sind. Zwar hat das FA in dem angefochtenen Bescheid den Gewinn aus der Veräußerung der Wohnungen in K an die Beigeladene dem Kläger allein zugerechnet. Dagegen richtet sich die Klage mit der Begründung, nicht ihm, dem Kläger, sondern der BGB-Gesellschaft seien die Grundstücke zuzurechnen, ein Veräußerungsgewinn sei jedoch mangels Gewerblichkeit nicht zu besteuern. Dieser Klage wäre aber - worauf das FA in seiner Begründung zum Beiladungsantrag und das FG in seinem Ergänzungsbeschluß vom 16. Mai 1989 hingewiesen haben - z. B. auch stattzugeben, wenn das FG die Wohnungen dem Kläger oder der BGB-Gesellschaft auch über den Zeitpunkt der zivilrechtlichen Veräußerung an die Beigeladene hinaus gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 zurechnen würde und eine Veräußerung im steuerrechtlichen Sinn erst in der Beteiligung weiterer Kommanditisten sähe. In diesem Fall würden sich die von der Beigeladenen für das Streitjahr geltend gemachten Verluste verringern. Schließlich hat das FG zu Recht auf die weitere Möglichkeit hingewiesen, daß sich auch bei der Beigeladenen die Frage eines gewerblichen Grundstückshandels stellen könne.
c) Der Beiladung durch das FG steht im Streitfall auch nicht entgegen, daß der Beklagte als das am Verfahren beteiligte FA den Antrag auf Beiladung gestellt hat, obwohl er nicht für die Besteuerung der - ursprünglich in . . . und nunmehr in . . . niedergelassenen - Beigeladenen (örtlich) zuständig ist. Die Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 setzt kein Tätigwerden des für den Beigeladenen zuständigen FA voraus, es genügt vielmehr ein Antrag des am Rechtsstreit beteiligten FA, denn eine etwaige Folgeänderung ist nicht davon abhängig, ob sich die Rechtskraft eines Urteils auf das für den Beigeladenen zuständige FA erstrecken würde. Sie hängt allein davon ab, daß der Steuerbescheid aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts auf Antrag des Steuerpflichtigen durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird (BFH-Beschluß vom 14. Januar 1987 II B 108/86, BFHE 148, 444, BStBl II 1987, 267, und BFHE 156, 389, BStBl II 1989, 539).
Fundstellen
Haufe-Index 417270 |
BFH/NV 1991, 16 |