Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Verfahrensaussetzung
Leitsatz (NV)
Für die Aussetzung des Verfahrens kommt es auf die rechtliche Vorgreiflichkeit der im anderen Rechtsstreit zu treffenden Entscheidungen an; eine ,,wirtschaftliche Abhängigkeit" genügt nicht.
Normenkette
FGO § 74
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin klagt vor dem FG gegen die vom Hauptzollamt (HZA) ausgesprochene Ablehnung ihres mit Qualitätsmängeln einer Einfuhrsendung begründeten Antrags auf Änderung einer Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer und auf Erstattung. Sie beantragte beim FG, das Klageverfahren im Hinblick auf ein anderes Finanzstreitverfahren auszusetzen, in dem darüber zu befinden sei, ob sie - Klägerin - Unternehmer und damit umsatzsteuerpflichtig sei. Das FG lehnte den Aussetzungsantrag ab. Die Streitfrage jenes Verfahrens - so das FG - sei nicht vorgreiflich, weil die Klägerin als Zollbeteiligter Steuerschuldner geworden sei, ohne daß es dabei auf die Unternehmereigenschaft ankomme. Daß die Klägerin kein wirtschaftliches Interesse am Klageverfahren habe, wenn ihre Unternehmereigenschaft anerkannt werde, sei unerheblich, weil für die Aussetzung die rechtliche, nicht eine wirtschaftliche Abhängigkeit maßgebend sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der diese vorbringt, auch bei tatsächlicher Abhängigkeit sei die Aussetzung statthaft. Eine solche Abhängigkeit liege vor, denn werde ihre Unternehmereigenschaft bejaht, so werde diesem Klageverfahren die Grundlage entzogen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Das FG hat die Aussetzung ,,der Verhandlung" - des Verfahrens - aus zutreffenden Gründen abgelehnt. Es fehlt an der gesetzlichen Voraussetzung, daß die Entscheidung von dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist (§ 74 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Diese Abhängigkeit besteht nur, wenn die Entscheidung in dem anderen Verfahren vorgreiflich (präjudiziell) wäre; es genügt, anders als bei der Anordnung des Ruhens des Verfahrens (§ 155 FGO, § 251 der Zivilprozeßordnung), die allerdings (auch) einen Antrag beider Parteien voraussetzt, nicht, daß die Aussetzung zweckmäßig wäre (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 74 FGO Tz. 2 Abs. 2). Die Entscheidung über eine Unternehmereigenschaft der Klägerin ist aber nicht rechtlich vorgreiflich für die Entscheidung über Rechtsgrund und Höhe der Einfuhrumsatzsteuer, die ggf. in der Person der Klägerin entstanden ist (§ 21 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1980, § 35a Abs. 1, § 10 Abs. 1 und 3 Satz 1 des Zollgesetzes). Die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer wird durch die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs durch Unternehmer - § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1 und 2 UStG 1980 - nicht in Frage gestellt (Senat, Urteil vom 5. Juni 1985 VII R 57/82, BFHE 144, 290, 293 f., BStBl II 1985, 688, 690). Der Umstand, daß die Klägerin kein wirtschaftliches Interesse mehr haben könnte, ihr Erstattungsbegehren weiterzuverfolgen, soweit ihr die Berechtigung zum Vorsteuerabzug zustehen sollte, ist nicht geeignet, die rechtliche Vorgreiflichkeit der Entscheidung in dem anderen Finanzstreitverfahren zu begründen.
Fundstellen
Haufe-Index 423397 |
BFH/NV 1987, 172 |