Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Revisionszulassung; Anspruch auf rechtliches Gehör
Leitsatz (NV)
1. Das Außerachtlassen von Rechtsgrundsätzen einer BFH-Entscheidung begründet alleine noch keine Abweichung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO, sondern ggf. die Unrichtigkeit des FG-Urteils, die jedoch als solche nicht zur Revisionszulassung führt.
2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht schon verletzt, wenn das Gericht dem Vortrag eines Beteiligten nicht die richtige Bedeutung beimißt oder der Beteiligte selbst im Laufe des Verfahrens von seinem Vortrag Abstand nimmt.
3. Zur ordnungsgemäßen Rüge eines Verstoßes gegen § 76 Abs. 1 FGO.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist betreffend 1985 unzulässig, im übrigen zum Teil unzulässig und zum Teil unbegründet, so daß sie für 1986 bis 1988 insgesamt als unbegründet zurückzuweisen ist.
1. Gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) muß in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung schließt eine Sachentscheidung über die behaupteten Zulassungsgründe aus.
a) Anliegen des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) im Beschwerdeverfahren ist, seine Tätigkeit als Entwickler von Systemsoftware als ingenieurähnliche und damit freiberufliche (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 1991 IV R 17/90, BFHE 166, 443, BStBl II 1993, 324) zu würdigen. Er schränkt dieses Begehren aber ausdrücklich auf die Streitjahre 1986 bis 1988 ein, in denen er für B tätig war. Wenn der Kläger daher vorträgt, daß er mit dem Wechsel von A zu B nicht mehr gewerbesteuerpflichtig gewesen sei, so ist dies dahin zu verstehen, daß es für das Streitjahr 1985 an einer Beschwerdebegründung i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO fehlt.
b) Soweit der Kläger seine Nichtzulassungsbeschwerde für 1986 bis 1988 auf Divergenz stützt, ist diese unzulässig, weil seine Ausführungen nicht dem Gebotenen entsprechen. Eine zulässige Divergenzrüge setzt Ausführungen dazu voraus, daß das Finanzgericht (FG) einen (abstrakten) Rechtssatz aufgestellt habe, der von einem (abstrakten) Rechtssatz einer Entscheidung des BFH abweicht (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 17. Oktober 1990 II B 44/90, BFH/NV 1991, 483; vgl. z.B. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 17 m.w.N.). Die Beschwerdebegründung des Klägers erschöpft sich jedoch in dem bloßen Hinweis, daß der BFH in BFHE 166, 443, BStBl II 1993, 324 eine ingenieurähnliche Tätigkeit bejaht habe. Das Außerachtlassen von Grundsätzen einer BFH-Entscheidung allein begründet noch keine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Zweck der Zulassung der Revision wegen Divergenz ist die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, nicht die Beseitigung eines evtl. unrichtigen Urteils.
c) Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf einen Verfahrensmangel gestützt, so sind Tatsachen anzuführen, die den gerügten Verfahrensverstoß schlüssig ergeben. Bei der Rüge einer Verletzung des § 76 Abs. 1 FGO ist dementsprechend anzugeben,
- welche Tatfrage aufklärungsbedürftig war,
- welche Beweise zu welchen Beweisthemen das FG nicht erhoben habe,
- warum der Kläger nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt habe (Verzicht des Rügerechts gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung - ZPO -),
- warum die Beweiserhebung sich jedoch dem FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung als erforderlich hätte aufdrängen müssen,
- inwieweit die als Unterlassung gerügte Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung durch das FG hätte führen können (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 17. Mai 1989 II B 45/89, BFH/NV 1990, 576).
Diesen Anforderungen entspricht der bloße Hinweis in der Beschwerdebegründung auf eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht nicht.
2. a) Dem Beschwerdeschriftsatz läßt sich mit hinreichender Deutlichkeit auch die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) entnehmen. Der Kläger führt aus, daß das FG seinen Vortrag in der Klageschrift vom 9. März 1992 (Seite 6) mit keinem Wort gewürdigt habe, wonach seine Tätigkeit auch der eines Ingenieurs ähnlich sei. Damit rügt er in schlüssiger Form, daß das Gericht die dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs entsprechende Verpflichtung, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und sich mit dem Kern seines Vorbringens auseinanderzusetzen, nicht erfüllt habe.
b) Diese Rüge ist jedoch unbegründet.
Art. 103 Abs. 1 GG gebietet die Berücksichtigung wesentlichen Parteivorbringens. Die Ausführungen der Beteiligten hat das Gericht zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 8. Oktober 1985 1 BvR 33/83, BVerfGE 70, 288, 293 m.w.N.; vom 10. März 1992 2 BvR 430/91, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1992, 2217 m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings nur verletzt, wenn Ausführungen der Beteiligten ersichtlich nicht erwogen oder aus den Augen verloren wurden.
Den Vortrag des Klägers, daß sein Beruf auch Bezug zu einem technischen Beruf habe, hat das FG, wie seinen Ausführungen auf Seite 5 des Urteils zu entnehmen ist, zur Kenntnis genommen. Daß das FG diesem Vortrag möglicherweise nicht die richtige Bedeutung beigemessen hat, verletzt noch nicht das Recht auf rechtliches Gehör (vgl. BVerfG in NJW 1992, 2217 m.w.N.). Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, daß das FG den Vortrag des Klägers zur Ingenieurähnlichkeit seines Berufs im Laufe des Verfahrens aus den Augen verloren hat (vgl. hierzu Beschluß des BVerfG vom 15. April 1980 2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86, 92). Das Recht auf rechtliches Gehör ist aber dann nicht verletzt, wenn ein Prozeßbeteiligter sein eigenes Vorbringen im Laufe des Verfahrens einschränkt. Dies kann dadurch geschehen, daß er ausdrücklich oder stillschweigend hiervon Abstand nimmt. Im Streitfall ist davon auszugehen, daß der Kläger seinem ergänzenden Vortrag in der Klageschrift zur ingenieurähnlichen Tätigkeit keine Bedeutung mehr beigemessen hat. So hat der Klägervertreter im Erörterungstermin vor dem FG am 16. Oktober 1992 nach Besprechung der Sach- und Rechtslage erklärt, der Beruf des Klägers sei dem eines leitenden Volks- und Betriebswirts ähnlich. Dementsprechend hat der Kläger weder gegen den Inhalt des Beweisbeschlusses, der sich ausdrücklich nur mit der Frage nach der Ähnlichkeit der Tätigkeit mit der eines beratenden Betriebswirts befaßte, Einwendungen erhoben, noch nach Erstellung des für ihn inhaltlich ungünstigen Gutachtens den Gedanken der ingenieurähnlichen Tätigkeit wieder aufgegriffen. Die Stellungnahme des Klägers zum Gutachten hebt selbst für die Zeit seiner Tätigkeit für B nur den betriebsberatenden Charakter hervor (vgl. Schriftsatz vom 13. Juli 1993). Auch in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 1993 hat der Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift keinen Beweisantrag zur Begutachtung einer ingenieurähnlichen Tätigkeit gestellt, sondern die Aufhebung der Gewerbesteuermeßbetragsbescheide beantragt.
Fundstellen
Haufe-Index 419810 |
BFH/NV 1994, 878 |