Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufiger Rechtsschutz bei negativem Feststellungsbescheid
Leitsatz (NV)
Bei einem negativen Feststellungsbescheid ist vorläufiger Rechtsschutz im Verfahren nach § 69 FGO geltend zu machen.
Normenkette
FGO §§ 69, 114
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Gesellschafter einer als Innengesellschaft fungierenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschaftszweck insbesondere die einheitliche Wahrnehmung und Ausübung der Eigentümerrechte für den Erwerb und die Bebauung eines Grundstücks sein sollte. Nach Darstellung der Antragsteller konnte der Gesellschaftszweck wegen Veruntreuungen durch die Treuhänderin, eine GmbH, nicht verwirklicht werden, deshalb hat die GbR ihre Liquidation beschlossen. Für die Streitjahre wurden Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte abgegeben, aus denen sich jeweils negative Einkünfte ergaben. Nach einer Außenprüfung lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) den Erlaß der begehrten Feststellungsbescheide mit der Begründung ab, daß weder die Absicht noch die Möglichkeit bestanden habe, aus dem Projekt nachhaltig positive Einkünfte zu erzielen. Über die dagegen eingelegten Einsprüche hat das FA noch nicht entschieden. Die Aussetzung der Vollziehung der negativen Feststellungsbescheide hat das FA abgelehnt.
Mit Schreiben vom 20. Juli 1984 beantragten die Antragsteller beim Finanzgericht (FG) vorläufigen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung der negativen Feststellungsbescheide, hilfsweise Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Zum Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde vorgetragen, das FA habe wider besseres Wissen und deshalb willkürlich reine negative Feststellungsbescheide erlassen, obwohl ihm bekannt gewesen sei, daß aufgrund zweifelsfrei vorliegender Gewinnerzielungsabsicht einiger Gesellschafter zumindest gemischte (kombiniert positiv-negative) Feststellungsbescheide hätten erlassen werden müssen. Der willkürliche Erlaß eines unzutreffenden Verwaltungsakts könne nicht zu Lasten der Antragsteller gehen. Diesen müsse der Rechtsweg offenstehen, der bei ordnungsgemäßem Handeln der Finanzbehörde gegeben sei. Im Streitfall bestünden zudem ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der negativen Feststellungsbescheide. Eine vom FA angenommene einkommensteuerlich irrelevante Liebhaberei liege nur vor, wenn persönliche Motive dazu führten, bei einer ,,im Rechtskleid einer Einkunftsart" ausgeübten Tätigkeit auf Dauer Verluste hinzunehmen. Die Antragsteller hätten jedoch zu jeder Zeit die Absicht gehabt, durch die Vermietung des geplanten Objekts Einkünfte zu erzielen. Zudem sei es nicht zutreffend, das fehlgeschlagene Treuhandverhältnis in ein Darlehensverhältnis umzudeuten. Vielmehr liege es im Streitfall nahe, eine mitunternehmerische Beteiligung anzunehmen. Hilfsweise sei Rechtsschutz durch einstweilige Anordnung zu gewähren. Dabei käme sowohl eine Sicherungsanordnung gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als auch eine Regelungsanordnung nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO in Betracht. Die besonderen Anordnungsgründe für eine einstweilige Anordnung lägen darin, daß die Antragsteller ernstlich zweifelhafte Steuern zahlen müßten. In einigen Fällen sei die wirtschaftliche bzw. persönliche Existenz der Antragsteller durch die Aberkennung bisher vorläufig anerkannter Verluste bedroht.
Das FG lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unter Hinweis auf die damalige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Beschlüsse vom 24. März 1975 IV S 22/74, BFHE 115, 417, BStBl II 1975, 711; vom 10. November 1977 IV B 33-34/76, BFHE 123, 412, BStBl II 1978, 15; vom 26. Januar 1983 I B 48/80, BFHE 137, 235, BStBl II 1983, 233, und vom 21. Dezember 1983 I B 81/82, BFHE 139, 501, BStBl II 1984, 206) mit der Begründung ab, negative Feststellungsbescheide seien nicht vollziehbar. Den Einwand, das FA habe willkürlich einen negativen Feststellungsbescheid erlassen und aus diesem Grunde müsse vorläufiger Rechtsschutz im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung gewährt werden, hielt das FG nicht für durchschlagend. Den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung lehnte das FG mit der Begründung ab, die Antragsteller hätten das Vorliegen von Anordnungsgründen nach § 114 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 FGO nicht glaubhaft gemacht.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller, der das FG nicht abgeholfen hat. Mit der Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Begehren weiter, hinsichtlich des negativen Feststellungsbescheids Aussetzung der Vollziehung zu gewähren, hilfsweise, eine einstweilige Anordnung zu erlassen. Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Der Große Senat des BFH hat durch Beschluß vom 14. April 1987 GrS 2/85 (BFHE 149, 493) abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des BFH entschieden, daß vorläufiger Rechtsschutz gegenüber einem negativen Feststellungsbescheid nicht durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung, sondern im Wege der Aussetzung der Vollziehung gewährt wird. In der Entscheidungsformel sei in einem solchen Falle auszusprechen, die Vollziehung des angefochtenen Bescheides werde mit der Maßgabe ausgesetzt, daß vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren von einem Verlust von X DM auszugehen sei, der sich auf die Beteiligten wie folgt verteile: (Angabe der jeweiligen Daten). Demgegenüber hat das FG in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des BFH den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unzulässig abgelehnt. Mit dieser Begründung kann die Entscheidung des FG nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 149, 493 keinen Bestand haben. Allerdings kann der Senat in der Sache selbst nicht entscheiden, da das FG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen getroffen hat, die eine abschließende Sachentscheidung durch den BFH als Beschwerdegericht zuließen. Unter dieser Voraussetzung ist auch im Beschwerdeverfahren die Zurückweisung der Sache an das FG zulässig (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 132 FGO Tz. 15, m.w.N.). Das FG wird nunmehr in dem Verfahren nach § 69 FGO zu prüfen haben, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen negativen Feststellungsbescheide bestehen. Soweit dies der Fall sein sollte, wird das FG entsprechend dem Leitsatz 2 des Beschlusses des Großen Senats zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 415258 |
BFH/NV 1989, 504 |