Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückstellung wegen künftiger Ausgleichsansprüche eines Handelsvertreters nach § 89b HGB
Leitsatz (NV)
Die Rechtsfrage, ob ein Kaufmann vor Beendigung des Vertragsverhältnisses wegen künftiger Ausgleichsansprüche eines Handelsvertreters nach § 89b HGB in seiner Steuerbilanz eine Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten bilden muß, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Normenkette
HGB § 89b; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine KG. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung von und der Groß- und Einzelhandel mit Waren aller Art. In der Bilanz zum 31. Dezember 1992 bildete die Klägerin erstmals eine Rückstellung für künftige Handelsvertreter-Ausgleichsansprüche in Höhe von 316 956 DM. Im Anschluß an eine Außenprüfung versagte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) der Rückstellung die steuerliche Anerkennung und erhöhte den Gewinn um den Rückstellungsbetrag.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) nahm in seinem Urteil auf die Gründe der Einspruchsentscheidung Bezug (§ 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Revision ließ es nicht zu. Die Rechtsfrage habe keine grundsätzliche Bedeutung, da die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu dieser Frage als gefestigt angesehen werden könne.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, der das FG nicht abgeholfen hat, beantragt die Klägerin, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat läßt offen, ob der Zulassungsgrund ausreichend dargelegt ist i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Sollte die Beschwerde zulässig sein, ist sie jedenfalls unbegründet, weil die in der Beschwerdeschrift aufgeworfene Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtsfrage, ob wegen künftiger Ausgleichsansprüche eines Handelsvertreters nach § 89b des Handelsgesetzbuchs (HGB) vor Beendigung des Vertragsverhältnisses in der Steuerbilanz eine Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten zu bilden ist, bedarf keiner höchstrichterlichen Klärung, da sie durch die vorliegende gefestigte Rechtsprechung des BFH bereits hinreichend geklärt ist (vgl. zuletzt Urteil vom 20. Januar 1983 IV R 168/81, BFHE 137, 489, BStBl II 1983, 375, m.w.N.). Von einer erneuten Entscheidung des BFH ist keine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts zu erwarten. Die von der Klägerin angeführten Literaturmeinungen, die der Rechtsprechung des BFH ablehnend gegenüberstehen, rechtfertigen keine andere Entscheidung. Zwar kann eine Rechtsfrage, über die der BFH bereits entschieden hat, gleichwohl grundsätzliche Bedeutung haben, wenn gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Literatur oder in Entscheidungen der Finanzgerichte gewichtige Einwendungen erhoben werden, mit denen sich der BFH noch nicht auseinandergesetzt hat. Bei den in der Beschwerdeschrift angeführten Literaturmeinungen, die eine Rückstellung wegen der Ausgleichsansprüche des Handelsvertreters befürworten, handelt es sich jedoch um Auffassungen, die dem BFH bereits bei seiner zuletzt zu dieser Frage veröffentlichten Entscheidung in BFHE 137, 489, BStBl II 1983, 375 bekannt waren; der BFH hat sich mit den Argumenten der Gegenmeinung in dieser Entscheidung eingehend auseinandergesetzt. Er hat dabei auch berücksichtigt, daß § 89b HGB durch Gesetz vom 13. Mai 1976 geändert worden ist (vgl. unter 2. e der Gründe des Urteils in BFHE 137, 489, BStBl II 1983, 375).
Die Rechtsauffassung des BFH zur Bilanzierung künftiger Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern stimmt überein mit den Grundsätzen der neueren Rechtsprechung zur Passivierung von Rückstellungen wegen ungewisser Verbindlichkeiten. Danach setzt die Passivierung einer künftigen Verbindlichkeit u.a. voraus, daß sie wirtschaftlich im abgelaufenen Wirtschaftsjahr verursacht worden ist (BFH-Urteil vom 19. Mai 1987 VIII R 327/83, BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848, m.w.N.). Die Erfüllung der Verpflichtung muß ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Bezugspunkt in der Vergangenheit finden. Entscheidend ist, ob bei der gebotenen wirtschaftlichen Beurteilung mit der künftigen Zahlung nicht nur an Vergangenes angeknüpft, sondern auch Vergangenes abgegolten wird (BFH-Urteile in BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848; vom 25. August 1989 III R 95/87, BFHE 158, 58, BStBl II 1989, 893; vom 3. Dezember 1991 VIII R 88/87, BFHE 167, 322, BStBl II 1993, 89). Die spätere Erfüllung muß sich als zusätzliches, lediglich wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles noch nicht entrichtetes Entgelt für eine bereits früher erbrachte Leistung darstellen (Urteil in BFHE 167, 322, 330, BStBl II 1993, 89, m.w.N.). Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB setzt voraus, daß der Unternehmer aus der Geschäftsbeziehung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat. Das ist nur der Fall, wenn der Unternehmer den Kundenstamm tatsächlich zu seinem Vorteil weiter nutzt; die Bildung eines Kundenstamms für sich allein ist noch kein erheblicher Vorteil i.S. des § 89b HGB (Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 30. Januar 1986 I ZR 185/83, Betriebs-Berater -BB- 1986, 1317). Wegen dieser Erfolgsabhängigkeit des Ausgleichsanspruchs ist die Verbindlichkeit des Unternehmers wirtschaftlich eng mit den möglichen Vorteilen nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verknüpft und deshalb nicht wesentlich in der Vergangenheit verursacht (BFH-Beschluß vom 4. Dezember 1980 IV B 35/80, BFHE 132, 273, BStBl II 1981, 266; ebenso: Moxter, Bilanzrechtsprechung, 4. Aufl., S. 105 f.; Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., § 5 Rz. 550 "Ausgleichsverpflichtung"). Durch die künftige Zahlung werden Vorteile abgegolten, die der Unternehmer nach Vertragsbeendigung aus den vom Handelsvertreter angebahnten Geschäftsbeziehungen erwarten kann.
Schließlich kann auch die von der Klägerin behauptete Abweichung der o.a. BFH-Rechtsprechung zur Passivierung künftiger Verbindlichkeiten i.S. des § 89b HGB von dem Urteil des BGH vom 11. Juli 1966 II ZR 134/65 (BB 1966, 915) die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen im Beschluß des BFH vom 4. Dezember 1980 IV B 35/80 (BFHE 132, 273, BStBl II 1981, 266 a.E.) Bezug.
Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen
Haufe-Index 171015 |
BFH/NV 1999, 1076 |