Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellung eines Urteils durch Niederlegung
Leitsatz (NV)
1. Postzustellungsurkunden begründen den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Eidesstattliche Versicherungen sind als Gegenbeweis gegen die bekundeten Zustellungsvoraussetzungen nicht ausreichend.
2. Die Zustellung eines FG-Urteils ist im Zeitpunkt der Niederlegung des Schriftstücks bei der Postanstalt und der Mitteilung hierüber auch dann bewirkt, wenn es an einem Samstag zugestellt worden ist und der Kläger es wegen der Schließung des Postamts am Mittag erst am darauffolgenden Montag abholen konnte.
3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn der Prozeßbevollmächtigte pflichtwidrig eine eigenverantwortliche Prüfung des Fristbeginns und des Fristablaufs anhand des vom Postbeamten auf der Sendung vermerkten Tags der Zustellung unterläßt und sich diesbezüglich auf die Angaben des Klägers verläßt.
Normenkette
ZPO §§ 182, 418; FGO § 56 Abs. 1
Tatbestand
Das klagabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 2. November 1992 wurde dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) am 28. November 1992 durch Niederlegung bei der Postanstalt zugestellt. Die Nichtzulassungsbeschwerde ging am 29. Dezember 1992 per Telefax beim FG ein.
Mit Schreiben vom 18. Januar 1993, zugestellt am 20. Januar 1993, wies die Geschäftsstelle des Senats den Prozeßbevollmächtigten des Klägers auf den verspäteten Eingang der Nichtzulassungsbeschwerde hin. Mit Schreiben vom 2. Februar 1993, beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am 5. Februar 1993, beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist. Am 8. Februar 1993 teilte die Geschäftsstelle des Senats dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit, daß er die Frist des § 56 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versäumt habe. Daraufhin beantragte der Kläger mit Schreiben vom 26. Februar 1993, beim BFH eingegangen am 2. März 1993, auch wegen Versäumung der Frist gemäß § 56 Abs. 2 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Der Kläger hat die Frist zur Einlegung der Beschwerde versäumt.
a) Das FG-Urteil ist gemäß § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 3 Abs. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) und § 182 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wirksam zugestellt worden. § 182 ZPO setzt voraus, daß die Zustellung nach den vorhergehenden Vorschriften nicht ausführbar war. Die Zustellerin hat ausweislich der Postzustellungsurkunde unter der Wohnanschrift des Klägers niemanden angetroffen. Gemäß § 418 Abs. 1 ZPO begründet die Postzustellungsurkunde den vollen Beweis dieser in ihr bezeugten Tatsache. Den Beweis der Unrichtigkeit gemäß § 418 Abs. 2 ZPO hat der Kläger nicht geführt. Aus der vom Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung wiedergegebenen Behauptung seiner Ehefrau, die Briefträgerin habe nicht geklingelt, ist nicht erkennbar, auf welcher Art von Wahrnehmung diese Behauptung beruht. Sollte die Ehefrau des Klägers kein Klingeln gehört haben, so kann dies auf unterschiedlichen Ursachen beruhen; es ist damit nicht bewiesen, daß die Briefträgerin nicht tatsächlich an der Wohnung des Klägers geklingelt hat.
Im übrigen werden eidesstattliche Versicherung als Gegenbeweis gegen die beurkundeten Zustellungsvoraussetzungen nicht als ausreichend angesehen, weil sie keinen Beweis erbringen, sondern allenfalls glaubhaft machen (BFH-Urteil vom 2. Juni 1987 VII R 36/84, BFH/NV 1988, 170 unter 1.).
b) Gemäß § 182 ZPO ist die Zustellung des FG-Urteils am 28. November 1992 im Zeitpunkt der Niederlegung des Schriftstücks bei der Postanstalt und der Mitteilung hierüber bewirkt. Der Umstand, daß das Urteil an einem Samstag zugestellt worden ist und der Kläger es wegen der Schließung des Postamts am Mittag erst am darauffolgenden Montag abholen konnte, läßt die Wirksamkeit der Zustellung im Zeitpunkt der Niederlegung unberührt (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 352/83, BFH/NV 1986, 644).
2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO wegen Versäumung der Beschwerdefrist kann nicht gewährt werden. Der Kläger war nicht ohne Verschulden gehindert, die gesetzliche Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Er hat hierzu vorgetragen, er habe auf dem am 28. November 1992 durch Niederlegung zugestellten Urteil als Eingangsdatum den Tag vermerkt, an dem er es bei der Post in Empfang genommen habe (30. November 1992). Den Prozeßbevollmächtigten habe er darauf hingewiesen, daß die Klage bis zum 30. Dezember 1992 erhoben sein müsse.
Dieses Vorbringen erweist ein dem Kläger zuzurechnendes Verschulden des Prozeßbevollmächtigten. Zu diesen Pflichten gehört eine eigenverantwortliche Prüfung des Fristbeginns und des Fristablaufs anhand des gemäß § 195 Abs. 2, § 212 Abs. 1 ZPO von dem Postbeamten auf der Sendung vermerkten Tag der Zustellung (vgl. BFH-Beschluß vom 22. März 1983 VIII B 117/80, BFHE 138, 403, BStBl II 1983, 579; Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 22. Mai 1984 VI ZR 49/84, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1985, 193). Der Prozeßbevollmächtigte hätte sich diesbezüglich nicht auf die Angaben des Klägers verlassen dürfen.
Fundstellen
Haufe-Index 419251 |
BFH/NV 1994, 183 |