Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung von Investitionszulage nach sog. Bearbeitungsprüfung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung?

 

Leitsatz (NV)

1. Unter welchen Voraussetzungen ein Investitionszulagenfall als noch "nicht abschließend geprüft" i.S. von §164 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 anzusehen ist, hängt von zahlreichen Umständen des Einzelfalles ab.

2. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nicht ausreichend dargelegt, wenn nur ausgeführt ist, weshalb die Revisionsentscheidung für eine größere Zahl von Fällen von Bedeutung sei. Es muß auch dargelegt werden, weshalb die betreffende Rechtsfrage aus Gründen der Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf (sog. inhaltliche Klärungsbedürftigkeit).

3. Kann die aufgeworfene Rechtsfrage nicht für eine Vielzahl gleichartiger Fälle im selben Sinne beantwortet werden, weil die zu treffende Entscheidung (jeweils) von den Umständen des Einzelfalles abhängt, kommt eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht in Betracht.

 

Normenkette

InvZulG 1991 § 1ff; AO 1977 § 164 Abs. 1 S. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist bereits unzulässig.

Die Ausführungen des Beklagten und Beschwerdeführers (Finanzamt -- FA --) genügen nicht den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache.

Sie wären nur dann ausreichend, wenn aus der Beschwerdebegründung neben der Darstellung der Bedeutung der Rechtsfrage über den konkreten Einzelfall hinaus auch hervorginge, warum die Rechtsfrage zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für die Fortentwicklung des Rechts höchstrichterlicher Klärung bedürfte (s. hierzu z.B. den Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. Dezember 1997 XI B 54/97, BFH/NV 1998, 614, unter Hinweis auf Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Anm. 61). Insoweit wäre vor allem auszuführen gewesen, inwieweit und ggf. von welcher Seite die betreffende Rechtsfrage umstritten ist oder zu ihr unterschiedliche Meinungen vertreten werden (vgl. BFH-Beschluß vom 3. Dezember 1997 VIII B 38/97, BFH/NV 1998, 613).

1. An solchen Ausführungen fehlt es im Streitfall. Das FA hat zwar eine seiner Auffassung nach klärungsbedürftige Rechtsfrage herausgearbeitet. Es möchte geklärt haben, ob und inwieweit sog. Bearbeitungsprüfungen abschließende Prüfungen i.S. des §164 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) sind und damit einer Festsetzung von Investitionszulage unter dem Vorbehalt der Nachprüfung entgegenstehen. Doch beschränkt sich die weitere Begründung des Rechtsmittels sodann im wesentlichen auf den Versuch, die Breitenwirkung der aufgeworfenen Rechtsfrage darzustellen. Nur in dieser Richtung kann die Gegenüberstellung des Gebots der raschen Auszahlung der Investitionszulage einerseits und der Gefahr fehlerhafter Festsetzungen zu Lasten des Fiskus andererseits verstanden werden. Inwieweit inhaltlicher Klärungsbedarf (insbes. wegen eines evtl. Meinungsstreits) besteht, hat das FA nicht dargelegt.

2. Der Hinweis des FA auf das BFH-Urteil vom 10. Mai 1994 IX R 26/89 (BFHE 175, 55, BStBl II 1994, 902) ist unbehelflich. In jenem Urteil ging es um die gerichtliche Pflicht, auch eine Steuerfestsetzung, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen. Die im Streitfall entscheidende Frage, ob die Vorbehaltsfestsetzung rechtens war, stellte sich dort nicht.

3. Schließlich kommt hinzu, daß die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage aber auch schwerlich für eine Vielzahl gleichartiger Fälle im selben Sinne beantwortet werden könnte. Unter welchen Voraussetzungen ein Investitionszulagenfall als noch "nicht abschließend geprüft" i.S. von §164 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 anzusehen ist, hängt von zahlreichen Umständen des Einzelfalles ab. So kann z.B. auch eine Teil- oder Sonderprüfung als "abschließende Prüfung", allerdings nur des betreffenden Teil- oder Sonderbereichs, zu werten sein; inwieweit eine Prüfung als "abschließend" anzusehen ist, kann auch vom geprüften Zeitraum oder Zeitpunkt abhängen (s. hierzu z.B. Sauer in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, §164 AO 1977 Rdnr. 25).

Die letztlich fehlende Breitenwirkung einer Revisionsentscheidung im Streitfall wird gerade auch durch die Besonderheiten deutlich, die er selbst aufweist. Nach den unbestrittenen (und auch durch den Akteninhalt belegten) Feststellungen des FG handelte es sich bei dem vom Prüfer als "Inaugenscheinnahme" bezeichneten Vorgang im Januar 1993 nicht nur um einen Abgleich zwischen den im Zulagenantrag bezeichneten Wirtschaftsgütern und den vor Ort tatsächlich vorhandenen. Der Prüfer hatte vielmehr auch andere Voraussetzungen für die Zulagengewährung geprüft. So ist in dem dem Festsetzungsbescheid vom 9. Februar 1993 beigegebenen Vermerk ein Vorschlag zur materiell-rechtlichen Behandlung der für die westdeutschen Filialen angeschafften Wirtschaftsgüter enthalten. Vor allem aber ist dort auch ausgeführt: "Beanstandungen in formeller Hinsicht haben sich für sämtliche im Investitionszulagenantrag aufgeführten Wirtschaftsgüter nicht ergeben."

Gerade dieser letzte Satz, um dessen Tragweite es in einer Revisionsentscheidung wohl ausschließlich ginge, macht deutlich, daß in einer solchen Entscheidung keine Aussagen getroffen würden, die für eine Vielzahl gleichartiger Fälle Bedeutung hätten und damit das Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührten. Eine Zulassung der Revision käme danach auch aus diesem Grunde nicht in Betracht (s. hierzu den Senatsbeschluß vom 21. März 1995 III B 136/91, BFH/NV 1995, 928).

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 302874

BFH/NV 1998, 1457

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