Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufforderung zur Erklärung von Kapitaleinkünften als Verwaltungsakt?
Leitsatz (NV)
- Bei der Frage, ob die Aufforderung, Zinseinkünfte zu erklären, einen Verwaltungsakt darstellt, ist insbesondere der Umstand von Bedeutung, ob die Aufforderung nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt als Maßnahme zur Einleitung eines Erzwingungsverfahrens zu verstehen war.
- Ist hiernach ein Verwaltungsakt zu bejahen, so wird dieser nicht durch den Erlass eines Einkommensteuer-Schätzungsbescheids im Sinne von § 68 FGO geändert oder ersetzt.
Normenkette
AO 1977 § 118; EStG § 20; FGO § 68
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht den Darlegungserfordernissen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ―FGO a.F.― genügt.
Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) erhobene Verfahrensrüge, das Finanzgericht (FG) habe die Voraussetzungen des § 68 FGO (a.F.) verkannt und deshalb die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil abgewiesen (vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 26), ist zum einen deshalb unschlüssig, weil der Beschwerdeschrift nicht entnommen werden kann, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) mit Schreiben vom 16. März 1999 überhaupt einen Verwaltungsakt erlassen (vgl. zur Klageart Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. Februar 1999 IV R 36/98, BFH/NV 1999, 1117) oder ob es sich bei der Aufforderung zur Erklärung der in den Jahren 1989 bis 1992 erzielten Zinseinkünfte nicht vielmehr um eine vorbereitende Maßnahme zur Durchführung des Besteuerungsverfahrens (hier: Erlass von Änderungsbescheiden) gehandelt hat. Der erkennende Senat hat hierzu mit Urteil vom 10. November 1998 VIII R 3/98 (BFHE 187, 386, BStBl II 1999, 199, betreffend Aufklärungsmaßnahmen im Rahmen einer Außenprüfung) eingehend Stellung genommen und dem Umstand besondere Bedeutung zugemessen, ob die Aufforderung nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt ―d.h. beispielsweise mit Rücksicht auf eine erteilte Rechtsbehelfsbelehrung― als Maßnahme zur Einleitung eines Erzwingungsverfahrens zu verstehen war (vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 AO 1977 Tz. 16 sowie § 149 AO 1977 Tz. 6, betreffend Übersendung von Erklärungsvordrucken). Im Streitfall fehlt es nicht nur an einer Rechtsbehelfsbelehrung; hinzu kommt vor allem, dass das FA die Kläger lediglich um die Nacherklärung ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen "gebeten" und für den Fall der Nichterfüllung die Schätzung der Einkünfte sowie die "Berichtigung" der Einkommensteuerbescheide (ab 1989) angekündigt hat (vgl. zur Abgrenzung auch BFH-Urteil vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790).
Zum anderen ist der Vortrag der Kläger auch dann unschlüssig, wenn man davon ausgeht, dass das FA mit seinem Schreiben vom 16. März 1999 einen Verwaltungsakt erlassen habe. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, wurden durch die Schätzungsbescheide vom 15. November 1999 die zunächst ergangenen Einkommensteuerbescheide 1989 bis 1992 geändert, nicht jedoch die Aufforderung zur Erklärung der Kapitaleinkünfte gemäß § 68 FGO geändert oder ersetzt (vgl. hierzu BFH-Entscheidungen vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231; vom 24. Juli 1990 VII R 75/89, BFH/NV 1991, 604). Zwar sind die Begriffe "Ändern" und "Ersetzen" ―entsprechend dem Sinn und Zweck des § 68 FGO, nach Möglichkeit ein erneutes Vorverfahren zu vermeiden― weit auszulegen (vgl. BFH-Urteile vom 9. September 1986 VIII R 198/84, BFHE 147, 463, BStBl II 1987, 28; vom 17. September 1992 V R 17/86, BFH/NV 1993, 279); erforderlich ist jedoch eine zumindest teilweise Identität der Regelungsbereiche beider Verwaltungsakte (BFH-Urteil vom 8. Februar 2001 VII R 59/99, BFHE 194, 466, BStBl II 2001, 506, m.w.N.; Gräber/von Groll, a.a.O., § 68 Rz. 17). Hieran fehlt es im Streitfall. Denn während die (nicht angefochtenen) Änderungsbescheide die Festsetzung der Steuern zum Gegenstand hatten (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ―AO 1977―), wurden die Kläger mit dem Schreiben des FA vom 16. März 1999 lediglich aufgefordert, bei der Ermittlung des Sachverhalts ―und damit im Vorfeld des Erlasses der Steueränderungsbescheide― mitzuwirken (§§ 90, 149 AO 1977). Demgemäß wäre auch der Umstand, dass sich mit dem Erlass (bzw. der Bestandskraft) dieser Steuerbescheide ein auf die Verpflichtung zur Erklärung der Zinseinkünfte gerichteter Verwaltungsakt erledigt hätte (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), nicht geeignet, die für § 68 FGO erforderliche sachliche Beziehung zwischen beiden Verwaltungsakten zu begründen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 604; zum Wegfall des berechtigten Interesses an einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO nach Bestandskraft der Einkommensteueränderungsbescheide siehe BFH-Urteile vom 10. April 1990 VIII R 415/83, BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721; vom 12. Januar 1995 IV R 83/92, BFHE 177, 4, BStBl II 1995, 488).
Im Übrigen sieht der Senat von einer Begründung dieses Beschlusses ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO n.F.).
Fundstellen
Haufe-Index 662233 |
BFH/NV 2002, 157 |