Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit eines Beweissicherungsantrags; Hilfsantrag auf Verweisung in der Beschwerdeinstanz
Leitsatz (NV)
1. Hohes Alter des Zeugen begründet noch keinen Fall dringender Gefahr, der den Antrag auf Beweissicherung bei dem Gericht des Aufenthalts rechtfertigt.
2. Für eine Verweisung gemäß einem erst in der Beschwerdeinstanz gestellten Hilfsantrag ist nach Zurückweisung der Beschwerde kein Raum.
Normenkette
FGO §§ 82, 70; ZPO §§ 485, 486 Abs. 1-2, § 487 Nr. 4
Tatbestand
Der Antragsteller klagt gegen das Finanzamt vor dem Finanzgericht (FG) N in einer Kraftfahrzeugsteuersache. Über die Klage ist noch nicht entschieden. Der Antragsteller beantragte bei dem FG B, den Leiter seines früheren ,,Zweigbetriebs" in B und dessen Ehefrau, beide wohnhaft in B, zur Sicherung des Beweises zu bestimmten Vorgängen aus den Jahren 1973 bis 1978 betreffenden Beweisfragen zu vernehmen, und führte zur Begründung seines Gesuchs den drohenden Verlust des Beweismittels infolge hohen Alters der Zeugen (80 bzw. 75 Jahre) und die Besorgnis nachlassenden Erinnerungsvermögens an. Den auf Vernehmung des Zeugen gerichteten Antrag nahm der Antragsteller zurück, nachdem der Zeuge verstorben war. Das FG wies den Antrag auf Beweissicherung (durch Vernehmung der 75jährigen Zeugin) mit der Begründung zurück, das Gesuch müsse grundsätzlich bei dem Prozeßgericht angebracht werden; der Ausnahmefall dringender Gefahr - § 486 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) - liege nicht vor. Allein das Alter der Zeugin begründe keine solche Gefahr. Besondere Gründe, die die Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens durch ein anderes Gericht als das Prozeßgericht rechtfertigen könnten, lägen nicht vor.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der ausführt, wie der Tod des Zeugen bestätige, liege ein Dringlichkeitsfall vor. Hohes Alter eines Zeugen begründe eine dringende Gefahr.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind im Finanzstreitverfahren auf die Beweisaufnahme u. a. §§ 485 bis 494 ZPO - Sicherung des Beweises - sinngemäß anzuwenden. Einem im Rahmen eines Finanzstreitverfahrens gestellten Antrag auf Beweissicherung kann nur unter den Voraussetzungen der §§ 485 bis 487 ZPO entsprochen werden; das Amtsermittlungsprinzip rechtfertigt keine andere Beurteilung (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. November 1969 I B 50/69, BFHE 97, 288 f., BStBl II 1970, 96; Gräber, Finanzgerichtsordnung, 1977, § 82 Anm. 2 M = S. 257). Zulässig ist der Antrag nur in den Fällen von § 485 Satz 2 ZPO, u. a. bei Besorgnis, daß das Beweismittel verlorengehen oder seine Benutzung erschwert werden könnte. Anzubringen ist das Gesuch, wenn ein Rechtsstreit anhängig ist, bei dem Prozeßgericht; nur in Fällen dringender Gefahr kann der Antrag bei dem Gericht gestellt werden, in dessen Bezirk die zu vernehmende Person sich aufhält (§ 486 Abs. 1 und 2 ZPO). Der Ausnahmefall des § 486 Abs. 2 ZPO liegt hier, wie vom FG richtig entschieden, nicht vor. Hohes Alter der zu vernehmenden Person kann zwar die Zulässigkeit des Antrags auf Beweissicherung begründen, weil dann, wenn diese Person nicht mehr besonders rüstig ist, die Gefahr des Beweismittelverlustes besteht (vgl. Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., 1981, S. 702). ,,Dringende" Gefahr i. S. von § 486 Abs. 2 ZPO ist damit allein aber noch nicht gegeben. Hierzu müßte mehr dargelegt und glaubhaft gemacht werden (vgl. § 487 Nr. 4 ZPO) als das Vorliegen der - allgemeinen - Zulässigkeitsvoraussetzung. Darzulegen und glaubhaft zu machen wäre insbesondere ein Grund, der es untunlich erscheinen läßt, die Beweissicherung durch das - sachnähere - Prozeßgericht vornehmen zu lassen, wenn es schon nicht möglich sein sollte, die Beweisaufnahme durch das FG N oder durch das von diesem ersuchte Gericht (vgl. § 81 Abs. 2 FGO) abzuwarten. Gründe dieser Art hat der Antragsteller nicht vorgetragen.
Dem Hilfsantrag auf Verweisung, den der Antragsteller entgegen seiner Annahme erst in der Beschwerdeinstanz gestellt hat, kann nicht entsprochen werden, weil für eine Verweisung nach § 70 FGO, die an sich auch im Beschlußverfahren möglich ist (BFH-Beschluß vom 29. Januar 1973 VIII S 1/73, BFHE 108, 292 f., BStBl II 1973, 457) - auch auf einen erst in der Beschwerdeinstanz gestellten Antrag (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 70 FGO Tz. 1), wenn ein Aufhebungsgrund vorliegt -, nach der Zurückweisung der Beschwerde kein Raum mehr ist. Eine Verweisung gemäß Hilfsantrag ohne Beschluß über die Beschwerde (Hauptsache) kommt nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 414838 |
BFH/NV 1987, 379 |