Was ist bei der sofortigen Beschwerde zu beachten?
Die sofortige Beschwerde ist ein selbständiges Rechtsmittel, das gegen Entscheidungen der Gerichte, insbesondere gegen Beschlüsse und Verfügungen, ausnahmsweise aber auch Urteile, statthaft ist. Die sofortige Beschwerde ist in verschiedenen Verfahrensordnungen geregelt. Hier geht es wesentlich um die zivilrechtliche Form.
Anwendungsbereich der sofortigen Beschwerde
Die sofortige Beschwerde ist zulässig gegen erstinstanzlich ergangene Entscheidungen der Amts- und Landgerichte, bei denen eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist und durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen wurde. Darüber hinaus ist sie nur in den durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen Fällen und gegen Kostenentscheidungen einschlägig, § 567 ZPO. Ausnahmsweise kann die Beschwerde auch gegen andere Beschlüsse statthaft sein, wenn andernfalls gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen würde (BGH, Beschluss v. 28.5.2009, I ZB 93/08 - sofortige Beschwerde gegen einen Beweisbeschluss zur Klärung der Prozessfähigkeit einer Partei ohne deren vorherige Anhörung). Der einschlägige Rechtsbehelf gegen gerichtliche Beschlüsse in der 2. Instanz ist die Rechtsbeschwerde, § 574 ZPO.
Spezielle Zulässigkeitsregelungen in der ZPO:
- Entscheidung über die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit, § 46 Abs. 2 ZPO;
- Entscheidung über die Zulassung eines Nebenintervenienten § 71 Abs. 2 ZPO;
- Entscheidungen über Prozesskostenhilfeanträge, § 127 Abs. 2 ZPO;
- diverse Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts (Richter, Rechtspfleger) oder des Prozessgerichts im Rahmen der Zwangsvollstreckung, § 793 ZPO (BGH, Beschluss v. 28.01.2010, VII ZB 16/09).
Wichtig: Die sofortige Beschwerde steht nicht nur den Prozessparteien als Rechtsbehelf zu, sondern auch anderen Verfahrensbeteiligten (z. B. Zeugen, Sachverständigen), sofern sie durch eine Verfügung des Gerichts beschwert sind.
Sofortige Beschwerde: Begründungsfrist und Form
Die sofortige Beschwerde ist innerhalb einer Ausschlussfrist von 2 Wochen einzulegen – im Strafprozess gemäß § 311 Abs. 1 StPO nur eine Woche! - sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Notfrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von 5 Monaten nach der Verkündung eines Beschlusses, § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die Einlegung erfolgt durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird (judex a quo) oder direkt beim Beschwerdegericht (judex ad quem). Anwaltszwang besteht grundsätzlich nicht. Der Beschwerdegegner kann sich der sofortigen Beschwerde auch nach Fristablauf anschließen, § 567 Abs. 3 ZPO.
Beschwerdeinstanz als neue Tatsacheninstanz
Die sofortige Beschwerde muss nicht, sie soll aber gemäß § 571 Abs. 1 ZPO begründet werden. Eine Begründung ist auch grundsätzlich sinnvoll, denn in der Beschwerdeinstanz sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel zulässig, § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Diese sollten allerdings innerhalb der Beschwerdefrist vorgebracht werden, andernfalls sind sie nur zulässig, wenn sie nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Verfahrens nicht verzögern würden oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt, § 571 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Zulässigkeitsvoraussetzung Beschwer
Voraussetzung für die Einlegung einer sofortigen Beschwerde ist – wie bei jedem Rechtsmittel – eine Beschwer des Beschwerdeführers. Im Fall der Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung ist eine Beschwer von mindestens 200 EUR erforderlich, § 567 Abs. 2 ZPO.
Verfahrensablauf
Gemäß § 572 Absatz ein Satz 1 ZPO kann das Ausgangsgericht der sofortigen Beschwerde abhelfen, andernfalls ist die sofortige Beschwerde dem Beschwerdegericht vorzulegen, das sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit der sofortigen Beschwerde prüft. Die Beschwerdeentscheidung selbst ergeht durch Beschluss, § 572 Abs. 4 ZPO, für den eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Jedoch hat das Gericht den verfassungsrechtlich geschützten Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör zu beachten.
Praxistipp: Die Beschwerde kann in Ausnahmefällen auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden. Wichtiger Anwendungsfall: Ablehnung der Prozesskostenhilfe; hier beträgt die Frist für die Einlegung 1 Monat, § 127 Abs. 2 ZPO (BGH, Beschluss v. 09.11.2005, XII ZR 140/05).
Wichtig: Die Beschwerde hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, sie richtet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsgeldes, § 570 Abs. 1 ZPO. Jedoch können sowohl das Ausgangs- als auch das Beschwerdegericht die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung aussetzen.
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
2.172
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.7342
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.635
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.613
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.471
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
1.400
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.368
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.305
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
1.136
-
Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
1.0461
-
Fehler des Zustellers geht nicht zulasten einer Prozesspartei
20.11.2024
-
Bundestag beschließt neues Leitentscheidungsverfahren beim BGH
14.10.2024
-
Fristverlängerungsanträge widerlegen die Dringlichkeit
07.10.2024
-
Gesetzentwurf zum zivilgerichtlichen Onlineverfahren
10.09.2024
-
Zurückweisung der Berufung nicht vor Eingang der Berufungsbegründung
22.08.2024
-
Kanzleischlüssel vergessen, Berufungsfrist versäumt
15.08.2024
-
Abschlussbericht zum Projekt „Digitales Basisdokument“
14.08.2024
-
Das BMJ plant weitere Digitalisierungsschritte für die Justiz
03.07.2024
-
Nach Anwaltsfehler muss Ex-Ehemann Unterhalt zahlen
01.07.2024
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
25.06.2024