Entscheidungsstichwort (Thema)
Hilfsweise Geltendmachung einer anderen Gewinnermittlungsart erst im Revisionsverfahren
Leitsatz (NV)
Wird erstmals im Revisionsverfahren hilfsweise geltend gemacht, der Gewinn hätte nicht nach § 4 Abs. 3 EStG, sondern nach § 5 EStG ermittelt werden müssen, so liegt hierin eine nicht mehr zulässige Erweiterung des Klageantrags.
Normenkette
FGO § 123
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Ehemann (Kläger), ein Tierarzt, betreibt eine Tierklinik. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte zunächst in den vorläufigen Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre 1968 bis 1972 die Tätigkeit des Klägers als freiberuflich angesehen und die Freibeträge nach § 18 Abs. 4 gewährt. Nach einer Betriebsprüfung vertrat er die Auffassung, daß der Kläger gewerblich tätig sei; die Gewinne wurden nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die Tätigkeit des Klägers nur teilweise als gewerblich an. Die Gewinne aus Gewerbebetrieb wurden entsprechend herabgesetzt. Im übrigen nahm das FG Gewinne aus freiberuflicher Tätigkeit an. Die Gesamtgewinne blieben unverändert. Auch die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG wurde beibehalten. Die Neuverteilung der Gewinne hatte zur Folge, daß die Freibeträge nach § 18 Abs. 4 EStG für die Streitjahre 1968 und 1972 gewährt werden konnten.
Die Kläger haben Revision eingelegt, mit der sie beantragen.
1. unter Aufhebung der Vorentscheidung die Gewinne aus Gewerbebetrieb auf 0 DM festzusetzen, indem gleichzeitig die Einkünfte aus selbständiger Arbeit um diesen Betrag erhöht werden, wodurch dann auch in den Jahren 1969 bis 1971 das steuerpflichtige Einkommen jeweils um den Freibetrag für freie Berufe zu ermäßigen ist;
2. hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen, damit dieses die in den Einkommensteuerbescheiden 1968 bis 1972 ausgewiesenen Einkommensteuerschulden in der Weise herabsetze, daß die Gewinne aus Gewerbebetrieb unter Berücksichtigung der Bilanzierungsgrundsätze und nicht nach § 4 Abs. 3 EStG berechnet werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Eine Revision ist nur zulässig, wenn der Wert des Streitgegenstands mehr als 10 000 DM beträgt (§ 115 Abs. 1 FGO i.V.m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - in der bis zum 16. Juli 1985 geltenden Fassung) oder sie zugelassen worden ist (§ 115 FGO) oder Mängel i. S. des § 116 FGO gerügt werden. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Mängel i. S. des § 116 FGO sind nicht gerügt worden. Auch übersteigt der Wert des Streitgegenstands nicht 10 000 DM.
Der Hauptantrag ist darauf gerichtet, die Freibeträge für freie Berufe nach § 18 Abs. 4 EStG zu erlangen. Nachdem das FG die Freibeträge für 1968 und 1972 gewährt hat, sind die Kläger nur noch dadurch beschwert, daß ihnen die Freibeträge von allenfalls 3 x 1 800 DM für 1969 bis 1971 nicht gewährt worden sind; aus dieser Beschwer kann sich kein Wert des Streitgegenstands von mehr als 10 000 DM ergeben; Auswirkungen auf die Gewerbesteuer sind nicht einzurechnen.
Hinsichtlich des Hilfsantrags kann dahingestellt bleiben, ob die Kläger insoweit eine Beschwer von mehr als 10 000 DM glaubhaft gemacht haben; die hilfsweise begehrte Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG führt nicht nur zur gewinnmindernden Passivierung von Betriebsteuerrückstellungen, sondern ggf. auch zur gewinnerhöhenden Aktivierung von Kundenforderungen und zum Ansatz eines Übergangsgewinns. Der Senat neigt dazu, einen Wert des Streitgegenstands von mehr als 10 000 DM erst dann anzunehmen, wenn die Kläger wenigstens überschlägig die Vor- und Nachteile der Gewinnermittlung aus § 5 EStG dargelegt und einen Einkommensteuervorteil von mehr als 10 000 DM glaubhaft gemacht haben. Aber auch wenn zugunsten der Kläger angenommen wird, daß der Hilfsantrag den erforderlichen Streitgegenstandswert erreicht, ist die Revision unzulässig.
Eine Erweiterung des Klageantrags im Revisionsverfahren ist unzulässig (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. April 1974 IV R 7/71, BFHE 112, 331, BStBl II 1974, 522; vom 21. April 1983 IV R 217/82, BFHE 138, 292, BStBl II 1983, 532). Dies hat zur Folge, daß der für die Zulässigkeit der Revision maßgebliche Betrag nicht höher ist als der Wert der Beschwer durch das Urteil des FG (BFH-Beschluß vom 10. August 1978 IV R 12/78, BFHE 126, 3, BStBl II 1979, 27). Eine Erweiterung des Klageantrags liegt auch darin, daß ein Hilfsantrag erstmals im Revisionsverfahren gestellt wird. Dem Revisionsgericht wird damit ein Streitstoff unterbreitet, der nicht Gegenstand des Klageverfahrens war. Etwas anderes gilt nur für den Fall, daß der Hilfsantrag keine besondere rechtliche Bedeutung hat (BFH-Urteil vom 17. Mai 1977 VII R 101/76, BFHE 122, 376, BStBl II 1977, 706). Dem Antrag auf hilfsweise Anwendung der Gewinnermittlung des § 5 EStG kommt indessen rechtliche Bedeutung zu. Das FA hatte trotz Umqualifizierung der Einkünfte die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG unberührt gelassen. Gleichviel, ob dies sachlich gerechtfertigt war oder nicht, konnten die Kläger eine andere Gewinnermittlung nur im Wege des Hilfsantrags erreichen.
Fundstellen
Haufe-Index 414842 |
BFH/NV 1987, 256 |