Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufzeichnungen zur Existenzgründerrücklage in der Buchführung
Leitsatz (NV)
1. Eine Existenzgründerrücklage erfordert eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen aus der Sicht des Endes des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums.
2. Die Bildung einer Existenzgründerrücklage setzt nach § 7g Abs. 7 Satz 1 i.V. mit Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStG voraus, dass die notwendigen Angaben zur Funktion des Wirtschaftsguts und zu den voraussichtlichen Anschaffungskosten zeitnah, d.h. innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit für die Aufstellung des Jahresabschlusses (vgl. § 243 Abs. 3 HGB) vorgenommen und aufgezeichnet werden.
Normenkette
EStG § 7g Abs. 7, 3 S. 3 Nr. 3; HGB § 243 Abs. 3, § 239 Abs. 2; AO § 146 Abs. 1 S. 1; FGO § 69 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gründete im Jahr 2000 eine Kanzlei als Steuerberater in N. Den Gewinn ermittelte er seit 2001 durch Betriebsvermögensvergleich.
Nachdem er für die Streitjahre 2002 und 2003 zunächst keine Einkommensteuererklärungen eingereicht hatte, ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 5. Dezember 2005 die Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume an. Die Steuerfahndung stellte zum Zwecke der Durchsicht in einem noch andauernden Durchsuchungsverfahren vorläufig mehrere Ordner und verschiedene Unterlagen sicher, u.a. einen Ordner mit der Beschriftung "A … Steuerberater, Buchhaltung 2001, 2002" und Gewinnermittlungen für die Streitjahre.
In den daraufhin erlassenen Einkommensteuerbescheiden für 2002 vom 6. Januar 2006 und für 2003 vom 17. Januar 2006 wurden --nach den Erläuterungen zu den Festsetzungen-- die Einkünfte des Antragstellers aus selbständiger Arbeit entsprechend den durch die Steuerfahndung aufgefundenen Gewinnermittlungen angesetzt. Die Einkommensteuer-Abschlusszahlungen beliefen sich für 2002 auf 8 514 € und für 2003 auf 30 141 €.
Der Antragsteller reichte die Einkommensteuererklärungen für 2002 am 16. Januar 2006 und für 2003 am 22. Februar 2006 nach. In den beigefügten Gewinnermittlungen waren Existenzgründerrücklagen gemäß § 7g Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für 2002 in Höhe von 21 920 € und für 2003 in Höhe von 54 000 € als Betriebsausgaben abgezogen.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erkannte die Ansparrücklagen nicht an, weil die Investitionsabsicht des Antragstellers nicht hinreichend konkretisiert worden sei und die Investitionen aufgrund seiner finanziellen Situation nicht zu verwirklichen seien, und lehnte insoweit eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angefochtenen Einkommensteuerbescheide ab. Für 2003 verminderte sich im Änderungsbescheid vom 21. April 2006 die Abschlusszahlung aus anderen Gründen auf 15 049 €.
Über die Einsprüche des Antragstellers gegen die Einkommensteuerbescheide hat das FA noch nicht entschieden.
Der beim Finanzgericht (FG) gestellte Antrag auf AdV blieb ohne Erfolg (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 23).
Mit der --vom FG zugelassenen-- Beschwerde beantragt der Antragsteller, den Beschluss des FG vom 14. September 2006 aufzuheben und die Vollziehung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
1. Im Verfahren über die Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem das FG einen Antrag auf AdV abgelehnt hat, wird die finanzgerichtliche Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ggf. unter Berücksichtigung neuen tatsächlichen Vorbringens in vollem Umfang überprüft (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Mai 1993 V B 33/93, BFH/NV 1994, 133).
2. Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (BFH-Beschluss vom 14. Februar 2006 VIII B 107/04, BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523).
Unter Berücksichtigung des Inhalts der vorliegenden Akten und des eigenen Vorbringens des Antragstellers gegenüber dem FA und dem FG bestehen bei einer summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide hinsichtlich der nicht anerkannten Ansparrücklagen.
a) Nach § 7g Abs. 1 und 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Wird die Rücklage von einem Existenzgründer im Wirtschaftsjahr der Betriebseröffnung und in den fünf folgenden Wirtschaftsjahren (Gründungszeitraum) gebildet, ist § 7g Abs. 3 EStG u.a. mit der Maßgabe anzuwenden, dass das begünstigte Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen voraussichtlich bis zum Ende des fünften auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs angeschafft oder hergestellt wird (§ 7g Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 EStG) und die Rücklage spätestens am Ende des fünften auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs gewinnerhöhend aufzulösen ist (§ 7g Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 EStG). Im Falle der Auflösung der Rücklage ohne Vornahme einer Investition ist ein Gewinnzuschlag nicht anzusetzen (§ 7g Abs. 7 Satz 1 2. Halbsatz EStG).
b) Der Steuerpflichtige ist zwar nicht gehalten, die Absicht einer Investition nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Jedoch erfordert das in § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG enthaltene Tatbestandsmerkmal "voraussichtlich", das auch für eine Existenzgründerrücklage gilt, eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen; diese ist aus der Sicht des Endes des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums zu treffen (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 III R 40/05, BFH/NV 2006, 2058).
c) Zudem setzt § 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStG voraus, dass die Bildung und Auflösung der Rücklage in der Buchführung verfolgt werden können. Die einzelnen Investitionen sind in der Buchführung so zu bezeichnen, dass im Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine vorgenommene Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 XI R 52/04, BFHE 212, 208, BStBl II 2006, 462). Die insoweit notwendigen Angaben zur Funktion des Wirtschaftsguts und zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind zeitnah vorzunehmen (BFH-Urteil in BFHE 212, 208, BStBl II 2006, 462 zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG), d.h. regelmäßig im Zusammenhang mit der Rücklagenbildung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 25. Februar 2004 IV A 6 -S 2183b- 1/04, BStBl I 2004, 337 Rz 16), also innerhalb der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechenden Zeit für die Aufstellung des Jahresabschlusses (vgl. § 243 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs --HGB--).
d) Im Streitfall hat der Antragsteller zeitnah erstellte Aufzeichnungen in der Buchführung (vgl. auch § 239 Abs. 2 HGB, § 146 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung) über die voraussichtlichen Investitionen selbst dann nicht glaubhaft gemacht, wenn für die Erstellung ein Zeitraum von zwei Jahren nach Ablauf des Bilanzstichtags als ausreichend angesehen würde.
Aus der mit Schreiben vom 26. Juni 2003 an das FA übersandten betriebswirtschaftlichen Auswertung zum 31. Dezember 2002 sind weder künftige Investitionen noch eine Ansparrücklage ersichtlich. Die darin enthaltenen Abschreibungen von 72 686,27 € lassen nicht den Schluss auf eine voraussichtliche Investition und die Bildung einer Ansparrücklage zu.
In den Unterlagen, die anlässlich der Durchsuchung vom 21. Dezember 2005 durch die Steuerfahndung vorläufig sichergestellt wurden, fanden sich keine Aufzeichnungen zu voraussichtlichen Investitionen als Existenzgründer, obwohl u.a. ein Ordner mit der Beschriftung "A … Steuerberater, Buchhaltung 2001, 2002" mitgenommen wurde. Der Antragsteller hat zwar im Rahmen des AdV-Verfahrens vor dem FG behauptet, dass nicht sämtliche Unterlagen durch die Steuerfahndung sichergestellt worden seien. Er hat aber nicht näher dargelegt, in welchen der bei ihm verbliebenen Unterlagen sich die Aufzeichnungen zur Ansparrücklage befunden haben und aus welchen Gründen er diese Unterlagen nicht herausgeben musste.
Angaben dazu, wann die Anfang 2006 an das FA übermittelten Vordrucke zu den Ansparabschreibungen 2002 und 2003 tatsächlich ausgefüllt wurden, fehlen, obwohl der Antragsteller in der wegen des Antrags auf AdV beim FG anberaumten mündlichen Verhandlung persönlich anwesend war und diese Frage --wie aus den Gründen des FG-Beschlusses ersichtlich ist-- Gegenstand der Erörterung war. Das FG ist deshalb davon ausgegangen, dass eine zeitnahe Aufzeichnung der behaupteten Investitionen nicht erfolgt ist. Die Ausführungen des FG sind im Beschwerdeverfahren nicht angegriffen worden. Die Vordrucke zu den Existenzgründerrücklagen für die Streitjahre 2002 und 2003 reichen daher allein nicht aus, um einen zeitnahen Ausweis der voraussichtlichen Investitionen in der Buchführung bejahen zu können.
Fundstellen
Haufe-Index 1747321 |
BFH/NV 2007, 1308 |