Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Besetzungsmangel bei Richterwechsel
Leitsatz (NV)
Die Verfahrensbeteiligten haben keinen Anspruch darauf, daß der Richter, der nach Eingang der Klage vom Senatsvorsitzenden zum Berichterstatter bestimmt worden ist und die Streitsache für die mündliche Verhandlung vorbereitet hat, auch an dieser sowie an der Urteilsfindung teilnimmt.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 2 S. 1, § 103
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) wies aufgrund mündlicher Verhandlung vom 7. Juli 1998 die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wegen Zurechnungsfortschreibung eines Grundstücks in M zum 1. Januar 1996 auf den Kläger als unbegründet zurück. An der mündlichen Verhandlung nahm nicht der nach Klageeingang als Berichterstatter bestimmte Richter, der auch die Rechtssache zur mündlichen Verhandlung vorbereitet hatte, teil, sondern ein anderer Richter. In der mündlichen Verhandlung hatte der Vorsitzende den wesentlichen Inhalt der Akten vorgetragen.
Gegen das Urteil haben die Kläger gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Revision eingelegt. Sie tragen vor, das erkennende Gericht sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil anstelle des bisherigen Berichterstatters ein anderer Richter auf der Richterbank gesessen habe. Es sei weder sachgerecht noch Rechtens, daß derjenige, der die Vorprüfung der Streitsache vorgenommen habe, an der mündlichen Verhandlung und Urteilsfindung nicht mitwirke. Dadurch gehe dem Gericht der bei der Vorbereitung der Streitsache gewonnene Informationsstand des Berichterstatters verloren. Dies zeige sich auch in materiellen Rechtsfehlern des angefochtenen Urteils. So habe das FG verkannt, daß die Spezialvorschrift des § 22 Abs. 2 und 4 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) dem § 39 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorgehe und § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 auf unbebaute Grundstücke wegen deren begrenzter Nutzungsdauer nicht anwendbar sei. Außerdem weiche das Urteil von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Juli 1991 II R 81/88 (BFHE 165, 290, BStBl II 1991, 909) ab.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und "die Zurechnung des Grundstücks auf den Revisionskläger zuzulassen".
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig. Ein Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist nicht schlüssig dargelegt.
Erkennendes Gericht i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist das Gericht, das das Urteil gefällt hat. Gemäß § 103 FGO darf das Urteil nur von den Richtern gefällt werden, die an der zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Hinsichtlich dieser Richter muß ein Besetzungsmangel geltend gemacht werden. Die bloße Tatsache, daß statt des bisherigen Berichterstatters ein anderer Richter teilgenommen hat, begründet noch keinen Besetzungsmangel (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 1992 VII R 41/92, BFH/NV 1993, 256). Die Verfahrensbeteiligten haben keinen Anspruch darauf, daß der Richter, der nach Eingang der Klage vom Senatsvorsitzenden zum Berichterstatter bestimmt worden ist (§ 65 Abs. 2 Satz 1 FGO) und die Streitsache für die mündliche Verhandlung vorbereitet hat, auch an dieser sowie an der Urteilsfindung teilnimmt. Dafür, daß die Teilnahme eines anderen Richters als des bisherigen Berichterstatters zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegen den Geschäftsverteilungsplan verstieß, läßt sich der Revisionsbegründung nichts entnehmen. Es hätte aber den Klägern oblegen, konkrete Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der Besetzung des Gerichts zu ermitteln und auf der Grundlage der ihnen erteilten Auskunft oder der ihnen möglichen Einsicht in den Geschäftsverteilungsplan Tatsachen darzulegen, die ihrer Meinung nach einen Besetzungsmangel ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1987 X R 15/81, BFH/NV 1988, 446).
Fundstellen
Haufe-Index 302417 |
BFH/NV 1999, 1484 |