Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache im Verfahren wegen einstweiliger Anordnung

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache in einem einstweiligen Anordnungsverfahren auf Eintragung des Leiters einer Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins.

2. Nach der Neufassung des § 23 Abs. 3 StBerG muß der Beratungsstellenleiter nicht nur über die vorgeschriebene fachliche Qualifikation verfügen, sondern auch eine Gewähr für seine persönliche Zuverlässigkeit bieten. Diese ist nicht gegeben, wenn er zuvor als Beamter der Finanzverwaltung an Manipulationen bei der Bearbeitung von Lohnsteuerangelegenheiten mitgewirkt hat, die zu seiner Entlassung geführt haben.

 

Normenkette

FGO §§ 114, 138 Abs. 1; StBerG i.d.F. des 4. Gesetzes zur Änderung des StBerG § 23 Abs. 3 S. 2

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller), ein Lohnsteuerhilfeverein, beantragte bei der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (der zuständigen Oberfinanzdirektion - OFD -) die Eintragung des W als Leiter seiner neu eröffneten Beratungsstelle in B in das Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine. Nach den Feststellungen der OFD war W mehrere Jahre beim Finanzamt (FA) auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens tätig gewesen, so daß er die fachlichen Voraussetzungen eines Beratungsstellenleiters erfüllt. Das Dienstverhältnis mit ihm wurde jedoch beendet, nachdem sich herausgestellt hatte, daß W in zahlreichen Fällen Anträge auf Lohnsteuer-Jahresausgleich anderer Steuerpflichtiger gefertigt und diese als Mitarbeiter des FA zum großen Teil selbst bearbeitet hatte. Hierbei war es zu Manipulationen der Besteuerungsgrundlagen gekommen, die zu überhöhten Erstattungsbeträgen führten; . . . Als Gegenleistung für die Manipulationen und Fälschungen hatte W von seinen Auftraggebern Spirituosen oder Geldgeschenke erhalten. Er wurde als Beamter des mittleren Dienstes entlassen. Die OFD lehnte die Eintragung des W als Beratungsstellenleiter ab.

Der Antragsteller beantragte daraufhin beim Finanzgericht (FG), im Wege der einstweiligen Anordnung die OFD zu verpflichten, den W als Leiter seiner Beratungsstelle in das Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine vorläufig einzutragen. Das FG lehnte den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ab. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß mit der begehrten vorläufigen Eintragung des W das Ergebnis des Hauptprozesses vorweggenommen werde. Denn bei einer vorläufigen Zulassung des W als Beratungsstellenleiter könne der Antragsteller Steuerberatungstätigkeiten vornehmen, die im Falle seines Unterliegens im Hauptverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Nur in Ausnahmefällen dürfe im Wege der einstweiligen Anordnung dem Ergebnis des Hauptsacheprozesses vorgegriffen werden, wenn sonst ein effektiver Rechtsschutz nicht erreichbar wäre. Hierfür müßten aber eine besondere Intensität des Anordnungsgrundes und eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache gegeben sein. Beide Voraussetzungen lägen im Streitfall nicht vor.

Der Antragsteller hat gegen die Entscheidung des FG Beschwerde eingelegt.

Mit Schriftsatz . . . hat er die Hauptsache im Beschwerdeverfahren mit der Begründung für erledigt erklärt, daß er sich inzwischen von dem vorgesehenen Beratungsstellenleiter getrennt und die Beratungsstelle geschlossen habe. Die OFD hat daraufhin ebenfalls den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat, nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, nur noch über die Auferlegung der Kosten zu entscheiden. Nach § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Demnach hat das Gericht seiner Kostenentscheidung den mutmaßlichen Ausgang des Rechtsstreits ohne das erledigende Ereignis zugrunde zu legen. Einer eingehenden Prüfung der Rechtslage und der Entscheidung schwieriger Rechtsfragen bedarf es allerdings für die Kostenentscheidung nicht, da nur in einem summarischen Verfahren über die Kostentragungspflicht zu entscheiden ist (vgl. Beschluß des Senats vom 5. September 1989 VII R 52/89, BFH/NV 1990, 269, 270). Der Senat gelangt unter Abwägung dieser Gesichtspunkte zu dem Ergebnis, daß ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses ein Unterliegen des Antragstellers im vorliegenden Beschwerdeverfahren über den Erlaß einer einstweiligen Anordnung wahrscheinlich gewesen wäre. Er hält es deshalb für angemessen, diesem die Kosten des Verfahrens nach § 138 Abs. 1 FGO aufzuerlegen.

Es kann dahinstehen, ob die beantragte einstweilige Anordnung - wie das FG meint - schon deshalb unzulässig war, weil auch eine nur vorläufige Eintragung des W als Beratungsstellenleiter in das Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens vorweggenommen hätte. Jedenfalls fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes als Voraussetzungen für den vom Antragsteller begehrten einstweiligen Rechtsschutz (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).

Nach § 23 Abs. 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) i. d. F. des Vierten Gesetzes zur Änderung des StBerG vom 9. Juni 1989 (BGBl I, 1062) darf zum Leiter einer Beratungsstelle nicht bestellt werden, wer sich so verhalten hat, daß die Besorgnis begründet ist, er werde die Pflichten des Lohnsteuerhilfevereins nicht erfüllen. Es soll nach der nunmehr geltenden Gesetzesfassung nicht mehr ausreichen, daß die zu Beratungsstellenleitern bestellten Personen nur über die vorgeschriebene fachliche Qualifikation (§ 23 Abs. 3 Satz 1 StBerG) verfügen. Sie sollen auch eine Gewähr für ihre persönliche Zuverlässigkeit bieten (vgl. Mittelsteiner, Viertes Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1989, 403, 408). Denn die Hilfeleistung in Lohnsteuersachen durch die Lohnsteuerhilfevereine und die Personen, deren sich der Verein bedient, ist sachgemäß, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf Werbung auszuüben (§ 26 Abs. 1 und 3 StBerG). Personen, bei denen zu besorgen ist, daß sie nicht in diesem Sinne persönlich zuverlässig sind, dürfen nicht zum Beratungsstellenleiter bestellt und somit auch nicht als solche in das bei der zuständigen Aufsichtsbehörde geführte Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine (vgl. § 23 Abs. 6 StBerG) eingetragen werden.

Bei dem vom Antragsteller zum Leiter seiner Beratungsstelle vorgesehenen W war nach dessen vorausgegangenem Verhalten als Beamter der Finanzverwaltung die Besorgnis begründet, daß er die für den Lohnsteuerhilfeverein und seine Beschäftigten bestehenden Pflichten zur sachgemäßen und gewissenhaften Hilfeleistung in Lohnsteuersachen nicht erfüllen werde. Denn W hat bereits während seiner Tätigkeit in der Finanzverwaltung in zahlreichen Fällen für andere Steuerpflichtige Anträge auf Lohnsteuer-Jahresausgleich gefertigt, in denen die Besteuerungsmerkmale fehlerhaft angegeben und die beigefügten Lohnsteuerkarten und sonstigen Steuerbelege gefälscht waren. Er hat damit überhöhte Lohnsteuererstattungen bewirkt und daraus in Form von Geld- und Sachgeschenken seitens der Steuerpflichtigen seinen Vorteil gezogen. Es war zu besorgen, daß W dieses Verhalten, das zu seiner Entlassung als Beamter geführt hat, in ähnlicher Form und mit derselben Zielsetzung auch als Beratungsstellenleiter des Lohnsteuerhilfevereins fortsetzen würde. Dem steht nicht entgegen, daß er in dieser Funktion an der Bearbeitung der Erstattungsanträge selbst nicht mehr mitwirken konnte, denn auch die Fälschung von Lohnsteuerkarten und fehlerhafte Angaben in den Anträgen allein können zu überhöhten Erstattungen führen.

Der Antragsteller hat nicht dargetan und damit nicht glaubhaft gemacht, daß W nach seiner Bestellung zum Beratungsstellenleiter - entgegen seinem vorausgegangenen Verhalten, das erst kurze Zeit zurückliegt - gleichwohl die Gewähr für eine sachgemäße und gewissenhafte Hilfeleistung in Lohnsteuersachen für die Vereinsmitglieder bieten würde. Für die - fortbestehende - persönliche Unzuverlässigkeit des W spricht auch die Tatsache, daß dieser trotz der ausstehenden Eintragung in das Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine und eines entgegenstehenden Hinweises der OFD seine steuerberatende Tätigkeit in der Beratungsstelle bereits aufgenommen hatte. Für den Antragsteller ist somit ein Anspruch auf die begehrte vorläufige Eintragung seines Beratungsstellenleiters nicht dargetan.

Der Antragsteller hat für die beantragte einstweilige Anordnung auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er begehrte eine Regelungsanordnung im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO. Diese Vorschrift räumt dem Gericht keine schrankenlose Befugnis zum Erlaß einer einstweiligen Anordnung ein. Die in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ausdrücklich genannten Gründe (,,wesentliche Nachteile" und ,,drohende Gewalt") setzen Maßstäbe auch für die ,,anderen Gründe" im Sinne dieser Bestimmung. ,,Andere Gründe" rechtfertigen eine einstweilige Anordnung nur dann, wenn sie für die begehrte Regelungsanordnung ähnlich gewichtig und bedeutsam sind, wie ,,wesentliche Nachteile" oder ,,drohende Gewalt"; sie müssen so schwerwiegend sein, daß sie die einstweilige Anordnung unabweisbar machen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Januar 1983 I B 48/80, BFHE 137, 235, BStBl II 1983, 233, 236). Solche Anordnungsgründe sind im allgemeinen nur gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist.

Es kann dahinstehen, ob für einen Lohnsteuerhilfeverein als einer Selbsthilfeeinrichtung von Arbeitnehmern zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen für seine Mitglieder (§ 13 Abs. 1 StBerG) überhaupt eine Existenzbedrohung in diesem Sinne in Betracht kommt. Für den Antragsteller ist sie jedenfalls schon deshalb nicht erkennbar, weil es sich bei der Beratungsstelle, für die W als Beratungsstellenleiter vorgesehen war, nur um eine von sehr vielen Beratungsstellen des Lohnsteuerhilfevereins handelte, auf deren Eröffnung der Antragsteller - wie sein nachfolgendes Verhalten zeigt - offenbar auch ohne wesentliche wirtschaftliche Beeinträchtigung verzichten konnte. Im übrigen war es dem Antragsteller unbenommen, eine andere Person als Beratungsstellenleiter zu benennen, deren Zulassung keinen Bedenken begegnete und durch baldige Eintragung in das von der OFD geführte Verzeichnis hätte rechtswirksam werden können. Der Antragsteller unterhält auch - wie das FG ausgeführt hat - im Umkreis von B weitere Beratungsstellen, die die Vereinsmitglieder aus diesem Raum jedenfalls bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren hätten mitbetreuen können, ohne daß der Lohnsteuerhilfeverein und seine Mitglieder erkennbar unzumutbaren Beeinträchtigungen ausgesetzt gewesen wären.

Da der Senat nach der hier gebotenen summarischen Beurteilung die Ablehnung der beantragten einstweiligen Anordnung durch die Vorentscheidung bestätigt hätte, waren die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417380

BFH/NV 1991, 708

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