Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Bescheide über Feststellung des verrechenbaren Verlusts

 

Leitsatz (NV)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Bescheide über die Feststellung des verrechenbaren Verlusts gem. § 15a Abs. 4 EStG wird im Wege der Aussetzung der Vollziehung gewährt (BFH-Beschluß vom 2. März 1988 IV B 95/87, BFHE 152, 522, BStBl II 1988, 617). Antragsbefugt ist auch die KG, wenn der Bescheid mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte verbunden wird.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3; EStG § 15a Abs. 4

 

Tatbestand

Die Antragstellerin zu 1 ist eine GmbH & Co. KG, an der die Antragstellerin zu 2 als einzige Kommanditistin mit einer Hafteinlage von 18 000 DM beteiligt ist. Zum 31. Dezember 1989 wies die Antragstellerin zu 1 in ihrer Bilanz Verlustvorträge zu Lasten der Antragstellerin zu 2 in Höhe von rd. 694 500 DM aus. Im Streitjahr 1990 erbrachte die Antragstellerin zu 2 eine Einlage von 250 000 DM in das Gesellschaftsvermögen; von dem in diesem Jahr erzielten Gewinn entfielen 152 000 DM auf sie.

Der Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) hatte zum 31. Dezember 1989 den verrechenbaren Verlust der Antragstellerin zu 2 gemäß § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf 369 500 DM festgestellt. Zum 31. Dezember 1990 belief sich der verrechenbare Verlust lt. mit der Gewinnfeststellung verbundenem Bescheid vom 20. Oktober 1992 auf 217 500 DM.

Nachdem Einspruch und Klage gegen diesen Bescheid keinen Erfolg hatten, verfolgt die Antragstellerin zu 1 ihr Begehren nach Anerkennung eines ausgleichsfähigen Verlusts von 217 500 DM mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen und beim erkennenden Senat unter dem Az. IV R 2/95 anhängigen Revision weiter. Dort trägt sie vor, in analoger An wendung des § 15a Abs. 3 EStG seien ver rechenbare Verluste in ausgleichsfähige umzuwandeln, soweit eine nachträgliche Einlage geleistet werde. Dies folge aus dem Gleichheitssatz und dem Übermaßverbot. Die Berücksichtigung der Einlage im Zuge einer Liquidation sei nicht ausreichend.

Während des Verfahrens vor dem FG hatten die Antragstellerinnen bereits erfolglos Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids beantragt. Nach Erhebung der Revision und nach einer telefonischen Ablehnung eines erneuten Antrags an das FA, verbunden mit der Ankündigung weiterer Vollstrekungsmaßnahmen gegen die Antragstellerin zu 2, haben die Antragstellerinnen beim Bundesfinanzhof (BFH) einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Im Anschluß daran hat das FA den "Feststellungsbescheid" unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs und gegen Sicherheitsleistung mit der Maßgabe ausgesetzt, daß an Stelle eines Gewinnanteils von 152 000 DM von einem Verlustanteil in Höhe von 217 500 DM auszugehen ist.

Die Antragstellerinnen nehmen zu der erfolgten Aussetzung des Feststellungsbescheids keine Stellung. Sie tragen vor, die Nichtanerkennung eines ausgleichsfähigen Verlusts von 217 500 DM habe zu einer Steuerbelastung von rd. 128 500 DM geführt. Die Vollstrekungsmaßnahmen des FA hätten die Zahlungsunfähigkeit der Antragstellerin zu 2 und ihres Ehemannes zur Folge gehabt. Es beständen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids, wie sich aus dem Revisionsvorbringen ergebe.

Die Antragstellerinnen beantragen sinngemäß, die Vollziehung des Bescheids über die Feststellung des verrechenbaren Verlusts zum 31. Dezember 1990 mit der Maßgabe auszusetzen, daß für die Antragstellerin zu 2 ein ausgleichsfähiger Verlust von 217 500 DM angesetzt wird.

Das FA beantragt, den Antrag als unzulässig zu verwerfen.

Zur Begründung bezieht es sich auf das Vorbringen im Revisionsverfahren.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist statthaft. Wie der erkennende Senat mit Beschluß vom 2. März 1988 IV B 95/87 (BFHE 152, 522, BStBl II 1988, 617) entschieden hat, ist einstweiliger Rechtsschutz gegen einen Bescheid über die Feststellung des verrechenbaren Verlusts nicht im Wege der einstweiligen Anordnung, sondern im Wege der Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.

Neben der Antragstellerin zu 2 ist auch die Antragstellerin zu 1 antragsbefugt. Ebenso wie die Gesellschaft klagebefugt für eine Klage gegen den Bescheid über die Feststellung des verrechenbaren Verlusts ist, wenn wie im Streitfall die Feststellung der verrechenbaren Verluste mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte verbunden worden ist (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1995 IV R 23/93, BFHE 177, 71, BStBl II 1995, 467, m. w. N.), besteht auch eine Befugnis zu einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids.

Das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerinnen ist nicht durch die vom FA gewährte Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids entfallen. Der Senat kann offenlassen, welchen Bescheid das FA tatsächlich ausgesetzt hat. Soweit der diesbezüglich nicht eindeutige Verwaltungsakt den Gewinnfeststellungsbescheid betrifft, ergibt sich der Fortbestand des Rechtsschutzinteresses schon aus der fehlenden Nämlichkeit der Bescheide. Sollte sich die gewährte Aussetzung dagegen auf den Bescheid über die Feststellung der verrechenbaren Verluste beziehen, so besteht das Rechtsschutzbedürfnis deshalb fort, weil das FA nur unter Widerrufsvorbehalt ausgesetzt hat (vgl. BFH-Beschluß vom 12. Juni 1986 IX B 64/83, BFH/NV 1986, 682).

Die besondere Zugangsvoraussetzung für einen gerichtlichen Aussetzungsantrag nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist erfüllt, denn im Streitfall stand die Vollstreckung nicht nur bevor, sondern hatte bereits begonnen und sollte fortgesetzt werden.

2. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist jedoch nicht begründet, denn es bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO an der Rechtmäßigkeit des Bescheids über die Feststellung des verrechenbaren Verlusts zum 31. Dezember 1990. Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94 (BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226) entschieden, daß nachträgliche Einlagen eines beschränkt haftenden Gesellschafters nicht zur Umwandlung bislang verrechenbarer Verluste in ausgleichsfähige Verluste führen. Der Regelungsbereich des § 15a Abs. 3 EStG kann weder im Wege einer analogen Anwendung noch im Wege einer verfassungskonformen Auslegung auf nachträgliche Einlagen erweitert werden. Daß Einlageerhöhungen nicht zur Ausgleichsfähigkeit von Verlusten aus Vorjahren führen können, ist auch mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Deshalb hat der Senat auch die Revision IV R 2/95 mit Entscheidung vom heutigen Tage (BFH/NV 1997, 350) als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421976

BFH/NV 1997, 406

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge