Entscheidungsstichwort (Thema)
Kleine Beratungsstelle als häusliches Arbeitszimmer
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, ob ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG anzunehmen ist, ist in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beantworten.
2. Die Frage, an Hand welcher konkreten Merkmale eine kleine Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins von einer großen abzugrenzen ist, lässt sich zur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles entscheiden; maßgeblich ist, ob das Arbeitszimmer insgesamt gesehen in die private Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und zugleich der Kontrollmöglichkeit der Finanzbehörde entzogen ist oder nicht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6b
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 22.06.2005; Aktenzeichen 3 K 1358/03) |
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 22.06.2005; Aktenzeichen 3 K 2750/03) |
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 22.06.2005; Aktenzeichen 3 K 2806/00) |
Tatbestand
1. Mit ihren im Wesentlichen gleichlautenden Beschwerden verfolgen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) jeweils die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts. Das Finanzgericht (FG) hat die von der Klägerin genutzten Büroräume im Dachgeschoss ihres Einfamilienhauses als häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewürdigt und nur Aufwendungen in Höhe von 2 400 DM zum Abzug zugelassen. Erst bei einer Vielzahl von Besuchern sei davon auszugehen, dass das Zimmer nicht mehr in die private Sphäre eingebunden sei. Die Klägerin habe dort aber nur gelegentliche Beratungsgespräche geführt. Das Zimmer habe auch keine entsprechende Möblierung, etwa einen Beratungs- oder Konferenztisch, aufgewiesen und die Klägerin sei nach ihren Unterlagen zudem häufig selbst zu den Mandanten gefahren.
Entscheidungsgründe
2. Die Beschwerden sind unzulässig.
a) Gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision müssen innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des Urteils dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 FGO). Stützt sich die Beschwerde auf grundsätzliche Bedeutung, so ist darzulegen, dass die vom Beschwerdeführer aufgeworfene konkrete Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig ist. Im Allgemeinen besteht kein Klärungsbedarf mehr, wenn eine Rechtsfrage bereits vom BFH geklärt worden ist. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung verlangt ferner, dass sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzt (BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217, m.w.N.).
b) Diesen Anforderungen entsprechen die Beschwerden, die sich darauf beschränken, den Sachverhalt und die FG-Urteile wiederzugeben und Rechtsfragen zu formulieren, nicht.
Die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage, ob vorliegend ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG anzunehmen ist, das in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist, ist in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beantworten (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43). Dementsprechend hat das FG im Streitfall auch darauf abgestellt, dass das Büro der Klägerin über eine Treppe vom Eingangsbereich der Privatwohnung in offener Bauweise zu erreichen und für einen intensiven und dauerhaften Publikumsverkehr unzureichend ausgestattet war (vgl. z.B. auch BFH-Urteil vom 20. November 2003 IV R 3/02, BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203: Bestimmung für den Publikumsverkehr setzt danach voraus, dass der Raum über einen Eingangsbereich verfügt, der sich erkennbar von den privat genutzten Räumlichkeiten absetzt und keine unmittelbare räumliche Verbindung zu diesem aufweist).
Entsprechendes gilt für die von den Klägern aufgeworfene Frage, anhand welcher konkreten Merkmale eine kleine Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins im Sinne der Rechtsprechung anzunehmen sei, wie diese von einer großen Beratungsstelle abzugrenzen sei und ob bzw. wann auch eine Einstufung als mittelgroße möglich sei und wie diese dann nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zu beurteilen sei. Auch diese Fragen lassen sich nicht generell, sondern nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles entscheiden. Für die Einordnung als große oder reguläre Beratungspraxis oder Kanzlei kommt es insoweit nicht allein auf den räumlichen Zusammenhang eines beruflich oder betrieblich genutzten Raumes mit dem Haus oder der Wohnung des Steuerpflichtigen an, sondern ebenso darauf, in welcher Weise der Raum genutzt wird (BFH-Urteil vom 19. September 2002 VI R 70/01, BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139); entscheidend bleibt, ob das Arbeitszimmer insgesamt gesehen in die private Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und zugleich der Kontrollmöglichkeit der Finanzbehörde entzogen bleibt oder nicht (vgl. BFH-Urteil vom 23. September 1999 VI R 74/98, BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7).
c) Aus den Ausführungen zu b folgt weiter, dass die Beschwerde, soweit die Kläger die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO stützen, ebenfalls unzulässig ist. Denn auch für diesen Zulassungsgrund bedarf es der ausreichenden Darlegung einer klärungsbedürftigen, entscheidungserheblichen und klärungsfähigen Rechtsfrage (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 41).
Fundstellen
Haufe-Index 1484079 |
BFH/NV 2006, 721 |