Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung von Kunstgegenständen

 

Leitsatz (NV)

Vorlage an den EuGH: Tarifierung eines Kunstgegenstandes (,,Telefonbild")

 

Normenkette

Zolltarif (KN) Pos. 9703, 9701, 8306

 

Tatbestand

Streitig ist die Tarifierung einer 1922 von Laszlo Moholy-Nagy (1895 bis 1946) geschaffenen (datierten) ,,Konstruktion in Emaille I (Telefonbild)", bestehend aus einer etwa 955 x 610 mm großen, mit eingebrannten Email-Glasurfarben (rot-gelb / schwarz / grau) überzogenen Stahlplatte. Die ,,Konstruktion", die in verschiedenen Museen, zuletzt in einem niederländischen Museum, ausgestellt war, ist von der Klägerin, einer Galeristin in Köln, für 400 000 $ erworben worden. Nach der Einfuhr aus den Niederlanden wurde das Erzeugnis zur Lagerung in einem offenen Zollager abgefertigt.

Die beklagte Oberfinanzdirektion - OFD - erteilte der Klägerin auf deren Antrag eine verbindliche Zolltarifauskunft - vZTA - (. . . vom 7. Juli 1988). In dieser wurde die ,,Konstruktion" als ,,Ziergegenstand aus unedlem Metall" der Unterposition 8306 2990 des Zolltarifs (Kombinierte Nomenklatur) zugewiesen. Die Klägerin hat gegen die ihren Einspruch gegen die vZTA zurückweisende Entscheidung der OFD Klage erhoben. Sie hält die ,,Konstruktion", die auch nach Ansicht der OFD als Originalkunstwerk anzusehen ist, für ein ,,ähnliches dekoratives Bildwerk" der Position 9701 des Zolltarifs.

 

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften ab, nämlich solcher der Kombinierten Nomenklatur, hier insbesondere der Positionen 9701 und 9703. Ist die ,,Konstruktion" einer dieser Positionen zuzuordnen, so wird bei der Auslagerung der ermäßigte Einfuhrumsatzsteuersatz angewendet (§ 12 Abs. 2 Nr. 1, Anlage Nr. 53 des Umsatzsteuergesetzes); anderenfalls unterliegt sie der vollen Einfuhrumsatzsteuer.

Abschnitt XXI und Kapitel 97 des Zolltarifs betreffen ,,Kunstgegenstände", diese jedoch nur, soweit sie zu einer der in Betracht kommenden Positionen - 9701 bis 9703 - gehören. Sofern es sich um künstlerische Originalerzeugnisse handelt, sind die vorbezeichneten Positionen weit auszulegen (so zu den ihnen entsprechenden Tarifnummern des früheren Zolltarifs Gerichtshof, Urteil vom 15. Mai 1985 Rs. 155/84, Slg. 1985, 1 449, 1 456 f. - ,,Wandrelief" -).

Wie der Gerichtshof weiter entschieden hat, umfaßt die Tarifnummer 99.03 (jetzt Position 9703) alle dreidimensionalen künstlerischen Produktionen, ungeachtet der angewandten Technik und des verwendeten Materials. Es bestehen Zweifel, ob die ,,Konstruktion" diesen Anforderungen entspricht. Insgesamt ist sie zwar ein (dreidimensionaler) Körper; die eigentliche künstlerische Produktion stellt sich jedoch als Gestaltung einer (zweidimensionalen) Fläche auf der Stahlplatte dar. Zweifelhaft erscheint auch, ob die ,,Konstruktion" als (einer Collage) ,,ähnliches dekoratives Bildwerk" (ex Position 9701) angesehen werden kann. Ein solches Bildwerk muß nach den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur (zu Position 9701 - Harmonisiertes System - Randziffer 11.0) aus Stücken verschiedener Stoffe so zusammengesetzt sein, daß - auf einer Unterlage - ein Bild oder ein dekoratives Motiv entstanden ist. Um eine derartige Zusammensetzung handelt es sich hier nicht. Näher könnte es liegen, das Erzeugnis als ,,Gemälde, vollständig mit der Hand geschaffen" (Position 9701) zu beurteilen. Nach Angabe der Klägerin ist auf dem Stahl vom Künstler ,,Farbe aufgetragen und dann eingebrannt worden". Diese Technik hält die OFD nicht für unmittelbar vergleichbar mit der Malerei, weil die Farbgestaltung und damit die künstlerische Konzeption erst durch das Brennverfahren erkennbar geworden sei. Bei der gebotenen weiten Auslegung der Position 9701 erscheint indessen die Auffassung vertretbar, daß schon im Auftragen der Farbe das vollständige Schaffen eines Gemäldes mit der Hand zu sehen ist, unbeschadet der weiteren technischen Bearbeitung.

Wenn aber auch die Position 9701 ausscheidet, so dürfte nur übrigbleiben, die ,,Konstruktion" nach stofflicher Beschaffenheit zu tarifieren (vgl. auch Erläuterungen zu Kapitel 97 - Harmonisiertes System - Randziffer 06.0). In Betracht käme dann die Position 8306, obgleich die ,,Konstruktion" nicht als ,,Ausschmückungsgegenstand" (vgl. Erläuterungen zu Position 8306 - Harmonisiertes System - Randziffer 12.0) anzusehen ist.

Aus den vorstehenden Erwägungen hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist der Gemeinsame Zolltarif - Kombinierte Nomenklatur - dahin auszulegen, daß ein Kunstgegenstand wie die 1922 von L. Moholy-Nagy geschaffene ,,Konstruktion in Emaille I (Telefonbild)", bestehend aus einer etwa 955 x 610 mm großen, mit eingebrannten Email-Glasurfarben überzogenen Stahlplatte, als

a) ,,Originalerzeugnis der Bildhauerkunst" - Position 9703 - oder als

b) ,,ähnliches dekoratives Bildwerk" oder ,,Gemälde, vollständig mit der Hand geschaffen" - Position 9701 - zu tarifieren ist?

2. Verneinendenfalls: Ist der Gemeinsame Zolltarif - Kombinierte Nomenklatur - dahin auszulegen, daß ein Kunstgegenstand der in Frage 1 beschriebenen Art nach seiner stofflichen Beschaffenheit, hier als ,,Ziergegenstand aus unedlem Metall" (Position 8306), zu tarifieren ist?

 

Fundstellen

Haufe-Index 416473

BFH/NV 1989, 36

BFH/NV 1990, 203

BFHE 1990, 264

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