Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuersatz für die Lieferung von Tonträgern durch einen gemeinnützigen Verein
Leitsatz (NV)
Der Geschäftsbetrieb einer gemeinnützigen Körperschaft wird nur dann im Rahmen eines Zweckbetriebes verwirklicht, wenn er unentbehrliches Hilfsmittel ist, nicht aber, wenn die begünstigten Zwecke auch ohne den begünstigten Geschäftsbetrieb erfüllt werden können. Ob die Bedeutung des Geschäftsbetriebes im Einzelfall die Grenze des Zwecksbetriebes überschreitet, ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
Normenkette
UStG 1993 § 12 Abs. 2 Nr. 8; AO 1977 § 65 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist ein eingetragener Verein, der als Dachverband u.a. für Blaskapellen nach seiner Satzung kulturelle Zwecke durch die Pflege der Blas- und Volksmusik fördert. In einem Tonstudio stellte er Tonträger (Musikkassetten und CD's) mit Aufzeichnungen von Darbietungen der Musikkapellen seiner Mitgliedsvereine her, um die Musik zu bewahren und zu verbreiten. Die Kapellen der Mitgliedsvereine nahmen vertragsgemäß einen bestimmten Anteil der Tonträger zur Finanzierung der Herstellung ab. Ein anderer Teil der Tonträger wurde frei verkauft.
Die Umsätze aus der Lieferung der Tonträger an die Kapellen der Mitgliedsvereine meldete der Kläger in den Steuererklärungen für die Streitjahre 1994 bis 1996 zum ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 an. Dagegen besteuerte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) die bezeichneten Umsätze mit dem allgemeinen Steuersatz.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Es folgte der Ansicht des Klägers nicht, dass er die Umsätze im Rahmen eines steuerbegünstigten Zweckbetriebes (§ 65 der Abgabenordnung ―AO 1977―) ausgeführt habe und dass sie deshalb dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG 1993 unterlägen. Vielmehr habe der Kläger die entgeltliche Veräußerung der Tonträger sowohl an seine Mitglieder als auch an Dritte im Rahmen eines nicht begünstigten wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 14 AO 1977) ausgeführt.
Mit der Beschwerde beantragt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und wegen Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, jedenfalls unbegründet. Der Kläger hat keine Zulassungsgründe dargetan.
a) Dem Vorbringen des Klägers ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entnehmen, die eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO rechtfertigen könnte. Der Kläger strebt die Revision an, um eine Auslegung der in § 65 Nr. 1 AO 1977 enthaltenen Tatbestandsmerkmale zu erreichen, wonach ein Zweckbetrieb gegeben ist, wenn "der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen". Dabei seien Fragen des Kausalzusammenhangs zwischen der Gesamtrichtung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes und dem steuerbegünstigten Satzungszweck zu klären. Die Fragen ergäben sich insbesondere für die "Medientätigkeit" von gemeinnützigen Körperschaften.
Mit diesen Darlegungen hat der Kläger aber keine bestimmte ―abstrakte― klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausgestellt. Soweit die Vorschrift des § 65 Nr. 1 AO 1977 ausgelegt werden soll, verkennt der Kläger, dass in Rechtsprechung und Literatur über die wesentlichen Auslegungsergebnisse Einigkeit besteht (vgl. Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 65 AO Rz. 18 ff., mit zahlreichen Nachweisen) und nur die Begründungen und deren Zuordnung zu den Nummern 1 und 2 von § 65 AO 1977 Schwierigkeiten bereiten. Geklärt ist z.B., dass der Geschäftsbetrieb der gemeinnützigen Körperschaft nur dann im Rahmen eines Zweckbetriebes verwirklicht wird, wenn er "unentbehrliches Hilfsmittel" ist, nicht aber, wenn die begünstigten Zwecke auch ohne den Geschäftsbetrieb erfüllt werden können (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 23. Februar 1999 XI B 128/98, BFH/NV 1999, 1055, und XI B 130/98, BFH/NV 1999, 1089). Ob die Bedeutung des Geschäftsbetriebes im Einzelfall die Grenze des Zweckbetriebes überschreitet, ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
b) Soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) durch Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, weil das FG die in § 65 Nr. 1 und 2 AO 1977 geforderten Voraussetzungen in der mündlichen Verhandlung nicht mehr erörtert habe, genügt die Beschwerde nicht den gesetzlichen Voraussetzungen.
Der Kläger hat nicht ―was nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendig gewesen wäre― bezeichnet, was er bei ―aus seiner Sicht ausreichender― Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Mai 1994 VIII B 85/93, BFH/NV 1995, 142; vom 26. Januar 1994 II B 29/93, BFH/NV 1994, 730; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rz. 13, § 120 Rz. 38). Er hat auch nicht schlüssig dargelegt, weshalb es nicht möglich gewesen war, das, was er noch hätte vortragen wollen, bereits vor der mündlichen Verhandlung vorzubringen (vgl. zur Schlüssigkeit der Verfahrensrüge auch BFH-Beschluss vom 24. März 1995 VIII B 155/94, BFH/NV 1995, 908). Dabei handelt es sich um Fragen, um die bereits im Einspruchsverfahren mit dem FA gestritten wurde (vgl. Schreiben des FA an den Kläger vom 24. Februar 1998). Das FA hatte den Einspruch in der Einspruchsentscheidung vom 16. April 1998 zurückgewiesen, weil ―seiner Ansicht nach― die Voraussetzungen von § 65 Nr. 1 AO 1977 nicht gegeben seien. Es hätte somit ―auch nach den Ausführungen des FG in seinem zur Aussetzung der Vollziehung ergangenen Beschluss vom 8. Februar 1999― nahe gelegen, dass der Kläger seinen Rechtsstandpunkt vor der mündlichen Verhandlung umfassend schriftlich darlegte, so dass dem FG unabhängig von einer weiteren Erörterung in der mündlichen Verhandlung alle vom Kläger für wichtig erachteten Gesichtspunkte bekannt sein konnten. Weil diese Möglichkeit bestanden hatte, sind für eine Verletzung des rechtlichen Gehörs keine Anhaltspunkte vorhanden.
Fundstellen