Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH für einen Rechtsstreit wegen Anschaffungskosten bei vorweggenommener Erbfolge und Erbauseinandersetzung
Leitsatz (NV)
1. Prozeßkostenhilfe ist zu gewähren, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß die Klage Erfolg haben kann.
2. Die Frage, ob bei einer Grundstücksübertragung zur vorweggenommenen Erbfolgeregelung dem Erwerber Anschaffungskosten entstehen können, soll dem Großen Senat des BFH zur Entscheidung vorgelegt werden. Die Erfolgsaussichten einer Klage sind deshalb nicht unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des BFH zu verneinen.
3. Bei einer der Erbauseinandersetzung dienenden Grundstücksübertragung entstehen dem Erwerber - auch nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH - jedenfalls dann Anschaffungskosten, wenn er die zum Erwerb notwendigen Mittel nicht aus seinem Anteil an dem übrigen, noch nicht auseinandergesetzten Nachlaß aufbringen kann.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114 S. 1; EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, § 7b
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute.
Die Eltern des Antragstellers waren zu je ‹ Miteigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Den Anteil des Vaters erbten bei dessen Tod im Jahre 1982 die Mutter zu ‹ und die Schwester des Antragstellers und dieser selbst zu je 1/4.
Mit notariellem Vertrag vom 11. Juli 1984 erhielt der Antragsteller ,,teilungshalber" das Einfamilienhausgrundstück übertragen. Als ,,Übernahmepreis" wurde im notariellen Vertrag ein - durch ein Sachverständigengutachten ermittelter - Betrag von 230 000 DM angesetzt. Davon entfielen auf die Mutter 172 500 DM und auf den Antragsteller und seine Schwester je 28 750 DM. Die Mutter überließ den ihr zustehenden Betrag zu je ‹ ihren beiden Kindern. Der Antragsteller hatte damit für die Übertragung des Einfamilienhausgrundstücks an seine Schwester insgesamt 115 000 DM (86 250 DM und 28 750 DM) zu zahlen. Hierfür nahm er ein Darlehen auf.
Für das Streitjahr 1984 gaben die Antragsteller eine Einkommensteuererklärung ab. Im Zusammenhang mit dem von ihnen selbst genutzten Einfamilienhaus machten sie als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Schuldzinsen für das Darlehen und das Damnum (2 677 DM + 2 500 DM) und erhöhte Absetzungen nach § 7 b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (5 750 DM) geltend.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte es ab, einen Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, da das Grundstück unentgeltlich erworben worden sei. Die Einkommensteuererklärung der Antragsteller behandelte das FA als Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich und erließ einen Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid. Die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung lehnte es durch Bescheid vom . . . ab.
Hiergegen wendeten sich die Antragsteller nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit ihrer Klage und beantragten gleichzeitig, ihnen unter Beiordnung ihres Prozeßbevollmächtigten Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren.
Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag auf PKH wegen fehlender Erfolgsaussichten ab (§ 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). In Zusammenhang mit dem selbst genutzten Einfamilienhaus könne sich ein Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur durch die Inanspruchnahme von erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG ergeben (§ 21 a Abs. 3 Nr. 2 EStG). Diese kämen nur bei eigenen Anschaffungskosten der Antragsteller in Betracht. Hieran fehle es aber, weil das Einfamilienhausgrundstück teils im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung (Anteil der Mutter) und teils im Rahmen einer Erbauseinandersetzung (Anteil der Schwester) und damit unentgeltlich auf den Antragsteller übertragen worden sei.
Mit ihrer Beschwerde machen die Antragsteller geltend, ihre Klage habe hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Sie beantragen, ihnen PKH zu gewähren.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Nach § 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 ZPO ist PKH auf Antrag zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint und wenn der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für seinen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, wobei eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten nicht erforderlich ist. Von einer hinreichend erfolgsversprechenden Rechtsverfolgung ist bereits dann auszugehen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526, und Beschluß des erkennenden Senats vom 9. November 1987 IX B 60/87, BFH /NV 1988, 303).
Im Streitfall kann der Klage bei summarischer Prüfung eine gewisse Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden.
1. Dabei ist es unerheblich, daß der Antragsteller den seiner Mutter gehörigen Grundstücksanteil offensichtlich im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung mit der Verpflichtung erworben hat, einen Betrag von 86 250 DM an seine Schwester als sog. Gleichstellungsgeld zu zahlen. Der erkennende Senat hat zwar - wie das FG zutreffend ausführt - in seinem Urteil vom 26. November 1985 IX R 64/82 (BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161) die Auffassung vertreten, daß bei einer solchen Sachlage der Grundstückserwerb unentgeltlich erfolgt sei. Diese Rechtssprechung ist jedoch bei den FG und in der Literatur (vgl. z. B. die Nachweise bei Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 7 b Anm. 6 e und Schmidt, a.a.O., § 16 Anm. 6 b) wiederholt auf Kritik gestoßen. Dem Senat erscheint es geboten, die Rechtsfrage unter Würdigung der gegen seine Meinung vorgebrachten Argumente erneut zu überprüfen und er wird sie demnächst dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen (vgl. Schmidt, a.a.O., § 16 Anm. 6 b).
2. Im Streitfall ist auch unerheblich, daß der Antragsteller den seiner Schwester gehörigen Grundstücksanteil im Rahmen einer Erbauseinandersetzung erworben hat. Denn dies schließt es bei Erwerb von Privatvermögen nicht aus, eine dafür geleistete Zahlung als Anschaffungskosten zu berücksichtigen (Urteil des Senats vom 9. Juli 1985 IX R 49/83, BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722). Das FG beruft sich für seine gegenteilige Auffassung zu Unrecht auf diese Entscheidung. Denn im Urteil in BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722 hat der erkennende Senat die Entstehung von Anschaffungskosten beim Erwerb eines Privatvermögen betreffenden Miterbenanteils nur für den Fall verneint, daß der Erwerbende die dafür notwendigen Mittel aus einem ihm zustehenden Anteil am übrigen, noch nicht auseinandergesetzten Nachlaß aufbringen kann. Hierfür ergeben sich aus dem vorliegenden Sachverhalt keine Anhaltspunkte.
3. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es darüber befinden kann, ob auch die übrigen für die Bewilligung der PKH erforderlichen Voraussetzungen des § 114 ZPO im Streitfall erfüllt sind. Der Senat sieht davon ab, diese Prüfung selbst vorzunehmen, damit den Beteiligten nicht eine Instanz genommen wird (vgl. Beschluß des erkennenden Senats in BFH / NV 1988, 303, mit weiteren Nachweisen).
Fundstellen
Haufe-Index 416524 |
BFH/NV 1989, 783 |