Leitsatz (amtlich)
Wird der Rechtsstreit teilweise dadurch erledigt, daß die Behörde nach Klageerhebung dem Klagebegehren durch Berichtigungsbescheid teilweise entspricht, so hat die Behörde auch dann die Kosten des erledigten Teils zu tragen, wenn der Berichtigungsbescheid nach § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden und anschließend die Klage zurückgenommen worden ist.
Normenkette
FGO §§ 68, 136 Abs. 2, § 138 Abs. 2, § 144
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) führte im November 1964 aus Belgien Vollmilchpulver ein, für das die Abfertigungszollstelle Ausgleichsteuer unter Anwendung eines Steuersatzes von 4 % forderte. Den gegen die Abgabenbescheide gerichteten Einspruch wies der Beklagte und Beschwerdegegner (HZA) zurück. Nach Klageerhebung änderte die Abfertigungszollstelle den ursprünglichen Abgabenbescheid, legte der Abgabenberechnung einen Ausgleichsteuersatz von 3 % zugrunde und erstattete die zuviel erhobenen Abgaben. Die Beschwerdeführerin erklärte daraufhin mit Schriftsatz vom 20. Januar 1969 die Hauptsache in Höhe des erstatteten Betrages für erledigt, beantragte, dem HZA die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, und erklärte, daß wegen des unerledigten Teils das Gerichtsverfahren gegenüber dem neuen Bescheid fortzusetzen sei (§ 68 FGO).
Nachdem der BFH die Erhebung der Ausgleichsteuer in gleichgelagerten Verfahren für rechtmäßig erklärt hatte, erklärte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 24. November 1971, sie nehme ihre Klage "wegen des unerledigten Teiles" zurück; für den erledigten Teil bleibe es bei ihrem Antrag im Schriftsatz vom 20. Januar 1969.
Das FG stellte durch den angefochtenen, in den EFG 1973, 442, veröffentlichten Beschluß das Verfahren nach § 72 Abs. 2 FGO ein und legte der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens auf.
Gegen diesen Beschluß legte die Beschwerdeführerin Beschwerde mit der Begründung ein, der Schriftsatz vom 24. November 1971 sei jedenfalls insoweit eindeutig, als er nicht die Auslegung zulasse, daß die Beschwerdeführerin die gesamte Klage in vollem Umfang zurücknehmen wollte. Das FG hätte berücksichtigen müssen, daß nach der von ihm selbst vertretenen Auffassung eine Teilrücknahme unwirksam sei. Wenn man dieser Auffassung folge, so habe eine Rücknahme überhaupt nicht stattgefunden. Es bleibe dann die Möglichkeit, den Schriftsatz vom 24. November 1971 als eine Erledigungserklärung auch hinsichtlich des noch nicht erledigten Teils anzusehen und über die Kosten nach §§ 136 Abs. 1, 138 FGO zu entscheiden. Wenn das FG aber eine solche Auslegung nicht habe vornehmen wollen, so hätte es die Beschwerdeführerin nach § 76 Abs. 2 FGO zur Stellung der dann nach Auffassung des FG noch gebotenen Anträge veranlassen müssen. Ganz gewiß habe das FG aber nicht den Schriftsatz vom 24. November 1971 als eine Vollrücknahme auffassen und § 136 Abs. 2 in Verbindung mit § 144 FGO anwenden können.
Die Beschwerdeführerin weist auch auf den Wortlaut des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO hin. Danach seien die Kosten der Behörde aufzuerlegen, soweit ein Rechtsstreit dadurch erledigt werde, daß dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes stattgegeben werde. Daraus ergebe sich, daß der Gesetzgeber eine Teilerledigung durchaus vorgesehen habe und es für die Kostenfolge keinen Unterschied mache, ob der zunächst nicht durch Änderungsbescheid erledigte Teil sich durch Erledigungserklärung, durch Rücknahmeerklärung oder durch Urteil erledige (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1967 V B 33/67, BFHE 90, 367, BStBl II 1968, 98).
Mit seiner Auffassung von der Unteilbarkeit des Streitgegenstandes könne das FG alle gleichgelagerten Fälle auf bisher beschrittenen Wegen nicht lösen. Das widerspreche dem in § 136 FGO ausgedrückten, auch vom FG nicht bestrittenen, allgemein gültigen Grundsatz, daß die Kosten demjenigen aufzuerlegen seien, der im Ergebnis unterlegen sei bzw., soweit jeder Beteiligte im Ergebnis unterlegen sei, die Kosten zu teilen seien. Das FG hätte daher nicht auf halbem Wege stehenbleiben und sich damit zufriedengeben dürfen, daß hier für die Beschwerdeführerin nichts zu holen sei. Damit werde es dem Gesetzesauftrag nicht gerecht. Vielmehr hätte das FG das vom Gesetz vorgeschriebene Ergebnis auf anderem Wege zu erreichen suchen oder aber seine Auffassung überprüfen und notfalls revidieren müssen.
Die Beschwerdeführerin erstrebt sinngemäß die Abänderung der Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses dahin, daß ihr selbst nur 3/4 und dem Beklagten aber 1/4 der Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens auferlegt werden.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet.
Grundgedanke der Kostenverteilung ist, daß die Kosten den Beteiligten zur Last fallen, soweit sie im Ergebnis unterliegen (vgl. § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO). Im Streitfall hat die Verwaltung dem Klagebegehren zu 1/4 dadurch entsprochen, daß sie den angefochtenen Steuerbescheid nach Klageerhebung abänderte und der Erhebung der Ausgleichsteuer einen Steuersatz von 3 % - anstatt von 4 % wie im ursprünglichen Bescheid - zugrunde legte. Die Hauptsache war insoweit erledigt, wie die Beschwerdeführerin im Klageverfahren in ihrem Schriftsatz vom 20. Januar 1969 auch ausdrücklich erklärte. Es liegen somit die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO vor, wonach die Kosten der Behörde aufzuerlegen sind, soweit der Rechtsstreit dadurch erledigt wird, daß dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts stattgegeben wird.
Zu Unrecht beruft sich das FG darauf, daß eine Teilerledigung nur möglich sei, wenn das Klagebegehren teilbar ist. Dies gilt nicht bei der Anwendung der Kostenvorschriften. Der wesentliche Grundsatz dieser Vorschriften, daß die Beteiligten die Kosten zu tragen haben, soweit sie unterliegen, geht gerade von der Teilung des Verfahrensgegenstandes für die Kostenentscheidung aus. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 138 Abs. 2 FGO, wonach der Behörde die Kosten aufzuerlegen sind, "soweit" durch den Berichtigungsbescheid der Rechtsstreit erledigt ist.
Es ist zwar nicht möglich, eine dem § 138 Abs. 2 FGO entsprechende Kostenentscheidung unmittelbar nach Erlaß des Berichtigungsbescheides zu treffen, wenn das Verfahren im übrigen fortgesetzt wird. Diese Entscheidung kann vielmehr erst dann ergehen, wenn der Rechtsstreit insgesamt erledigt ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 1973 VII R 33/71, BFHE 111, 13, BStBl II 1974, 113). Nichts anderes besagen auch die Entscheidungen des FG München vom 10. Mai 1966 V 519-521/65 (EFG 1966, 379) und das FG Hamburg vom 14. Dezember 1967 II 274/64 (EFG 1968, 388), auf die sich die Vorentscheidung bezieht. Dieser Umstand kann aber nicht bedeuten, daß die Kostenfolge des § 138 Abs. 2 FGO wieder entfällt, wenn - wie hier - der Berichtigungsbescheid nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens wird und anschließend die Klage zurückgenommen wird. Zwar hat nach § 136 Abs. 2 FGO die Kosten zu tragen, wer eine Klage zurücknimmt. Das kann aber nur dann gelten, wenn die Klage in vollem Umfang zurückgenommen wird. Das ist im Streitfall aber nicht geschehen.
Der Vorentscheidung ist zwar insoweit zuzustimmen, daß mit dem Antrag der Beschwerdeführerin nach § 68 FGO allein der Berichtigungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Es ist auch richtig, daß sich die Klagerücknahme der Beschwerdeführerin auf diesen Bescheid in seinem vollen Umfang bezog, weswegen das Verfahren dadurch auch in vollem Umfang beendet worden ist. Das kann jedoch nicht bedeuten, daß damit auch im Sinne des Kostenrechts, das zur gerechten Verteilung der Kostenlast das gesamte Verfahren zu berücksichtigen hat, eine volle Klagerücknahme vorliegt, die nur die sich aus § 136 Abs. 2 FGO ergebende Kostenentscheidung zuläßt. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, daß bereits eine Teilerledigung im Sinne des § 138 Abs. 2 FGO mit den entsprechenden Kostenfolgen eingetreten ist, so daß sich die Kostenfolge des § 136 Abs. 2 FGO zwangsläufig nur noch auf den verbleibenden Rest beziehen kann.
Die gegenteilige Auffassung des FG würde auch dazu führen, daß für Fälle wie dem vorliegenden dem Kläger eine sinnvolle Gestaltungsmöglichkeit fehlte, zu der gewünschten und den Grundsätzen des Kostenrechts entsprechenden Kostenaufteilung zu kommen. Der vom FG der Beschwerdeführerin zur Kostenersparnis gewiesene Weg, den Berichtigungsbescheid selbständig anzufechten und das Verfahren über den berichtigten Bescheid aussetzen zu lassen, entspricht weder dem Sinn und Zweck des § 68 FGO noch der gebotenen Prozeßökonomie. Sinn und Zweck der in § 68 FGO getroffenen Regelung ist es, einerseits der Behörde zu ermöglichen, den angefochtenen Verwaltungsakt auch nach Klageerhebung zu ändern oder zu ersetzen, und andererseits den Kläger dadurch verfahrensrechtlich nicht schlechter zu stellen (BFH-Urteil vom 13. November 1973 VII R 32/71, BFHE 111, 10, BStBl II 1974, 111). Der Kläger wäre aber schlechter gestellt, müßte er - nur um Kosten zu sparen - das Verfahren gegen den Berichtigungsbescheid von vorne beginnen.
Die Beschwerdeführerin hatte auch nicht die Möglichkeit, die von ihr zu tragenden Kosten dadurch einzuschränken, daß sie nach Erlaß des Berichtigungsbescheids ohne Stellung eines Antrags nach § 68 FGO die Hauptsache insgesamt für erledigt erklärte oder nur eine solche Erklärung für den durch den Berichtigungsbescheid erledigten Teil abgab, im übrigen aber die Klage zurücknahm. Hätte die Beschwerdeführerin das getan, so wäre es zwar auch zu der von ihr gewünschten Kostenverteilung gekommen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. April 1968 VI B 47/67, BFHE 92, 469, BStBl II 1968, 608; V B 33/67).
Sie hätte dann aber auf die Fortführung des Rechtsstreits hinsichtlich des Berichtigungsbescheides verzichten müssen, was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wollte, sondern erst getan hat, nachdem eine mit ihrer Rechtsauffassung nicht vereinbare Entscheidung des BFH vorlag. Allein zweckentsprechend war daher, das zu tun, was die Beschwerdeführerin getan hat, nämlich den Antrag nach § 68 FGO zu stellen und später - nach Ergehen des BFH-Urteils - die Klage zurückzunehmen. Dem mußte auch eine den Grundsätzen des Kostenrechts entsprechende Kostenentscheidung Rechnung tragen.
Der Hinweis des FG auf § 144 FGO geht fehl. Das FG zieht aus der Regelung dieser Bestimmung, daß eine Entscheidung des Gerichts über die Kostentragungspflicht nur auf Antrag möglich ist, den Schluß, daß in einem solchen Fall eine Kostenteilung ausscheide, da sonst der Grundsatz verletzt sei, daß die Entscheidung, mit der die Kosten verteilt werden, von Amts wegen zu treffen ist. Die Vorentscheidung verkennt, daß sich hier, wie oben ausgeführt, die Kostenfolge nicht allein aus § 136 Abs. 2 FGO, sondern auch aus § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO ergibt. Soweit die letztgenannte Vorschrift anwendbar ist, ist in der Tat eine Kostenentscheidung von Amts wegen zu treffen. Zu Unrecht hat das FG sich auch auf den BFH-Beschluß vom 19. September 1969 III B 18/69 (BFHE 97, 233, BStBl II 1970, 92) berufen. Dieser Entscheidung liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde. Es war keine Teilerledigung nach § 138 Abs. 2 FGO eingetreten, sondern die Klage in vollem Umfang zurückgenommen worden. Der BFH sah sich deswegen gehindert, entgegen der Regelung des § 136 Abs. 2 FGO einem anderen Beteiligten wegen dessen Verschulden die Kosten nach § 137 Satz 2 FGO ganz oder teilweise aufzuerlegen.
Nach allem waren die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens entsprechend dem materiellen Ausgang des Rechtsstreits zu verteilen, d. h. zu 3/4 der Beschwerdeführerin und zu 1/4 dem Beschwerdegegner aufzuerlegen. Der angefochtene Beschluß war daher entsprechend zu ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 70677 |
BStBl II 1974, 748 |
BFHE 1975, 171 |