Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung von Fragen zur Geschäftsführerhaftung
Leitsatz (NV)
1. Auch ein Nachfolgegeschäftsführer ist nach § 34 Abs. 1 AO 1977 unabhängig von etwaigen Pflichtverletzungen seines Vorgängers verpflichtet, fällige Steuern, die er bei seinem Amtsantritt als Steuerrückstände der GmbH vorfindet, an das FA zu entrichten.
2. Solange der Haftungsschuldner seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflicht nach § 90 Abs. 1 und § 93 Abs. 1 AO 1977 nicht nachkommt, kann das FA die Haftungssumme im Wege der Schätzung ermitteln.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3; AO 1977 §§ 69, 34 Abs. 1, § 90 Abs. 1, § 93 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Berlin (Urteil vom 19.12.2003; Aktenzeichen 9 K 2120/00) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war zusammen mit dem Diplom-Kaufmann R Geschäftsführer einer GmbH. Dieses Amt legte er am 11. November 1992 nieder, um es am 6. Januar 1995 --nunmehr als alleiniger Geschäftsführer-- wieder aufzunehmen. Nach Beendigung eines Insolvenzeröffnungsverfahrens wurde der Kläger von der Gesellschafterversammlung der GmbH zum alleinigen Liquidator der Gesellschaft bestellt. Mit Haftungsbescheid vom 2. November 1998 nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger wegen rückständiger Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftsteuer nebst steuerlichen Nebenleistungen für 1993 bis 1996 als Haftungsschuldner in Anspruch. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Kläger den Haftungstatbestand des § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) in mehrfacher Hinsicht erfüllt habe. So habe er wiederholt in grob fahrlässiger Weise nicht dafür gesorgt, dass die GmbH Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Jahreserklärungen hinsichtlich Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftsteuer fristgerecht beim FA einreichte. Der Haftungszeitraum habe im Streitfall am 28. Februar 1995 begonnen, denn bis dahin hätten die Körperschaft- und Gewerbesteuer-Jahreserklärungen für 1993 spätestens abgegeben werden müssen. Entsprechende Erklärungen seien für die Jahre 1994 und 1995 überhaupt nicht abgegeben worden.
Darüber hinaus habe der Kläger keine Sorge getragen, dass die GmbH die geschuldeten Steuerbeträge an das FA abführte. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) hafte er auch für Rückstände, die in der Zeit der Vorgängergeschäftsführung entstanden und während seiner Amtszeit als Geschäftsführer nicht abgebaut worden seien. Da der Kläger trotz wiederholter Aufforderungen seiner Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren nachgekommen sei, sei es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das FA die Tilgungsquote für die Steuerforderungen im Wege der Schätzung mit 100 v.H. bemessen habe.
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde des Klägers, die er auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung stützt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zur Begründung führt er an, nicht im gesamten Haftungszeitraum, sondern erst ab dem 6. Januar 1996 für die GmbH als alleiniger Geschäftsführer tätig geworden zu sein. Daher könne er nicht für die Versäumnisse seines Vorgängers im Amte haftbar gemacht werden. Rückwirkende Angaben gegenüber dem FA habe er in dem kurzen Zeitraum von der Aufnahme der Geschäfte bis zum Beginn des Haftungszeitraumes nicht machen können. Darüber hinaus habe die GmbH nicht über die entsprechenden Mittel verfügt, so dass er die Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen nicht habe abgeben können. Vielmehr habe er eine marode GmbH übernommen, die kurz vor der Insolvenz gestanden habe. Zur Herausgabe der in seinem Besitz befindlichen Unterlagen sei er aufgrund der im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens verhängten Postsperre nicht mehr in der Lage gewesen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger einen Grund, der zur Zulassung der Revision führen könnte, nicht in der erforderlichen Weise (§ 116 Abs. 3 FGO) dargelegt hat.
Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Hat der BFH über die angesprochene Rechtsfrage bereits entschieden, so ist über die Auseinandersetzung mit der bestehenden Rechtsprechung hinaus zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. dann geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2003 III B 15/03, BFH/NV 2004, 166, m.w.N.).
Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Klägers nicht gerecht. Ohne konkrete Rechtsfragen herauszuarbeiten, denen eine Bedeutung für die Allgemeinheit zukommen soll, wird im Stil einer Revisionsbegründung die materiell-rechtliche Würdigung des Streitfalles durch das FG gerügt. Hierzu wird geltend gemacht, dass der Kläger das Amt des Geschäftsführers nicht über den gesamten Haftungszeitraum inne gehabt habe und die finanziellen Mittel auch nach der Aufnahme der Geschäfte nicht ausgereicht hätten, die rückständigen Steuerschulden zu begleichen. Mit diesen Einwänden gegen die materielle Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung wird jedoch kein Grund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargelegt, der zur Zulassung der Revision führen könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).
Darüber hinaus hat das FG zu Recht auf die Rechtsprechung des Senats hingewiesen, nach der auch ein Nachfolgegeschäftsführer nach § 34 Abs. 1 AO 1977 --unbeschadet einer zuvor bereits eingetretenen Pflichtverletzung seines Vorgängers-- verpflichtet ist, fällige Steuern, die er bei seinem Amtsantritt als Steuerrückstände der GmbH vorfindet, an das FA zu entrichten (vgl. Senatsentscheidungen vom 17. Januar 1989 VII R 88/86, BFH/NV 1990, 71, und vom 12. Mai 1992 VII R 15/91, BFH/NV 1993, 143). Mit dieser Rechtsprechung hat sich der Kläger auch nicht ansatzweise befasst und keine Argumente vorgetragen, die ihre Überprüfung in einem Revisionsverfahren geboten erscheinen ließen.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass das FA von seiner Schätzungsbefugnis Gebrauch machen kann, solange der Haftungsschuldner seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflicht nach § 90 Abs. 1 und § 93 Abs. 1 AO 1977 nicht nachkommt (vgl. Senatsentscheidungen vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322, und vom 25. Mai 2004 VII R 8/03, noch nicht in BFH/NV veröffentlicht). Eine Auseinandersetzung mit der --auch für den Streitfall bedeutsamen-- Senatsentscheidung in BFH/NV 2000, 1322 lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 1277718 |
BFH/NV 2005, 227 |