Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht
Leitsatz (NV)
Die Bestimmung einer Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht steht im Ermessen des Gerichts. Das Fehlen einer vom Gericht gesetzten Ausschlußfrist zur Vorlage der Vollmacht steht deshalb der Abweisung der Klage durch Prozeßurteil nicht entgegen, wenn die Prozeßvollmacht bis zur mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt wird.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 3, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1 (Klägerin) durch Prozeßurteil als unzulässig abgewiesen, weil trotz mehrfacher Aufforderung zur Vorlage der Prozeßvollmacht eine solche bis zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung, in dem für die Klägerin niemand erschienen war, nicht vorgelegt worden war. Es hat die Kosten des Verfahrens den als Bevollmächtigten aufgetretenen Rechtsanwälten (Beschwerdeführer zu 2) mit der Begründung auferlegt, daß diese als vollmachtlose Vertreter die Veranlassung zur erfolglosen Prozeßführung gegeben hätten. Gegen das Urteil des FG haben die Klägerin und ihre Prozeßbevollmächtigten Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung rechtlichen Gehörs, da das FG ihnen keine Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht gesetzt habe; ohne die Setzung einer Ausschlußfrist hätten sie nicht mit dem Ergehen eines Prozeßurteils rechnen müssen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Der Verfahrensfehler -- Verletzung rechtlichen Gehörs (§96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) --, auf den die Nichtzulassungsbeschwerde allein gestützt wird (§115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), ist nicht schlüssig gerügt (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO); denn die mit der Beschwerde vorgetragenen Tatsachen (§120 Abs. 2 Satz 2 FGO) sind nicht geeignet, eine Gehörsverletzung der Beschwerdeführer zu begründen.
Nach §62 Abs. 3 FGO ist im finanzgerichtlichen Verfahren die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen (Satz 1). Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen (Satz 2). Die Vollmacht kann nachgereicht werden; hierfür "kann" der Vorsitzende oder der Berichterstatter eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen (Satz 3). Die rechtzeitige Vorlage einer ordnungsgemäßen Prozeßvollmacht beim FG betrifft demnach die Wirksamkeit der Klageerhebung und ist damit positive Sachentscheidungsvoraussetzung (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §62 Rz. 2, m. w. N.). Fehlt es hieran, muß die Klage als unzulässig abgewiesen werden. Dabei ist es unerheblich, ob eine Ausschlußfrist gesetzt war oder nicht (Gräber/Koch, a. a. O.; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. Januar 1985 9 C 105/84, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1986, 650). Die Setzung einer Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht steht nach §62 Abs. 3 Satz 3 FGO im Ermessen des Gerichts. Der vollmachtlose Vertreter hat keinen Anspruch auf die Fristsetzung (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §62 FGO Tz. 12). Das Fehlen einer vom Gericht gesetzten Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht vor Erlaß des Prozeßurteils, auf das sich die Beschwerde allein beruft, vermag demnach im Streitfall den Verfahrensfehler der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht zu begründen.
Eine Gehörsverletzung in der Form der von der Beschwerde behaupteten Überraschungsentscheidung ist bereits deshalb nicht gegeben, weil das FG die Bevollmächtigten der Klägerin -- wie auch die Beschwerde einräumt -- wiederholt an die gesetzliche Verpflichtung zur Vorlage der Prozeßvollmacht erinnert hat. Die Klägerin und ihre Bevollmächtigten mußten deshalb davon ausgehen, daß die Klage durch Prozeßurteil abgewiesen werden würde, wenn die angeforderte Vollmacht nicht bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegt werden würde. Daß die Klägerin und die Bevollmächtigten zu dem Termin nicht ordnungsgemäß geladen worden seien, ihnen der Zeitpunkt der Entscheidung des FG also nicht bekannt gewesen sei, ist von der Beschwerde nicht vorgetragen worden. Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ist, nachdem für die Klägerin niemand erschienen war, die ordnungsgemäße Ladung ihrer Bevollmächtigten festgestellt worden. Aufgrund des vorliegenden Verfahrensablaufs mußten die Klägerin und ihre Bevollmächtigten somit damit rechnen, daß im Anschluß an die mündliche Verhandlung mangels Vorlage einer schriftlichen Prozeßvollmacht die Klage -- wie geschehen -- durch Prozeßurteil abgewiesen werden würde.
Da sowohl hinsichtlich der Klägerin als auch ihrer Bevollmächtigten, der Beschwerdeführer zu 2, der behauptete Verfahrensfehler nicht schlüssig gerügt worden ist, war die Nichtzulassungsbeschwerde insgesamt als unzulässig zu verwerfen, ohne daß es einer Prüfung bedurfte, ob die Prozeßbevollmächtigten -- etwa im Hinblick auf die gegen sie ergangene Kostenentscheidung des FG -- überhaupt beschwerdebefugt waren.
Fundstellen
Haufe-Index 67134 |
BFH/NV 1998, 728 |