Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbescheid gegen tatsächlich nicht existierenden Steuerschuldner
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, ob (Steuer-)Bescheide als unwirksam anzusehen sind, wenn sie gegen einen tatsächlich nicht existierenden Steuerschuldner gerichtet sind, ist durch Rechtsprechung des BFH bereits geklärt.
2. Eine in der NZB als grundsätzlich bezeichnete Frage ist im Revisionsverfahren nicht klärbar, wenn das FG seine Entscheidung vorrangig auf eine andere Begründung gestützt hat.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 §§ 124-125
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) betrieb in den Streitjahren (1978 bis 1980) ein Unternehmen. Das Unternehmen wurde bis einschließlich 1980 als Einzelunternehmen geführt und zum 1. Januar 1981 in eine GmbH umgewandelt.
Anläßlich einer im Jahr 1983 durchgeführten Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Ansicht, daß in den Streitjahren die steuerlichen Voraussetzungen für eine faktische Mitunternehmerschaft zwischen dem Kläger und seinem Angestellten M vorgelegen hätten. Nach Auffassung des Prüfers bestand eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafter angeblich der Kläger und M waren.
Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) folgte der im Bericht vom 20. Februar 1984 dargestellten Auffassung des Prüfers und erließ Umsatzsteuer- und Gewerbesteuer-Meßbescheide gegen die GbR, jeweils für die Streitjahre (1978 bis 1980). Außerdem stellte das FA den Einheitswert des Betriebsvermögens der GbR für den gesamten Zeitraum fest, jeweils unter Aufführung des Klägers und des M als Miteigentümer des Betriebs.
Das Finanzgericht (FG) verband zwei nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingegangene Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Eine Klage war im Namen der GbR, vertreten durch den Kläger, anhängig gemacht worden, die andere durch Frau I als Gesamtrechtsnachfolgerin von M. Im Rubrum des Verbindungsbeschlusses des FG wurden die Kläger wie folgt bezeichnet:
...
Im Laufe des Klageverfahrens erzielten die Beteiligten Einvernehmen, daß an der faktischen Mitunternehmerschaft des M nicht festgehalten werden könne, die angenommene GbR mithin nicht existiere und damit den gegen diese ergangenen Steuerbescheiden die Grundlage entzogen sei. Dementsprechend hob das FA mit Bescheid vom 27. Januar 1989 die "gegen die Firma ... GbR" ergangenen Gewerbesteuer-Meßbescheide, Umsatzsteuerbescheide und Feststellungsbescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf. Im Rubrum des auf die Hauptsacheerledigung folgenden Kostenbeschlusses bezeichnete das FG die Klägerseite in gleicher Weise wie in dem Verbindungsbeschluß vom 28. Januar 1987.
Das FA erließ nunmehr folgende Steuerbescheide:
1. Umsatzsteuerbescheide 1978 bis 1980 vom 17. Juli 1989 gegenüber dem Kläger.
2. Gewerbesteuer-Meßbescheide 1978 und 1979 vom 2. August 1989 und Gewerbesteuer-Meßbescheid 1980 vom 20. Juli 1989 gegenüber dem Kläger.
Das FA stützte die Bescheide unter 1. und 2. auf § 174 der Abgabenordnung (AO 1977).
3. Erstmalige Feststellungsbescheide über den Einheitswert des gewerblichen Betriebs auf den 1. Januar 1978, 1. Januar 1979 und 1. Januar 1980 vom 17. Juli 1989 gegenüber dem Kläger.
Die Bescheide unter 1.--3. wurden im Verlauf des Rechtsbehelfsverfahrens zum Teil nach § 172 AO 1977 geändert.
Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage im wesentlichen statt. Zur Begründung führte es aus, die Änderung der Umsatzsteuer- und Gewerbesteuer-Meßbescheide 1978 bis 1980 gegenüber dem Kläger im Anschluß an den Aufhebungsbescheid vom 27. Januar 1989 habe bereits deshalb nicht auf § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 gestützt werden können, weil die gegenüber der nicht existierenden GbR ergangenen Umsatzsteuer- und Gewerbesteuer-Meßbescheide 1978 bis 1980 unwirksam gewesen seien. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei § 174 Abs. 4 AO 1977 nicht anzuwenden, wenn der aufgrund irriger Beurteilung eines Sachverhalts ergangene und vom FA wieder aufgehobene Steuerbescheid unwirksam gewesen sei. Außerdem scheitere die Änderungsbefugnis des FA nach § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 daran, daß der Kläger als ein von der GbR als Inhaltsadressatin der aufgehobenen Bescheide zu unterscheidender Dritter i. S. des § 174 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 an dem zur Aufhebung der fehlerhaften Steuerbescheide führenden Verfahren nicht beteiligt gewesen sei.
Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des FA, die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) gestützt wird.
Der Kläger ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nur in Betracht wegen einer klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn eine Rechtsfrage bereits durch eine Entscheidung des BFH geklärt worden ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (vgl. BFH-Beschluß vom 21. September 1994 V B 195/93, BFH/NV 1995, 487; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Auflage, § 115 Rdz. 8, 9, m. w. N.). Für die Klärbarkeit der Rechtsfrage genügt es nicht, daß eine Klärung theoretisch möglich ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdz. 11). Vielmehr muß die Klärung zu erwarten sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Rechtsfrage hinweggedacht werden kann, ohne daß das Urteil entfiele. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn das FG seine Entscheidung noch auf einen weiteren Rechtsgrund gestützt hat, hinsichtlich dessen ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist (vgl. Senats-Beschluß vom 16. Februar 1994 V B 83/93, BFH/NV 1995, 602, m. w. N.).
a) Die vom FA als grundsätzlich bedeutsam herausgestellte Frage, ob (Steuer-)Bescheide als unwirksam anzusehen sind, wenn sie gegen einen tatsächlich nicht existierenden Steuerschuldner gerichtet sind, ist durch Rechtsprechung des BFH bereits geklärt (vgl. BFH-Urteile vom 18. September 1980 V R 175/74, BFHE 132, 348, BStBl II 1981, 293, und vom 10. April 1987 III R 202/83, BFHE 150, 1, BStBl II 1988, 165). Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen, sind nicht ersichtlich.
b) Die Klärung der weiter vom FA aufgeworfenen Frage, ob die Klägerbezeichnung durch das FG in einem Beschluß über die Verbindung zweier Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung bindend ist mit der Folge, daß die in diesem Beschluß als Kläger bezeichneten Personen als Beteiligte i. S. des § 174 Abs. 5 AO 1977 anzusehen sind, ist im Streitfall nicht zu erwarten. Denn das FG hätte die Klage auch dann abgewiesen, wenn es die aufgeworfene Rechtsfrage im Sinn der Rechtsauffassung des FA beantwortet hätte. Das FG hätte die Antwort auf die Frage sogar dahingestellt sein lassen können, weil es seine Entscheidung vorrangig darauf gestützt hat, daß § 174 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 nach ständiger Rechtsprechung des BFH schon nicht zur Anwendung kommt, wenn der aufgrund irriger Beurteilung eines Sachverhalts ergangene und vom FA wieder aufgehobene Steuerbescheid -- wie im Streitfall -- unwirksam war.
Außerdem hat nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht der Kläger gegen die an die GbR adressierten Steuerbescheide geklagt, sondern die GbR selbst, vertreten durch den Kläger. Durch Rechtsprechung des BFH ist geklärt, daß eine Beteiligung i. S. des § 174 Abs. 5 AO 1977 außerhalb einer förmlichen Hinzuziehung oder Beiladung -- etwa unter dem Gesichtspunkt "Gesellschafteridentität" -- nicht angenommen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817 unter II. 3. a).
Die Feststellung des FG, der Kläger habe das Verfahren, das zur Aufhebung der Steuerbescheide gegen die GbR geführt hat, nicht selbst, sondern als Vertreter der GbR betrieben, ist vom FA nicht angegriffen worden.
2. Im übrigen ergeht die Entscheidung ohne Angabe von Gründen (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen