Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung; Durchführung eines Erörterungstermins und Übertragung auf den Einzelrichter
Leitsatz (NV)
Wird den zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat erschienenen Beteiligten vor Aufruf der Sache mitgeteilt, daß ein ehrenamtlicher Richter nicht erschienen ist, und wird sodann im Einverständnis mit den Beteiligten und unter Verzicht auf Ladungsfristen die Sache zunächst erörtert, kann die Sache später ohne Verfahrensverstoß auf den Einzelrichter übertragen werden.
Normenkette
FGO § 6 Abs. 2, § 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; ZPO § 220 Abs. 1, § 227 Abs. 1, § 295
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. a) Die Verfahrensweise des Finanzgerichts (FG) anläßlich des Termins vom 10. Oktober 1995 war nicht fehlerhaft. Das FG hat weder in falscher Besetzung entschieden noch gegen §6 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen.
Zwar waren die Beteiligten an diesem Tag zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat geladen. Diese mündliche Verhandlung hat jedoch nicht stattgefunden. Sie hätte erst mit dem Aufruf der Sache begonnen (§220 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung -- ZPO -- i. V. m. §155 FGO). Ausweislich des Sitzungsprotokolls ist die Sache aber nicht aufgerufen worden, sondern den Beteiligten ist mitgeteilt worden, daß ein ehrenamtlicher Richter nicht erschienen war. Daraufhin haben sich die Beteiligten unter Verzicht auf jegliche Ladungsfristen damit einverstanden erklärt, daß die Streitsache zunächst erörtert wurde. Mit dieser Verfahrensweise war klargestellt, daß der Termin zur mündlichen Verhandlung aus einem erheblichen Grund aufgehoben (§227 Abs. 1 ZPO i. V. m. §155 FGO) und statt dessen ein Erörterungstermin anberaumt war (§79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGO), wobei die Beteiligten auf die Einhaltung der gesetzlichen Ladungsfrist in zulässiger Weise verzichtet haben (§295 Abs. 1 ZPO i. V. m. §155 FGO). Dementsprechend war die spätere Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter Rechtens.
b) Im übrigen sind die behaupteten Verfahrensfehler schon nicht schlüssig dargelegt (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Die Rüge, das FG habe den Sohn der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als Parteivertreter gehört, aber nicht förmlich als Zeugen vernommen, ist schon deshalb unschlüssig, weil ausweislich der Sitzungsprotokolle die Kläger weder im Termin vom 10. Oktober 1995 noch in einem späteren Termin einen entsprechenden Beweisantrag gestellt haben (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. Juni 1988 VII R 135/85, BFHE 153, 393, BStBl II 1988, 841; vom 26. Februar 1985 VII R 137/81, BFH/NV 1986, 136).
Auch die Rüge, die Aussage des Sohnes der Kläger sei nicht in die Würdigung des finanzgerichtlichen Urteils eingeflossen, reicht für sich allein zur Darlegung eines Verfahrensfehlers nicht aus. Zwar beinhaltet das Recht der Prozeßbeteiligten auf Gehör die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und §96 Abs. 2 FGO sind aber erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, daß das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (BFH-Beschlüsse vom 15. Juni 1994 II B 172/93, BFH/NV 1995, 131; vom 20. Dezember 1994 V B 3/94, BFH/NV 1995, 946).
Das Vorbringen, das FG sei -- im Widerspruch zur Anlage zum Einkommensteuerbescheid -- zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Gesamtbetrag der strittigen Werbungskosten ausschließlich den Restbuchwert des Gebäudes und die Abbruchkosten umfaßt habe, versteht der Senat als Rüge der Verletzung des §96 FGO, weil das FG wesentliche Teile der Akte nicht berücksichtigt habe. Diese Rüge ist jedoch unzulässig. Es hätte nicht nur des Hinweises auf die Anlage zum Einkommensteuerbescheid bedurft; die Kläger hätten darüber hinaus im einzelnen darlegen müssen, aus welchem Vorbringen im finanzgerichtlichen Verfahren sich Tatsachen ergeben, die den Schluß ermöglichen, daß die Kosten für Ausweichquartiere und die "übrigen Kosten" nicht in Zusammenhang mit der Errichtung des neuen Gebäudes stehen. Zwingend war eine solche Beurteilung nicht. Die Rüge, das FG habe falsch entschieden, kann nicht mit Erfolg im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §115 Anm. 27, m. w. N.).
2. Die Abweichung der angefochtenen Entscheidung von einer Entscheidung des BFH ist schon deshalb nicht schlüssig gemäß §115 Abs. 3 Satz 3 FGO gerügt, weil die Kläger keine einander widersprechenden Rechtssätze darlegen, sondern mit ihrem Vorbringen, die Möglichkeit zur besseren Ausnutzung des Grundstücks durch einen Neubau habe sich erst nach dem Erwerb des Gebäudes überraschend ergeben, einen Sachverhalt zugrunde legen, der der Sachverhaltswürdigung durch das FG widerspricht.
3. Auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht schlüssig gerügt. Die Kläger haben schon nicht dargelegt, inwieweit die von ihnen aufgeworfene Frage, ob eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung zu versagen ist, wenn das abgebrochene Gebäude technisch noch nicht verbraucht war, im Streitfall überhaupt entscheidungserheblich ist. Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Anscheinsbeweis entkräftet ist, ist die grundsätzliche Bedeutung ebenfalls nicht schlüssig dargelegt, weil sich für diese -- im Einzelfall von der Sachverhaltswürdigung des FG abhängige -- Frage keine allgemeinen Rechtsgrundsätze aufstellen lassen.
4. Eine weitere Begründung ist nicht erforderlich (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen
Haufe-Index 302927 |
BFH/NV 1998, 1500 |