Leitsatz (amtlich)
Hat sich im finanzgerichtlichen Verfahren die Hauptsache dadurch erledigt, daß entsprechend den Anträgen des Steuerpflichtigen der angefochtene Verwaltungsakt zurückgenommen oder geändert worden ist, so ist über die Kosten des Verfahrens unter Anwendung des § 138 Abs. 1 FGO zu entscheiden, wenn die Zurücknahme oder Änderung des Bescheides darauf beruht, daß die hierfür notwendigen Voraussetzungen erst während der Dauer des Verfahrens vor dem FG eingetreten oder geschaffen worden sind.
Normenkette
FGO § 138 Abs. 1-2
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin, zu gleichen Teilen mit ihren beiden Schwestern Erbin nach ihrer 1963 verstorbenen Mutter, hatte gemeinsam mit ihren beiden Miterbinnen einen Antrag auf Aufteilung der auf dem Nachlaß lastenden Vermögensabgabe gestellt, die anders als nach den 1/3-Erbanteilen auf die Miterben verteilt werden sollte. Als das FA abweichend von diesem Antrag die Aufteilung des auf 495,35 DM festgesetzten Vierteljahrsbetrages der Vermögensabgabe in der Weise durchführte, daß es den Vierteljahrsbetrag gleichmäßig mit je 165,10 DM bzw. 165,15 DM auf die drei Erbinnen verteilte, legte die Klägerin mit Zustimmung des Vorstehers des FA Sprungberufung gegen den Aufteilungsbescheid des FA ein. Nachdem das FG dieses Verfahren durch Beschluß vom 11. Juni 1964 mit dem Verfahren über die Berufung der Miterbin A. verbunden hatte, fanden die beiden Rechtsmittel dadurch ihre Erledigung, daß das FA am 10. April 1969 einen gemäß § 94 AO geänderten Aufteilungsbescheid erließ, in dem die Aufteilung nunmehr entsprechend dem Aufteilungsantrag der Miterbinnen durchgeführt wurde. Nach der übereinstimmenden Erklärung der Beteiligten, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei, erging am 22. April 1969 ein Beschluß des FG, durch den die Kosten des Rechtsstreits den beiden Klägerinnen auferlegt wurden.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Klägerin, zu deren Begründung ausgeführt wird, daß nach der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache die Kostenentscheidung gemäß § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen getroffen werden solle. Dabei sei zu berücksichtigen, ob der Antragsteller ein schutzwürdiges Interesse an der Anrufung des Gerichts gehabt habe. Das sei zu bejahen, da ohne Klageerhebung der Aufteilungsbescheid vom 22. Januar 1964 Rechtskraft erlangt haben würde, bevor festgestanden habe, ob die Beigeladene Anspruch auf Vermögensabgabeerlaß wegen Vermögensverfalls haben werde. Nach der Entscheidung des BFH V B 12/66 vom 14. Dezember 1967 (HFR 1968, 282) könne zwar auch die Vorschrift des § 137 Satz 1 FGO berücksichtigt werden mit der Folge, daß einem obsiegenden Beteiligten im Falle verspäteten Vorbringens die Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden könnten. Doch setze deren Anwendung voraus, daß das verspätete Vorbringen auf Verschulden beruhe. Im Streitfall sei beides zu verneinen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Sache ist auf Grund der übereinstimmenden Erklärungen sämtlicher Beteiligten erledigt.
Das FG hatte deshalb nur noch durch Beschluß über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diese Entscheidung hat das Gericht gemäß § 138 Abs. 1 FGO im allgemeinen nach billigem Ermessen zu treffen, sofern nicht auf Grund der Vorschriften des § 138 Abs. 2 FGO in den dort genannten Fällen die Kosten des Verfahrens ohne weiteres der Behörde aufzuerlegen sind. Obwohl tatbestandsmäßig auf den ersten Blick ein Anwendungsfall des § 138 Abs. 2 FGO insofern vorzuliegen scheint, als der vom FA nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderte Aufteilungsbescheid vom 10. April 1969 inhaltlich in vollem Umfang dem Aufteilungsantrag der Klägerinnen vom 19. September 1963 entspricht, hat das FG die Kosten des Verfahrens mit Recht nicht der Behörde, sondern den Klägerinnen auferlegt.
Das FG hat seine Entscheidung nicht unter Hinweis auf die in § 138 Abs. 2 Satz 3 FGO vorgesehene Möglichkeit sinngemäßer Anwendung des § 137 FGO damit begründet, daß die den Anträgen der Klägerinnen entsprechende Änderung des angefochtenen Aufteilungsbescheides auf Tatsachen beruhe, die die Klägerinnen früher hätten geltend machen können und müssen. Es erübrigt sich deshalb, auf die Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen eine sinngemäße Anwendung des § 137 FGO im Streitfall näher einzugehen.
Das FG hat aber aus anderen Gründen zutreffend nicht die Vorschrift des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO angewendet, sondern die Entscheidung über die Kosten nach billigem Ermessen getroffen (§ 138 Abs. 1 FGO.)
Die Kostenentscheidung wäre nur dann nach der Vorschrift des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO zu treffen, wenn und soweit durch die Aufhebung oder Änderung des Verwaltungsakts dem Antrag des Abgabepflichtigen stattgegeben wurde. Die Bedeutung dieser Einschränkung ergibt sich aus dem Zusammenhang der Vorschrift des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO mit dem Gesamtinhalt der in § 138 FGO zum Ausdruck gelangten Rechtsnormen. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift soll über die Kosten eines in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits grundsätzlich unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entschieden werden. Das bedeutet, daß der Kostenentscheidung der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits im Falle seiner Nichterledigung zugrunde zu legen ist. Von diesem Grundsatz will auch die in § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO getroffene Regelung keine Ausnahme machen; sie beruht vielmehr auf der Erwägung, daß in Fällen, in denen die Behörde von sich aus dem Klagebegehren stattgibt, regelmäßig davon ausgegangen werden kann, daß die Klage ohne diese Abhilfe zum Erfolg geführt haben würde. Da aber die Klage eines Abgabepflichtigen nur dann Erfolg haben kann, wenn der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig erlassen ist und den Pflichtigen in seinen Rechten verletzt, so muß auch die Vorschrift des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO dahin verstanden werden, daß dem Antrag des Abgabepflichtigen im Sinne des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO nur dann stattgegeben ist, wenn durch die Aufhebung oder Änderung dieses Verwaltungsakts dem mit der Klage geltend gemachten Einwand seiner Rechtswidrigkeit Rechnung getragen wird. Die Vorschrift ist deshalb nicht anwendbar, soweit die Behörde den Verwaltungsakt aus Gründen ändert, die mit der vom Abgabepflichtigen erhobenen Anfechtungsklage nicht oder jedenfalls noch nicht geltend gemacht werden konnten.
Diese Auffassung ist vom VII. Senat des BFH in dem Beschluß VII K 13/68 vom 3. Februar 1970 (BFH 98, 328, BStBl II 1970, 328f.) vertreten worden (vgl. auch Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Tz. 5 zu § 138 FGO; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Tz. 21 zu § 138 FGO). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Danach ist im Streitfall § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht anzuwenden, weil das FA mit der Abänderung des angefochtenen Aufteilungsbescheides nicht die geltend gemachte Rechtswidrigkeit dieses Bescheides anerkannt, sondern vielmehr dem durch die Erklärung der Beigeladenen vom 5. März 1969 herbeigeführten Wegfall des dem Aufteilungsantrag entgegenstehenden Hindernisses und der damit veränderten Sachlage Rechnung getragen hat.
Die Kostenentscheidung des FG war daher nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes zu treffen. Diesen Erfordernissen des § 138 Abs. 1 FGO genügt die Kostenentscheidung des FG.
Denn der ursprüngliche von den Anträgen der Klägerinnen abweichende Aufteilungsbescheid des FA war nicht rechtswidrig erlassen worden, da der Aufteilung der Vermögensabgabe in der beantragten Form der Umstand entgegenstand, daß die als Miterbin später Beigeladene B. bereits am 2. Mai 1963 Antrag auf Erlaß der Vermögensabgabe wegen Vermögensverfalls gestellt hatte und deshalb objektiv die Gefahr einer Verschlechterung der Aussichten für die Verwirklichung des Abgabeanspruchs bestand. Gemäß § 67 Abs. 2 LAG wäre deshalb eine Aufteilung der Vermögensabgabe überhaupt unstatthaft gewesen, wenn nicht unter Berücksichtigung des Erlasses des BdF IV C/4 - LA 2363 - 1/63 vom 4. Dezember 1963 nach Karte 3 der LA-Kartei zu § 67 LAG wenigstens die Aufteilung der Vermögensabgabe nach dem Verhältnis der Erbteile auch ohne Rücksicht auf eine Gefährdung der Abgabe hätte durchgeführt werden können. Da die Aufteilung der übergegangenen Vermögensabgabe für die Erben in jedem Falle nur von Vorteil ist, weil sie von der Aufteilung an nicht mehr als Gesamtschuldner die gesamte auf dem Nachlaß lastende Vermögensabgabe schulden, sondern nur noch den auf den einzelnen Erben entfallenden Aufteilungsbetrag, bedeutet es auch keine Verletzung der Reschtsstellung der Klägerinnen, daß das FA die Aufteilung überhaupt, wenn auch in anderer Weise als beantragt durchgeführt hat. Unter diesen Umständen hätte die Klage im Zeitpunkt ihrer Erhebung nach dem damaligen Sach- und Streitstand keinen Erfolg haben können. Es bedeutet aber auch kein Obsiegen der Klägerinnen, wenn das FA nach der von ihm verlangten Sicherstellung der Vermögensabgabe durch die Beigeladene, mit der die Gefährdungslage für die Abgabeschuld beseitigt worden ist, nunmehr den Aufteilungsbescheid entsprechend dem Antrag der Klägerinnen geändert hat.
Das FG hat somit das billige Ermessen nicht verletzt, wenn es unter Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes die Kosten des Verfahrens den Klägerinnen auferlegt hat. Die Beschwerde war deshalb mit der Kostenfolge aus § 135 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 69680 |
BStBl II 1972, 955 |
BFHE 1972, 416 |