Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzureichend begründete Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (NV)
- Der Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens kann nicht dazu dienen, eine ausreichend substantiierte Klagebegründung zu ersetzen.
- Die Frage, ob es ermessensfehlerhaft ist, wenn das FA unmittelbar auf ein Geschäftskonto zugreift, ohne zuvor andere Vollstreckungsmöglichkeiten auszuschöpfen, kann sich nicht als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellen, wenn das FG über diese Frage mangels entsprechenden Vortrags des Betroffenen in seinem Urteil nicht befunden hat.
- Vom FG übersehene Rechtsfragen können im Regelfall weder den Zulassungsgrund der Divergenz noch den der grundsätzlichen Bedeutung begründen. Hinsichtlich der grundsätzlichen Bedeutung gilt dies jedenfalls insoweit, als sich das FG mit der betreffenden Rechtsfrage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung nicht notwendigerweise befassen mußte.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2, 3 S. 3
Tatbestand
Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom ... nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) wegen rückständiger Steuern und steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von ... DM (im Laufe des Klageverfahrens am 21. Oktober 1997 auf ... DM eingeschränkt) die Girokonten der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bei drei verschiedenen Kreditinstituten in Beschlag. Einspruch (Einspruchsentscheidung vom ...) und Klage der Klägerin hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Einwendungen der Klägerin, die Steuerrückstände beruhten im wesentlichen auf Fehlbuchungen und nicht berücksichtigten Zahlungen, könnten nicht nachvollzogen werden, weil die Klägerin substantiierte Angaben, welche die nach Aktenlage nicht zu beanstandenden Darstellungen des FA in der Einspruchsentscheidung und dem vorangegangenen Schriftverkehr widerlegen könnten, nicht gemacht habe. Die etwa unzutreffende Angabe des geschuldeten Betrags in der Pfändungsverfügung berühre die Rechtmäßigkeit der Pfändung nicht. Alle Vollstreckungsvoraussetzungen hätten vorgelegen. Daß die Girokonten zur Zeit der Pfändung keine Deckung aufwiesen, mache die Pfändungen nicht wirtschaftlich sinnlos, weil diese auch künftige Forderungen der Klägerin gegen die Kreditinstitute mitumfaßten. Die nachfolgende Sachpfändung zweier PKW der Klägerin berühre unter dem Gesichtspunkt einer möglichen unzulässigen Überpfändung den Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens nicht. Der Einholung eines von der Klägerin beantragten Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage, ob die Vollstreckungsmaßnahmen sachlich und rechtlich begründet gewesen seien, habe es nicht bedurft, da diese Frage der Sachkunde des Gerichts unterliege.
Mit der vorliegenden Beschwerde begehrt die Klägerin, gestützt auf alle drei Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Zulassung der Revision gegen das vorinstanzliche Urteil.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO nicht in einer den Anforderungen entsprechenden Weise dargelegt bzw. bezeichnet hat (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Wird als Verfahrensmangel gerügt, das FG habe einen beantragten Sachverständigenbeweis nicht erhoben (Rüge mangelnder Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), so ist wenigstens genau darzulegen, weshalb sich das FG die zur Beurteilung der streitigen Tatsachen erforderliche Sachkunde nicht selbst zutrauen durfte, woraus sich also seine mangelnde Sachkunde ergibt, welche Erkenntnisse des FG mutmaßlich aufgrund der unterbliebenen Beweisaufnahme gewonnen hätte und inwiefern diese Erkenntnisse --auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können (Senatsbeschluß vom 3. Juli 1998 VII B 95/98, BFH/NV 1998, 1512).
Im Streitfall fehlen bereits jegliche Ausführungen der Klägerin hierzu, weshalb das FG, das in seinem Urteil ausdrücklich darauf verwiesen hatte, aufgrund seiner eigenen Sachkunde bedürfe es keines Sachverständigengutachtens, sich die erforderliche Sachkunde, anhand der Vollstreckungsakten, der Einspruchsentscheidung und des Schriftverkehrs der Beteiligten das Bestehen einer vollstreckbaren Forderung zuverlässig zu überprüfen, nicht selbst hätte zutrauen dürfen. Konkrete Darlegungen hierzu wären gerade im Streitfall um so eher erforderlich gewesen, weil das betreffende Tätigkeitsfeld zu den ureigensten Aufgaben der finanzgerichtlichen Rechtsprechung gehört und Sachverständigengutachten in diesem Bereich unüblich, also eher die Ausnahme sind.
Zudem geht die Klägerin von falschen Voraussetzungen aus. Im Tatsächlichen haben dem FG entgegen dem Vorbringen der Klägerin sehr wohl die Vollstreckungsakten vorgelegen. Sie sind dem FG aufgrund fernmündlicher Anforderung mit (undatiertem) beim FG eingegangenen Schreiben des FA vom ... unter Bezugnahme auf die beiden von der Klägerin betriebenen Verfahren ... bzw. ... vorgelegt worden. Dieses Schreiben befindet sich bei den Gerichtsakten im Parallelverfahren ... und ist ausweislich der auf der Rückseite befindlichen Stempeleintragungen auch dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zur Kenntnisnahme übersandt worden. Im Rechtlichen verkennt die Klägerin, daß ein Sachverständigengutachten nicht dazu dienen kann, eine ausreichend substantiierte Klagebegründung zu ersetzen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Oktober 1994 IV B 112/93, BFH/NV 1995, 420). In der Klagebegründung der Klägerin und in ihren weiteren Schriftsätzen ist nicht einmal ansatzweise dargelegt, aus welchen Gründen die zahlreichen vom FA in den Anlagen zu den Pfändungsverfügungen aufgeführten Forderungen von Anfang an nicht bestanden hätten oder zwischenzeitlich durch Verrechnung, Umbuchung, Aufrechnung oder dergleichen erloschen sein sollten. Substantiierte Angaben hierzu in der Klageschrift wären gerade Aufgabe der Klägerin und ihres Prozeßbevollmächtigten gewesen. Dabei hätte es ihr freigestanden, von sich aus einen Sachverständigen mit der vorprozessualen Überprüfung zu beauftragen, sollte sie selbst dazu nicht in der Lage gewesen sein.
Soweit die Klägerin die Nichtzuziehung eines Sachverständigen durch das FG auch als Verletzung ihres Rechts auf Gehör bewertet wissen will, fehlt jeglicher substantiierter Vortrag dazu, wozu genau sich die Klägerin nicht äußern konnte und was sie bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte. Der pauschale Vortrag, der Sachverständige hätte eindeutig festgestellt, daß durch unterlassene Verrechnung und Einbeziehung ausgesetzter Beträge eine vollstreckbare Schuld nicht gegeben sei, reicht hier ebensowenig aus wie zur ordnungsgemäßen Darlegung der Rüge mangelnder Sachaufklärung.
2. Die von der Klägerin erhobene Divergenzrüge des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO kann, wie sich bereits aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt, nicht auf die angebliche Abweichung der angefochtenen Vorentscheidung von einer Entscheidung des Reichsfinanzhofs --RFH-- (vgl. BFH-Beschluß vom 30. September 1993 IV B 182/92, BFH/NV 1994, 641) bzw. der Entscheidung eines (anderen) FG (vgl. BFH-Beschluß vom 28. März 1991 V B 118/89, BFH/NV 1992, 744) gestützt werden.
3. Sofern den Hinweisen der Klägerin auf das Urteil des RFH vom 16. Februar 1934 V A 41/34 (RStBl 1934, 245) und auf den Beschluß des FG des Landes Brandenburg vom 5. August 1998 1 V 1658/98 KV (Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 1451) ferner das Vorbringen entnommen werden kann, sie sehe die Frage, ob es ermessensfehlerhaft sei, wenn das FA direkt auf ein Geschäftskonto zugreife und damit die Gefahr der Zerstörung der Kreditbeziehung zwischen Betrieb und Bank in Kauf nehme, ohne zuvor andere Vollstreckungsmöglichkeiten (hier: die Sachpfändung der beiden PKW) auszuschöpfen, als klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung an, ist, abgesehen von der unzureichenden Darlegung, weshalb diese Frage über den konkreten Streitfall hinaus das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren könnte, darauf hinzuweisen, daß das FG über diese Frage in seinem Urteil gar nicht befunden hat. Auch die Klägerin hatte ausweislich ihres Vorbringens in der mündlichen Verhandlung vor dem FG in diesem Zusammenhang (nachfolgende Pfändung zweier PKW der Klägerin) lediglich den Aspekt einer möglichen unzulässigen Überpfändung geltend gemacht.
Vom FG möglicherweise übersehene Rechtsfragen können weder Divergenz (BFH-Beschluß vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671) noch grundsätzliche Bedeutung begründen. Da die Institute der Grundsatzbeschwerde und der Divergenzbeschwerde, die lediglich ein Unterfall der Grundsatzbeschwerde darstellt, nicht dazu dienen, eine generelle Richtigkeitskontrolle zu gewährleisten, ist die Revision nicht allein deshalb zuzulassen, weil im Klageverfahren möglicherweise Rechtsfragen übersehen wurden (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Dezember 1997 IX B 193/95, BFH/NV 1998, 704). Hinsichtlich der grundsätzlichen Bedeutung gilt dies jedenfalls insoweit und fehlt es mithin an der Klärungsfähigkeit, als sich das FG mit der vom Beschwerdeführer in der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung nicht befaßt hat und sich damit auch nicht notwendigerweise befassen mußte (vgl. BFH-Beschluß vom 3. April 1992 III B 525/90, BFH/NV 1993, 243). Im Streitfall sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, weshalb sich das FG nach dem Sachstand, wie er sich bei Abschluß der mündlichen Verhandlung darbot, zwingend mit der von der Klägerin nunmehr aufgeworfenen Rechtsfrage hätte befassen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 422677 |
BFH/NV 2000, 343 |