Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist
Leitsatz (NV)
1. Zu den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist.
2. Die Grundsätze der FGO über Fristversäumnis und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gelten für die Finanzbehörde grundsätzlich in gleicher Weise wie für einen Steuerpflichtigen. Die Finanzbehörde muß daher die zum Fehlen eines Verschuldens an der Fristversäumnis vorgetragenen Angaben durch Vorlage präsenter Beweismittel glaubhaft machen.
Normenkette
FGO § 54 Abs. 2, §§ 56, 120 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 1
Gründe
...
Die Revision des HZA ist als unzulässig zu verwerfen (§ 124 Abs. 1 FGO), weil die gesetzlich vorgesehene Frist für die Begründung der Revision nicht eingehalten worden und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren ist.
1. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen FG-Urteils schriftlich beim FG einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats -- beim FG oder beim BFH -- zu begründen. Die Revisionsbegründungsfrist endete im Streitfall, da das FG-Urteil dem HZA am 6. April 1994 zugestellt worden ist, gemäß § 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO), § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), § 54 Abs. 1 FGO und § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 6. Juni 1994 (Montag). Bis zu diesem Zeitpunkt lag dem BFH noch keine den Anforderungen des § 120 Abs. 1 FGO genügende Revisionsbegründung vor.
2. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kann dem HZA nicht gewährt werden.
Eine solche Wiedereinsetzung ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, daß innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt wird und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag durch präsente Beweismittel glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll (vgl. § 56 Abs. 2 FGO; ständige Rechtsprechung, s. z. B. BFH-Urteil vom 27. März 1985 II R 118/83, BFHE 144, 1, BStBl II 1985, 586; BFH- Beschluß vom 9. März 1993 VI R 60/90, BFH/NV 1993, 616 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des BFH gelten die Grundsätze der FGO über Fristversäumnis und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Finanzbehörde in gleicher Weise wie für einen Steuerpflichtigen (vgl. Senatsurteil vom 12. Mai 1992 VII R 38/91, BFH/NV 1993, 6 m. w. N.). Hiernach schließt jedes Verschulden -- also auch eine einfache Fahrlässigkeit -- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Wird, wie im Streitfall, das HZA durch eine(n) zum Richteramt befähigte(n) Beamten (Beamtin) der OFD als Bevollmächtige(n) vertreten, so ist dessen (deren) schuldhaftes Handeln dem HZA wie eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO).
Die Einhaltung einer Revisionsbegründungsfrist verlangt eine besondere Sorgfalt des Prozeßbevollmächtigten bei der Notierung der Frist und bei der Überwachung des damit betrauten Personals (BFH-Beschluß vom 25. Januar 1993 IX R 73/89, BFH/NV 1993, 550 m. w. N.). Insbesondere bleibt der Prozeßbevollmächtigte trotz Übertragung der Fristenkontrolle auf eine zuverlässige und sorgfältig ausgewählte Person verpflichtet, den Fristablauf eigenverantwortlich nachzuprüfen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Prozeßhandlung vorgelegt wird, selbst wenn ihm die Akte bei der Bearbeitung der Sache nicht vorgelegen hat (BFH-Beschluß vom 8. April 1992 II R 73/91, BFH/NV 1992, 829 m. w. N.).
Der Senat kann im Streitfall dahingestellt sein lassen, ob der Tatsachenvortrag des HZA ausreichend substantiiert ist, ein mangelndes Verschulden seiner Prozeßbevollmächtigten bei der Überwachung des mit der Fristenkontrolle beauftragten Beamten der OFD deutlich zu machen, und ob ferner angesichts der bereits mit Datum vom 7. Juni 1994 (also einen Tag nach Fristablauf) versehenen Revisionsbegründungsschrift nicht auch Angaben zum Fehlen eines Verschuldens hinsichtlich der Nachprüfung des Fristablaufs bei der Vorbereitung und Abfassung der Revisionsbegründungsschrift durch die Prozeßbevollmächtigte erforderlich gewesen wären. Die Wiedereinsetzung war jedenfalls deswegen zu versagen, weil es das HZA versäumt hat, die vorgetragenen Angaben durch Vorlage präsenter Beweismittel, etwa durch eine dienstliche Erklärung oder eine eidesstattliche Versicherung des mit der Fristenüberwachung beauftragten Beamten oder durch Vorlage einer Kopie der betreffenden Seite des Fristenüberwachungsbuchs glaubhaft zu machen. Auch insoweit sind an eine Finanzbehörde jedenfalls grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie an einen Steuerpflichtigen zu stellen.
Fundstellen
Haufe-Index 421083 |
BFH/NV 1996, 343 |