Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergehen eines in einem verlesenen Schriftsatz enthaltenen Beweisantrags
Leitsatz (NV)
Wird mit einem Schriftsatz vom Vortag der mündlichen Verhandlung ein Antrag auf Zeugenbeweis gestellt, reicht das Verlesen dieses Schreibens zu Beginn der mündlichen Verhandlung nicht für die Annahme aus, der Beteiligte habe das Übergehen des Beweisantrags rechtzeitig gerügt. Vielmehr muss der Antrag zu Protokoll erklärt werden, nachdem der Beteiligte zur Kenntnis nehmen kann, dass das FG den Zeugen nicht geladen hat und auch nicht erkennen lässt, die Vernehmung in einer weiteren mündlichen Verhandlung nachholen zu wollen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 155; ZPO § 295
Gründe
Von einer Darstellung des Tatbestands wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Die Beschwerde ist unzulässig und war deshalb zu verwerfen.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die gerügten Verfahrensmängel nicht in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Weise schlüssig dargelegt.
1. Eine schlüssige Rüge erfordert, dass die Tatsachen, die den Mangel ergeben, im Einzelnen angeführt werden und dargelegt wird, weshalb die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) auf dem Mangel beruhen kann (Senatsbeschluss vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148).
Wird gerügt, das Gericht habe seine Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines Beweisantrags verletzt, ist in der Beschwerde darzulegen, dass nicht auf die Geltendmachung des Verfahrensmangels verzichtet worden ist. Denn das Übergehen eines Beweisantrags stellt einen verzichtbaren Verfahrensmangel dar (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372, m.w.N.). Wenn der Beschwerdeführer im Klageverfahren ―wie hier― sachkundig vertreten war, sind mit der Beschwerde Ausführungen dazu zu machen, dass entweder die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder aber warum die Rüge nicht rechtzeitig erhoben werden konnte (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1994 I R 54/93, BFHE 175, 40, BStBl II 1994, 864; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 120 Rz. 40, m.w.N.).
Wird gerügt, das Gericht habe seiner Sachaufklärungspflicht nicht genügt, ohne dabei einen Beweisantrag übergangen zu haben, so sind schlüssige Ausführungen dazu erforderlich, welche Tatsachen hätten aufgeklärt oder welche Beweise hätten erhoben werden müssen, aus welchen Gründen sich die Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei weiterer Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern sich daraus auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Gerichts eine andere Entscheidung hätte ergeben können (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 13. März 1995 XI B 160/94, BFH/NV 1995, 817; Gräber/Ruban, a.a.O.).
2. Soweit sich die Klägerin auf mangelnde Sachaufklärung ohne entsprechenden Beweisantrag beruft, hat sie nicht schlüssig dargelegt, dass sich dem Gericht in Bezug auf entscheidungserhebliche Tatsachen eine weitere Aufklärung hätte aufdrängen müssen.
Die Frage, ob sich das Grundstück S-Weg 32 im Streitjahr noch im Eigentum der Ehemänner der Beigeladenen befand, war für das Gericht ohne Bedeutung. Dieses Grundstück findet in dem Urteil nur im Hinblick auf die ursprüngliche Darlehensaufnahme, nicht aber für die Bemessung der Gegenleistung Erwähnung. Ebenso ist das Gericht von den nach seinen Feststellungen im Zeitpunkt der Übertragung noch bestehenden Darlehensverbindlichkeiten ausgegangen, deren Höhe von der Klägerin auch mit der Beschwerde nicht in Frage gestellt wird. Frühere Darlehenstilgungen sind danach bereits berücksichtigt.
Die Klägerin hat auch nicht schlüssig dargelegt, warum sich das FG ohne diesbezüglichen Antrag um weitere Aufklärung des Werts des Grundstücks S-Weg 25 hätte bemühen müssen. Der Berichterstatter hatte im Anschluss an den Erörterungstermin mit Schreiben vom 12. Mai 1998 darauf hingewiesen, dass er in Ermangelung gegenteiligen substantiierten Vortrags davon ausgehen werde, dass die Schuldübernahme als Gegenleistung für die Übertragung des Miteigentumsanteils nicht unangemessen hoch gewesen sei. Es wäre danach Sache der Klägerin gewesen, im Einzelnen zur Angemessenheit der Gegenleistung im Hinblick auf den Wert des Grundstücks vorzutragen und ggf. entsprechende Beweisanträge zu stellen. Spätestens hätte sie in der mündlichen Verhandlung den von dem Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1 genannten Wertangaben widersprechen und entsprechende Beweisanträge stellen müssen. Dies ist ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung nicht geschehen.
Dass der zu beurteilende Sachverhalt komplex ist und zeitlich lange zurückliegt, reicht als Begründung für die Rüge unzureichender Sachverhaltsaufklärung nicht aus.
3. Soweit die Klägerin rügt, ihr Beweisantrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des Sparkassenangestellten sei übergangen worden, hat sie ihr Rügerecht verloren. Denn sie hat versäumt, diesen zuvor schriftsätzlich gestellten Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung zu wiederholen.
Die Verlesung des Schriftsatzes vom Vortag zu Beginn der mündlichen Verhandlung reicht insoweit nicht aus. Vielmehr hätte die durch ihren sachkundigen Bevollmächtigten vertretene Klägerin diesen Antrag zu Protokoll erklären müssen, nachdem sie zur Kenntnis nehmen konnte, dass das Gericht den Zeugen nicht geladen hatte und auch nicht erkennen ließ, dies in einer weiteren mündlichen Verhandlung nachholen zu wollen. Sind nicht besondere Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Gericht bei Schließen der mündlichen Verhandlung noch weitere Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts beabsichtigt, ist davon auszugehen, dass es seine Aufklärungspflicht gem. § 76 Abs. 1 FGO für erfüllt hält und eine abschließende Entscheidung treffen wird. Denn nach § 79 Abs. 1 Satz 1 FGO soll der Rechtsstreit nach einer mündlichen Verhandlung beendet werden (Senatsurteil vom 27. Februar 1992 IV R 131/90, BFH/NV 1992, 664; Senatsbeschluss vom 18. August 1999 IV B 108/98, JURIS). Die Klägerin musste bei dieser Sachlage davon ausgehen, dass das Gericht ohne die begehrte Beweiserhebung aufgrund dieser einen mündlichen Verhandlung zu einer abschließenden Entscheidung kommen würde. Indem sie ihren Beweisantrag gleichwohl nicht ausdrücklich wiederholte, hat sie auf ihr Rügerecht verzichtet.
Fundstellen
Haufe-Index 424952 |
BFH/NV 2000, 735 |