Entscheidungsstichwort (Thema)
Eidesstattliche Versicherung
Leitsatz (NV)
- Die Verpflichtungen des Vollstreckungsschuldners, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und die Richtigkeit desselben zu Protokoll an Eides statt zu versichern, sind trotz der gesetzlichen Regelung in unterschiedlichen Absätzen des § 284 AO 1977 als Einheit anzusehen. Die Aufforderungen hierzu können daher grundsätzlich in einem einheitlichen Vorgang, in der Regel in der Ladung zu dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, erfolgen.
- Wenn die Vollstreckungsbehörde es im Einzelfall für geboten hält, kann sie auch abgestuft vorgehen und die den Vollstreckungsschuldner treffenden Verpflichtungen (1.) Schritt für Schritt einfordern. Auf welche Weise die Vollstreckungsbehörde letztendlich vorgeht, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen und bedarf in der Ladungsverfügung keiner besonderen Begründung.
Normenkette
AO 1977 § 284 Abs. 1-3, 6; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 807 Abs. 1-3, § 900 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein selbständiger Steuerberater, ist vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) mit Verfügung vom 11. Dezember 1998 wegen rückständiger betrieblicher Schulden an Steuern und steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von damals … DM zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) auf den 25. Januar 1999 an Amtsstelle vorgeladen worden. Nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 13. April 1999) blieb auch die Klage des Klägers vor dem Finanzgericht (FG) ohne Erfolg. Das FG hielt in getrennten Prüfungen sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses (§ 284 Abs. 1 AO 1977) als auch diejenigen für die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§ 284 Abs. 3 AO 1977) für erfüllt und auch das dem FA in diesen Vorschriften jeweils eingeräumte Ermessen für pflichtgemäß ausgeübt. Die Verbindung der beiden Anordnungen in einer Verfügung sei zulässig gewesen. Die Verpflichtungen des Vollstreckungsschuldners aus § 284 Abs. 1 und Abs. 3 AO 1977 seien als Einheit und die Aufforderungen hierzu als einheitlicher Vorgang anzusehen. Eine zeitliche Reihenfolge oder eine andere Rangfolge lasse sich weder aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 284 AO 1977 noch aus dem Sinnzusammenhang, in den die Vorschrift gestellt sei, ableiten.
Seine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Von grundsätzlicher Bedeutung hält der Kläger insbesondere ―so versteht es der Senat― die Rechtsfrage, ob die vom FG getrennt geprüften Verwaltungsakte, die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, tatsächlich als Einheit im Sinne des FG angesehen werden könnten mit der Folge, dass die Aufforderungen zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in rechtlich zulässiger Weise in einer Verfügung und auf den selben Termin erfolgen könnten. Demgegenüber entnimmt der Kläger der Vorschrift des § 284 AO 1977 mit ihren getrennten Regelungen in Abs. 1 und Abs. 3 eine bestimmte zeitliche Abfolge der beiden Aufforderungen. Zunächst habe die Vollstreckungsbehörde zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses aufzufordern; dann habe sie auf der Grundlage dieses Vermögensverzeichnisses zu entscheiden, ob nicht von der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung abgesehen werden könne. Folglich müsse immer zuerst das Vermögensverzeichnis vorliegen, bevor über die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu entscheiden bzw. die Abgabe derselben zu verlangen sei. Dies habe zur Folge, dass die angefochtene Verfügung des FA vom 11. Dezember 1998 zumindest hinsichtlich der Aufforderung, zu dem vorzulegenden Vermögensverzeichnis auch die eidesstattliche Versicherung abzugeben, ermessensfehlerhaft und damit als rechtswidrig aufzuheben sei.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Dabei kann der Senat offen lassen, ob der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage hinreichend i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt hat, denn dieser Frage kommt eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Sie ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht klärungsbedürftig, denn sie ist eindeutig zu bejahen und damit offensichtlich so zu entscheiden, wie es das FG getan hat (s. zu diesem Kriterium Bundesfinanzhof ―BFH―, Beschluss vom 12. Juli 1994 VII B 102/94, BFH/NV 1995, 229, m.w.N.).
1. Die Aufforderung der Vollstreckungsbehörde an den Vollstreckungsschuldner, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und die Richtigkeit und Vollständigkeit der darin gemachten Angaben zu Protokoll an Eides statt zu versichern, erfolgt in der Regel ―so die herkömmliche Verwaltungspraxis― mit einer einheitlichen Verfügung, der sog. Ladung zu dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§ 284 Abs. 6 Satz 1 AO 1977). Eine Aufteilung und Zerlegung des Vorgangs in dem Sinne, dass zunächst die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses nach § 284 Abs. 1 AO 1977 zu ergehen habe (1. Verwaltungsakt) und sich erst nachfolgend, nämlich nach Abgabe des Vermögensverzeichnisses und Prüfung desselben durch die Vollstreckungsbehörde, die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 anschließen dürfe (2. Verwaltungsakt), wie der Kläger vorträgt, ist bei dem zweiaktigen Vorgang zwar möglich, wird aber vom Gesetz so nicht verlangt.
2. Diese Auffassung entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Zwar hatte er niemals Anlass, sich ausdrücklich mit dieser Frage zu befassen, weil diese nicht streitig war und auch weder im Schrifttum noch in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung kontrovers oder abweichend von der herrschenden Verwaltungspraxis diskutiert worden ist. So ist der Senat in seiner Rechtsprechung stets stillschweigend davon ausgegangen, dass die Vollstreckungsbehörde befugt ist, in der Ladungsverfügung sowohl zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses als auch zur Bekräftigung von dessen Richtigkeit und Vollständigkeit gleichzeitig zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufzufordern (vgl. z.B. die Senatsurteile vom 22. September 1992 VII R 96/91, BFH/NV 1993, 220, und vom 4. August 1992 VII R 40/91, BFH/NV 1993, 342, und zuletzt den Senatsbeschluss vom 17. März 2000 VII B 1/00, BFH/NV 2000, 1125). Die Rechtsprechung der FG und das Schrifttum folgen, soweit sie sich überhaupt mit der Frage befassen, dieser Betrachtung (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Juni 1994 4 K 1745/93, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1995, 153; FG München, Urteil vom 14. Februar 1997 15 K 78/97, EFG 1997, 650, und nunmehr auch das angefochtene Urteil des FG Baden-Württemberg vom 12. April 2000 9 K 187/99; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 284 AO 1977 Rz. 52). Abweichende Auffassungen, welche das Vorbringen des Klägers unterstützen könnten, sind nicht ersichtlich.
3. Dass die Verpflichtungen des Vollstreckungsschuldners, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen (§ 284 Abs. 1 AO 1977) und die Richtigkeit und Vollständigkeit desselben zu Protokoll an Eides statt zu versichern (§ 284 Abs. 3 Satz 1 AO 1977), als Einheit anzusehen sind und die Aufforderungen hierzu grundsätzlich in einem einheitlichen Vorgang erfolgen können, folgt klar aus der Struktur und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung in § 284 AO 1977.
a) Unter der Überschrift "Eidesstattliche Versicherung" stellt der Gesetzgeber der Vollstreckungsbehörde ein in sich abgestuftes, aber einheitliches System zur Verfügung, mittels dessen sich diese sichere Erkenntnisse über den Bestand eines etwa noch vorhandenen Aktivvermögens des Vollstreckungsschuldners verschaffen kann. "Eidesstattliche Versicherung" (früher: Offenbarungseid) in diesem Sinne ist die zusammenfassende Bezeichnung der Verpflichtungen, die den Vollstreckungsschuldner auf die Aufforderung der Vollstreckungsbehörde hin treffen.
Diese Verpflichtungen ("Der Vollstreckungsschuldner hat …") sind zwar in unterschiedlichen Absätzen (Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1) des § 284 AO 1977 enthalten, knüpfen aber an die Erfüllung ein und derselben tatbestandlichen Voraussetzungen an: Liegt einer der in § 284 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 AO 1977 geregelten Fälle vor, hat der Vollstreckungsschuldner, wenn es die Vollstreckungsbehörde in pflichtgemäßer Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens verlangt (Abs. 1: "auf Verlangen"), ein Vermögensverzeichnis nach näherer Maßgabe des § 284 Abs. 2 AO 1977 vorzulegen und für etwaige Forderungen den Grund und die Beweismittel zu bezeichnen (Abs. 1) und ferner ―nach Erfüllung dieser Verpflichtung, aber ohne zusätzliche tatbestandliche Voraussetzungen― zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er die von ihm verlangten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe (Abs. 3 Satz 1).
b) Dieser zweite Akt der eidesstattlichen Versicherung, nämlich deren förmliche Abgabe, hat keine eigenständigen tatbestandlichen Voraussetzungen (insofern ist die besondere Prüfung, die das FG in dem angefochtenen Urteil durchgeführt hat, überflüssig und möglicherweise missverständlich); er ist aber logischerweise aufschiebend bedingt durch die Erfüllung des ersten Aktes der eidesstattlichen Versicherung, der Vorlage des Vermögensverzeichnisses durch den Vollstreckungsschuldner, und durch die in erneuter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (zum "doppelten Ermessen" im Rahmen des § 284 AO 1977 s. Müller-Eiselt, a.a.O., § 284 AO 1977 Rz. 53) getroffene Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, nicht von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung abzusehen (Abs. 3 Satz 2). Wird ―wie im Streitfall― ein Vermögensverzeichnis nicht abgegeben, stellt sich die Frage einer erneuten Ermessensausübung der Vollstreckungsbehörde nicht. Diese wird nur relevant, wenn der Vollstreckungsschuldner entweder vor dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ein Vermögensverzeichnis eingereicht hat (vgl. dazu den dem Senatsbeschluss vom 18. Oktober 1999 VII B 179/99, BFH/NV 2000, 462 zugrunde liegenden Sachverhalt) oder, was der Regelfall ist, im Termin selbst das Vermögensverzeichnis vorlegt. Angesichts der einheitlichen tatbestandlichen Voraussetzungen ist die Vollstreckungsbehörde berechtigt, in der Ladungsverfügung zu dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§ 284 Abs. 6 Satz 1 AO 1977) den Vollstreckungsschuldner zu beiden Teilakten dieses Vorgangs zugleich aufzufordern.
c) Der Vollstreckungsschuldner in der Steuervollstreckung nach der AO 1977 darf insoweit auch nicht besser gestellt sein als ein Vollstreckungsschuldner bei der Vollstreckung nach der Zivilprozeßordnung (ZPO), wenn der Vollstreckungsgläubiger den Gerichtsvollzieher zur Bestimmung eines Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beauftragt hat (§ 900 Abs. 1 ZPO). Denn dann ist der Schuldner verpflichtet, in dem vom Gerichtsvollzieher bestimmten Termin ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und darauf die eidesstattliche Versicherung zu leisten (vgl. § 807 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 ZPO). Bei der vom Gesetzgeber bewusst angelegten Parallelität der Regelungen kann für die Vollstreckung nach der AO 1977 nichts anderes gelten. Die Regelung der eidesstattlichen Versicherung in § 284 Abs. 1 bis 3 AO 1977 unterscheidet sich von derjenigen in § 807 Abs. 1 bis 3 ZPO im Wesentlichen nur durch die dem öffentlichen Recht eigene Figur des Ermessens und seiner pflichtgemäßen Ausübung. Diese Besonderheit dient dem Schutz des Vollstreckungsschuldners und ist auch deshalb geboten, weil die Finanzbehörde regelmäßig die Funktionen des Steuergläubigers und der Vollstreckungsbehörde (die hier mit dem Gerichtsvollzieher zu vergleichen ist) zugleich ausübt.
d) Schließlich widerspräche es dem Sinn und Zweck der Regelung, die es dem Vollstreckungsgläubiger ermöglichen will, schnell und zuverlässig noch vorhandenes Vermögen des Vollstreckungsschuldners, in welches zur Abdeckung der Steuerschulden vollstreckt werden könnte, ausfindig zu machen, wenn die Vollstreckungsbehörde den Vollstreckungsschuldner zunächst lediglich zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses auffordern dürfte und ihn erst später, nämlich nach Vorlage eines ordnungsgemäßen Vermögensverzeichnisses, zur Bekräftigung von dessen Vollständigkeit und Richtigkeit zur Abgabe der eigentlichen eidesstattlichen Versicherung vorladen könnte. Eine solche Möglichkeit stünde nämlich der Vollstreckungsbehörde auch außerhalb des Verfahrens nach § 284 AO 1977 zur Verfügung (vgl. § 249 Abs. 2, § 95 AO 1977). Durch Hinauszögern der Vorlage eines dem Gesetz entsprechenden Vermögensverzeichnisses könnte der Vollstreckungsschuldner das weitere Verfahren nach Belieben aufhalten und so die Möglichkeiten des Fiskus, sich aus etwa noch vorhandenem, bisher verborgenem Vermögen zu befriedigen, auf ein Minimum reduzieren. Neben dem zugunsten des Vollstreckungsschuldners wirkenden Suspensiveffekt des qualifizierten Einspruchs gegen die Aufforderung der Vollstreckungsbehörde nach § 284 AO 1977 (vgl. § 284 Abs. 6 Satz 2 und 3 AO 1977), der aus rechtsstaatlichen Gründen geboten erscheint, ist es nicht angebracht, dem Vollstreckungsschuldner eine weitere Möglichkeit, die Abgabe der eigentlichen eidesstattlichen Versicherung hinauszuzögern, zu eröffnen.
Daher ist es nicht zu beanstanden, weil es dem Gesetz entspricht, wenn die Vollstreckungsbehörde in der Ladungsverfügung zugleich zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der Versicherung an Eides statt in dem anberaumten Termin auffordert. Allerdings kann die Behörde, wenn sie dies im Einzelfall für geboten hält, auch abgestuft vorgehen und die den Vollstreckungsschuldner nach § 284 AO 1977 treffenden Pflichten Schritt für Schritt einfordern. Auf welche Weise die Finanzbehörde letztendlich vorgeht, steht in ihrem Ermessen, bedarf in der Anordnungsverfügung nach § 284 AO 1977 aber keiner besonderen Begründung.
4. Im Übrigen ergeht diese Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 544177 |
BFH/NV 2001, 577 |