Entscheidungsstichwort (Thema)
Recht auf Gehör erfordert keinen Hinweis auf gesetzliche Vorschriften
Leitsatz (NV)
Das FG ist unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nicht verpflichtet, vorab anzukündigen, auf welche gesetzlichen Regelungen es seine Entscheidung voraussichtlich stützen wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn die einschlägigen Vorschriften nicht so entlegen sind, dass sie auch einem kundigen Beteiligten nicht bekannt sein müssen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 96 Abs. 2
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zuführung zu einer Pensionsrückstellung steuerrechtlich eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) darstellt.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, an der im Streitjahr (1992) die 1935 geborene X und deren 1965 geborener Sohn Z zu je 50 v.H. beteiligt waren. Beide Gesellschafter waren zugleich Geschäftsführer der Klägerin. Der Anstellungsvertrag mit Z war auf Lebenszeit, derjenige mit X hingegen mit einer Befristung bis zum 31. März 1995 abgeschlossen.
Am 20. Dezember 1992 sagte die Klägerin beiden Geschäftsführern eine Altersversorgung in Höhe von jeweils 800 DM monatlich zu. In ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1992 bildete sie für die entsprechenden Versorgungsverpflichtungen Rückstellungen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) erhöhte den von der Klägerin erklärten Gewinn um den auf X entfallenden Rückstellungsbetrag, da er die Versorgungszusage gegenüber X als vGA ansah. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin, dass das FG ihr Recht auf Gehör verletzt habe.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Der von der Klägerin gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor.
1. Nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes hat vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. In Umsetzung dieses Grundsatzes bestimmt § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum einen, dass das FG sein Urteil nur auf Tatsachen stützen darf, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Zum anderen haben die Verfahrensbeteiligten Anspruch darauf, dass das Gericht sie auch in rechtlicher Hinsicht auf entscheidungserhebliche Gesichtspunkte und Erwägungen hinweist, mit denen sie erkennbar nicht gerechnet haben und auch nicht rechnen mussten (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16. Mai 2001 I B 84/00, BFH/NV 2001, 1425; vom 25. April 2001 V B 208/00, BFH/NV 2001, 1566). Andererseits ist das FG jedoch nicht allgemein verpflichtet, den Beteiligten vorab mitzuteilen oder anzudeuten, auf welche Umstände und Überlegungen es seine Entscheidung voraussichtlich stützen wird (BFH-Beschlüsse vom 25. Mai 2000 VI B 100/00, BFH/NV 2000, 1235; vom 19. August 2002 XI B 79/99, BFH/NV 2002, 1608, m.w.N.). Erst recht müssen die Beteiligten damit rechnen, dass das FG auch ohne besondere Ankündigung einschlägige gesetzliche Vorschriften beachtet, sofern diese nicht so entlegen sind, dass sie auch einem kundigen Beteiligten nicht bekannt sein müssen (vgl. BFH/NV 2000, 1235).
Im Streitfall ist das so verstandene Recht der Klägerin auf Gehör nicht verletzt worden. Das gilt namentlich insoweit, als das FG in dem angefochtenen Urteil auf die zwischen den Gesellschaftern der Klägerin bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht (§ 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) Bezug genommen hat. Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass hiernach Unterhalt nur dann geleistet werden muss, wenn der Berechtigte unterhaltsbedürftig ist. Damit zielt sie jedoch an der Argumentation des FG vorbei. Dieses hat nicht eine bestehende konkrete Unterhaltspflicht des Z gegenüber X unterstellt, sondern aus der familienrechtlichen Gesetzeslage abgeleitet, dass die Gesellschafter (auch) aus ihrem Verwandtschaftsverhältnis heraus auf eine ausreichende Versorgung des jeweils anderen bedacht waren. Es hat mithin schon die abstrakte Unterhaltspflicht zwischen den Gesellschaftern als Indiz dafür angesehen, dass Z der Versorgungszusage gegenüber seiner Mutter ―zumindest u.a.― aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen zugestimmt hat. Darin liegt unabhängig davon, ob dieser Schluss inhaltlich tragfähig ist, keine Verletzung des Rechts auf Gehör.
2. Die Klägerin sieht eine solche Rechtsverletzung ferner darin, dass das FG ihren Vortrag zur "Erwirtschaftung" der Rentenleistung nicht ausreichend berücksichtigt habe. Diese Rüge geht ebenfalls fehl. Das FG hat den Altersunterschied zwischen X und Z ausdrücklich in seine Würdigung einbezogen und erkannt, dass die Pensionszusage gegenüber Z trotz der betragsmäßigen Übereinstimmung wirtschaftlich weniger wert war als diejenige gegenüber X. Angesichts dessen waren zusätzliche Ausführungen zu dem Vortrag der Klägerin, "dass der jüngere Gesellschafter … die Renten über unterschiedliche Zeiträume hinweg erwirtschaften muss und damit die Pensionszusage zu seinen Lasten geht", nicht erforderlich. Denn dieser konnte im Streitfall nur für die Frage von Bedeutung sein, ob der bestehende Altersunterschied die Annahme übereinstimmender Interessen von X und Z hinderte. Hierzu hat sich das FG indessen geäußert; es war nicht verpflichtet, darüber hinaus zu jeder Einzelheit des in diesem Zusammenhang stehenden Beteiligtenvortrags Stellung zu nehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 938349 |
BFH/NV 2003, 925 |